Der Verleger ist, wie gesagt, bloßer Bevoll- mächtigter (Mandator) des Schriftstellers; er er- wirbt kein Eigenthum an dem Jnhalt der Hand- schrift; er darf nichts eigenmächtig hinzusetzen, nichts hinwegstreichen, nichts davon ungedruckt lassen. Keine Zeile, kein Wort, keine Sylbe darf er än- dern ohne Einwilligung des Verfassers; denn obgleich es manche Buchhändler geben mag, die sich der- gleichen Freiheiten erlauben, und oft ganze Seiten der Handschrift, nach ihrem Gutdünken verbessern oder verwässern *), so sind sie doch dazu keineswegs befugt. Der Eigenthümer hingegen kann mit der Substanz seines Eigenthums vornehmen, was ihm beliebt; er kann es veräußern, verkleinern, ver- größern, vervielfachen, ja selbst vernichten, und überhaupt anwenden, zu welchem Zwecke er will. Nicht so der Verleger oder der Bevollmächtigte des Schriftstellers; denn würde der ärgste Sudler es sich wohl gefallen lassen, wenn der Buchhändler, statt seine Handschrift zu drucken, und die Abdrücke zu verbreiten, Fidibus daraus machte, so vernünf-
*) Jch selbst habe freilich nie diese Erfahrung gemacht; allein von zwei sehr achtungswerthen Schriftstellern in Berlin ist mir mehr, als zwanzig Mal geklagt und gezeigt worden, wie der Jnhalt ihrer Hand- schriften von ihren Verlegern, welche nicht einmal ihre Muttersprache richtig schreiben konnten, entstellt, und ganz fremdartige Dinge eingeschaltet waren.
Der Verleger iſt, wie geſagt, bloßer Bevoll- maͤchtigter (Mandator) des Schriftſtellers; er er- wirbt kein Eigenthum an dem Jnhalt der Hand- ſchrift; er darf nichts eigenmaͤchtig hinzuſetzen, nichts hinwegſtreichen, nichts davon ungedruckt laſſen. Keine Zeile, kein Wort, keine Sylbe darf er aͤn- dern ohne Einwilligung des Verfaſſers; denn obgleich es manche Buchhaͤndler geben mag, die ſich der- gleichen Freiheiten erlauben, und oft ganze Seiten der Handſchrift, nach ihrem Gutduͤnken verbeſſern oder verwaͤſſern *), ſo ſind ſie doch dazu keineswegs befugt. Der Eigenthuͤmer hingegen kann mit der Subſtanz ſeines Eigenthums vornehmen, was ihm beliebt; er kann es veraͤußern, verkleinern, ver- groͤßern, vervielfachen, ja ſelbſt vernichten, und uͤberhaupt anwenden, zu welchem Zwecke er will. Nicht ſo der Verleger oder der Bevollmaͤchtigte des Schriftſtellers; denn wuͤrde der aͤrgſte Sudler es ſich wohl gefallen laſſen, wenn der Buchhaͤndler, ſtatt ſeine Handſchrift zu drucken, und die Abdruͤcke zu verbreiten, Fidibus daraus machte, ſo vernuͤnf-
*) Jch ſelbſt habe freilich nie dieſe Erfahrung gemacht; allein von zwei ſehr achtungswerthen Schriftſtellern in Berlin iſt mir mehr, als zwanzig Mal geklagt und gezeigt worden, wie der Jnhalt ihrer Hand- ſchriften von ihren Verlegern, welche nicht einmal ihre Mutterſprache richtig ſchreiben konnten, entſtellt, und ganz fremdartige Dinge eingeſchaltet waren.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0044"n="44"/><p>Der Verleger iſt, wie geſagt, bloßer Bevoll-<lb/>
maͤchtigter (Mandator) des Schriftſtellers; er er-<lb/>
wirbt kein Eigenthum an dem Jnhalt der Hand-<lb/>ſchrift; er darf nichts eigenmaͤchtig hinzuſetzen, nichts<lb/>
hinwegſtreichen, nichts davon ungedruckt laſſen.<lb/>
Keine Zeile, kein Wort, keine Sylbe darf er aͤn-<lb/>
dern ohne Einwilligung des Verfaſſers; denn obgleich<lb/>
es manche Buchhaͤndler geben mag, die ſich der-<lb/>
gleichen Freiheiten erlauben, und oft ganze Seiten<lb/>
der Handſchrift, nach ihrem Gutduͤnken verbeſſern<lb/>
oder verwaͤſſern <noteplace="foot"n="*)">Jch ſelbſt habe freilich nie dieſe Erfahrung gemacht;<lb/>
allein von zwei ſehr achtungswerthen Schriftſtellern<lb/>
in Berlin iſt mir mehr, als zwanzig Mal geklagt<lb/>
und gezeigt worden, wie der Jnhalt ihrer Hand-<lb/>ſchriften von ihren Verlegern, welche nicht einmal<lb/>
ihre Mutterſprache richtig ſchreiben konnten, entſtellt,<lb/>
und ganz fremdartige Dinge eingeſchaltet waren.</note>, ſo ſind ſie doch dazu keineswegs<lb/>
befugt. Der Eigenthuͤmer hingegen kann mit der<lb/>
Subſtanz ſeines Eigenthums vornehmen, was ihm<lb/>
beliebt; er kann es veraͤußern, verkleinern, ver-<lb/>
groͤßern, vervielfachen, ja ſelbſt vernichten, und<lb/>
uͤberhaupt anwenden, zu welchem Zwecke er will.<lb/>
Nicht ſo der Verleger oder der Bevollmaͤchtigte des<lb/>
Schriftſtellers; denn wuͤrde der aͤrgſte Sudler es<lb/>ſich wohl gefallen laſſen, wenn der Buchhaͤndler,<lb/>ſtatt ſeine Handſchrift zu drucken, und die Abdruͤcke<lb/>
zu verbreiten, Fidibus daraus machte, ſo vernuͤnf-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0044]
Der Verleger iſt, wie geſagt, bloßer Bevoll-
maͤchtigter (Mandator) des Schriftſtellers; er er-
wirbt kein Eigenthum an dem Jnhalt der Hand-
ſchrift; er darf nichts eigenmaͤchtig hinzuſetzen, nichts
hinwegſtreichen, nichts davon ungedruckt laſſen.
Keine Zeile, kein Wort, keine Sylbe darf er aͤn-
dern ohne Einwilligung des Verfaſſers; denn obgleich
es manche Buchhaͤndler geben mag, die ſich der-
gleichen Freiheiten erlauben, und oft ganze Seiten
der Handſchrift, nach ihrem Gutduͤnken verbeſſern
oder verwaͤſſern *), ſo ſind ſie doch dazu keineswegs
befugt. Der Eigenthuͤmer hingegen kann mit der
Subſtanz ſeines Eigenthums vornehmen, was ihm
beliebt; er kann es veraͤußern, verkleinern, ver-
groͤßern, vervielfachen, ja ſelbſt vernichten, und
uͤberhaupt anwenden, zu welchem Zwecke er will.
Nicht ſo der Verleger oder der Bevollmaͤchtigte des
Schriftſtellers; denn wuͤrde der aͤrgſte Sudler es
ſich wohl gefallen laſſen, wenn der Buchhaͤndler,
ſtatt ſeine Handſchrift zu drucken, und die Abdruͤcke
zu verbreiten, Fidibus daraus machte, ſo vernuͤnf-
*) Jch ſelbſt habe freilich nie dieſe Erfahrung gemacht;
allein von zwei ſehr achtungswerthen Schriftſtellern
in Berlin iſt mir mehr, als zwanzig Mal geklagt
und gezeigt worden, wie der Jnhalt ihrer Hand-
ſchriften von ihren Verlegern, welche nicht einmal
ihre Mutterſprache richtig ſchreiben konnten, entſtellt,
und ganz fremdartige Dinge eingeſchaltet waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/44>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.