Weise übertragenen Sache ein Diebstahl oder nur ein Unrecht, eine Unsittlichkeit? Keineswegs! Habe ich das Recht, eine Tapete nachzudrucken und mei- ne Nachdrücke zu verkaufen, so hab' ich auch das- selbe Recht in Rücksicht eines Buchs! Was stiehlt also der Nachdrucker dem Verleger; was entzieht er auf heimliche oder gewaltsame Weise dem Besitze desselben? Etwa seine Uhr oder sein Geld? Nein! Oder das, ihm vom Verfasser übergebene Manu- skript, dessen Jnhalt er, der Verleger, mittelst des Drucks und unbedingten Verkaufs, als Bevollmäch- tigter des Schriftstellers zum unbeschränkten Eigen- thum der ganzen Welt machen soll? Auch das nicht! Was denn?
Meine Käufer stiehlt er mir! ruft hier ein Urverleger. Deine Käufer? Hattest du sie denn schon im Käficht, daß sie dein Löschpapier kaufen mußten, um wieder heraus zu kommen? Erbrach vielleicht der Nachdrucker deinen Käficht, und ver- setzte die Käufer in den seinigen, damit sie von ihm sich loskaufen müßten? -- Nein, sie waren ganz frei! Sie durften kaufen, oder es unterlassen! -- Gut, wie ist es denn möglich, daß ein vernünfti- ger Mensch, einen Andern beschuldigen kann, er habe ihm seine Käufer gestohlen, da er gar kein Zwangsrecht hatte, von irgend Jemanden zu ver- langen, daß er ihm ein Buch abkaufen sollte? Wie kann überhaupt ein kluger Mann -- und das sollte
Weiſe uͤbertragenen Sache ein Diebſtahl oder nur ein Unrecht, eine Unſittlichkeit? Keineswegs! Habe ich das Recht, eine Tapete nachzudrucken und mei- ne Nachdruͤcke zu verkaufen, ſo hab’ ich auch daſ- ſelbe Recht in Ruͤckſicht eines Buchs! Was ſtiehlt alſo der Nachdrucker dem Verleger; was entzieht er auf heimliche oder gewaltſame Weiſe dem Beſitze deſſelben? Etwa ſeine Uhr oder ſein Geld? Nein! Oder das, ihm vom Verfaſſer uͤbergebene Manu- ſkript, deſſen Jnhalt er, der Verleger, mittelſt des Drucks und unbedingten Verkaufs, als Bevollmaͤch- tigter des Schriftſtellers zum unbeſchraͤnkten Eigen- thum der ganzen Welt machen ſoll? Auch das nicht! Was denn?
Meine Kaͤufer ſtiehlt er mir! ruft hier ein Urverleger. Deine Kaͤufer? Hatteſt du ſie denn ſchon im Kaͤficht, daß ſie dein Loͤſchpapier kaufen mußten, um wieder heraus zu kommen? Erbrach vielleicht der Nachdrucker deinen Kaͤficht, und ver- ſetzte die Kaͤufer in den ſeinigen, damit ſie von ihm ſich loskaufen muͤßten? — Nein, ſie waren ganz frei! Sie durften kaufen, oder es unterlaſſen! — Gut, wie iſt es denn moͤglich, daß ein vernuͤnfti- ger Menſch, einen Andern beſchuldigen kann, er habe ihm ſeine Kaͤufer geſtohlen, da er gar kein Zwangsrecht hatte, von irgend Jemanden zu ver- langen, daß er ihm ein Buch abkaufen ſollte? Wie kann uͤberhaupt ein kluger Mann — und das ſollte
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Weiſe uͤbertragenen Sache ein Diebſtahl oder nur
ein Unrecht, eine Unſittlichkeit? Keineswegs! Habe
ich das Recht, eine Tapete nachzudrucken und mei-
ne Nachdruͤcke zu verkaufen, ſo hab’ ich auch daſ-
ſelbe Recht in Ruͤckſicht eines Buchs! Was ſtiehlt
alſo der Nachdrucker dem Verleger; was entzieht
er auf heimliche oder gewaltſame Weiſe dem Beſitze
deſſelben? Etwa ſeine Uhr oder ſein Geld? Nein!
Oder das, ihm vom Verfaſſer uͤbergebene Manu-
ſkript, deſſen Jnhalt er, der Verleger, mittelſt des
Drucks und unbedingten Verkaufs, als Bevollmaͤch-
tigter des Schriftſtellers zum unbeſchraͤnkten Eigen-
thum der ganzen Welt machen ſoll? Auch das
nicht! Was denn?
Meine Kaͤufer ſtiehlt er mir! ruft hier ein
Urverleger. Deine Kaͤufer? Hatteſt du ſie denn
ſchon im Kaͤficht, daß ſie dein Loͤſchpapier kaufen
mußten, um wieder heraus zu kommen? Erbrach
vielleicht der Nachdrucker deinen Kaͤficht, und ver-
ſetzte die Kaͤufer in den ſeinigen, damit ſie von ihm
ſich loskaufen muͤßten? — Nein, ſie waren ganz
frei! Sie durften kaufen, oder es unterlaſſen! —
Gut, wie iſt es denn moͤglich, daß ein vernuͤnfti-
ger Menſch, einen Andern beſchuldigen kann, er
habe ihm ſeine Kaͤufer geſtohlen, da er gar kein
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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