tungen und Zeitschriften in der ganzen Welt ver- breitet, und sich dafür von den Redaktionen großes Honorar bezahlen läßt, einer Unsittlichkeit zeihen darf; so wenig man den Abschreiber und Verbreiter einer geschriebenen, an das ganze Publikum gerichteten Nachricht eines Unrechts oder eines Dieb- stahls beschuldigen kann; eben so wenig kann man billiger Weise sich dergleichen gegen einen Nach- drucker erlauben. Ob die öffentliche Rede oder die Nachricht mündlich, oder schriftlich, oder durch den Druck dem Publikum mitgetheilt wird, ist ganz gleichgültig; und eben so gleichgültig ist es, ob ich mich zur weitern Verbreitung der mündlichen Rede oder eines Ersatzmittels derselben, des Schrei- bens oder des Drucks bediene. Wird wohl irgend Jemand einen Studierenden, der seine gutgeschrie- benen Kollegienhefte abschreibt oder abschreiben läßt, die Abschriften verkauft oder verschenkt, und auf diese Weise Andere der Nothwendigkeit überhebt, dem Professor ein bedeutendes Honorar zu zahlen, deshalb einen unsittlichen Menschen oder gar einen Spitzbuben schelten? O sicherlich nicht! Und was thut dieser Studierende denn anderes, als was der Nachdrucker gleichfalls thut? Der letztere druckt sogar nur ein Werk nach, dessen Jnhalt der Ver- fasser zum Eigenthum der ganzen Welt machen wollte; der Studierende hingegen vervielfältigt Vorlesungen, die der Urheber blos für seine
III. Bändchen. 6
tungen und Zeitſchriften in der ganzen Welt ver- breitet, und ſich dafuͤr von den Redaktionen großes Honorar bezahlen laͤßt, einer Unſittlichkeit zeihen darf; ſo wenig man den Abſchreiber und Verbreiter einer geſchriebenen, an das ganze Publikum gerichteten Nachricht eines Unrechts oder eines Dieb- ſtahls beſchuldigen kann; eben ſo wenig kann man billiger Weiſe ſich dergleichen gegen einen Nach- drucker erlauben. Ob die oͤffentliche Rede oder die Nachricht muͤndlich, oder ſchriftlich, oder durch den Druck dem Publikum mitgetheilt wird, iſt ganz gleichguͤltig; und eben ſo gleichguͤltig iſt es, ob ich mich zur weitern Verbreitung der muͤndlichen Rede oder eines Erſatzmittels derſelben, des Schrei- bens oder des Drucks bediene. Wird wohl irgend Jemand einen Studierenden, der ſeine gutgeſchrie- benen Kollegienhefte abſchreibt oder abſchreiben laͤßt, die Abſchriften verkauft oder verſchenkt, und auf dieſe Weiſe Andere der Nothwendigkeit uͤberhebt, dem Profeſſor ein bedeutendes Honorar zu zahlen, deshalb einen unſittlichen Menſchen oder gar einen Spitzbuben ſchelten? O ſicherlich nicht! Und was thut dieſer Studierende denn anderes, als was der Nachdrucker gleichfalls thut? Der letztere druckt ſogar nur ein Werk nach, deſſen Jnhalt der Ver- faſſer zum Eigenthum der ganzen Welt machen wollte; der Studierende hingegen vervielfaͤltigt Vorleſungen, die der Urheber blos fuͤr ſeine
III. Baͤndchen. 6
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tungen und Zeitſchriften in der ganzen Welt ver-
breitet, und ſich dafuͤr von den Redaktionen großes
Honorar bezahlen laͤßt, einer Unſittlichkeit zeihen
darf; ſo wenig man den Abſchreiber und Verbreiter
einer geſchriebenen, an das ganze Publikum
gerichteten Nachricht eines Unrechts oder eines Dieb-
ſtahls beſchuldigen kann; eben ſo wenig kann man
billiger Weiſe ſich dergleichen gegen einen Nach-
drucker erlauben. Ob die oͤffentliche Rede oder
die Nachricht muͤndlich, oder ſchriftlich, oder
durch den Druck dem Publikum mitgetheilt wird,
iſt ganz gleichguͤltig; und eben ſo gleichguͤltig iſt es,
ob ich mich zur weitern Verbreitung der muͤndlichen
Rede oder eines Erſatzmittels derſelben, des Schrei-
bens oder des Drucks bediene. Wird wohl irgend
Jemand einen Studierenden, der ſeine gutgeſchrie-
benen Kollegienhefte abſchreibt oder abſchreiben laͤßt,
die Abſchriften verkauft oder verſchenkt, und auf
dieſe Weiſe Andere der Nothwendigkeit uͤberhebt,
dem Profeſſor ein bedeutendes Honorar zu zahlen,
deshalb einen unſittlichen Menſchen oder gar einen
Spitzbuben ſchelten? O ſicherlich nicht! Und was
thut dieſer Studierende denn anderes, als was der
Nachdrucker gleichfalls thut? Der letztere druckt
ſogar nur ein Werk nach, deſſen Jnhalt der Ver-
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wollte; der Studierende hingegen vervielfaͤltigt
Vorleſungen, die der Urheber blos fuͤr ſeine
III. Baͤndchen. 6
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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