ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben so trübe und neblicht, wie die Stimmung seiner Seele; aus allen Schornsteinen schlug der Rauch nieder, und je näher er der Pfarre kam, je stärker vermehrte sich ein lieblicher, levantischer Duft, den er so lange hatte entbehren müssen, und der so süße Erinnerungen in ihm zurück rief. Er beflü- gelte deshalb seine Schritte und stürzte ganz uner- wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.
Dieser sprang erschrocken vom Lehnstuhl, ließ die brennende Pfeife zur Erde fallen, schüttete der Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heissen Kaf- fe über das Kleid und rieb sich verlegen die Hände.
Ha, so war es gemeint! rief Herr Christlieb.
Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja bloß --
Mich angeführt, Unwürdiger --
Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen- hirt fort, und eine Tasse Kaffe getrunken wegen der Zahnschmerzen! --
Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach der entrüstete Hofmeister; und jetzt lügen Sie noch, um das Maaß Jhrer Sünden recht voll zu machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben so, wie dem Almosenkasten, falsche Münze für richtige aufbürden können! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß, daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh- rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-
ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben ſo truͤbe und neblicht, wie die Stimmung ſeiner Seele; aus allen Schornſteinen ſchlug der Rauch nieder, und je naͤher er der Pfarre kam, je ſtaͤrker vermehrte ſich ein lieblicher, levantiſcher Duft, den er ſo lange hatte entbehren muͤſſen, und der ſo ſuͤße Erinnerungen in ihm zuruͤck rief. Er befluͤ- gelte deshalb ſeine Schritte und ſtuͤrzte ganz uner- wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.
Dieſer ſprang erſchrocken vom Lehnſtuhl, ließ die brennende Pfeife zur Erde fallen, ſchuͤttete der Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heiſſen Kaf- fe uͤber das Kleid und rieb ſich verlegen die Haͤnde.
Ha, ſo war es gemeint! rief Herr Chriſtlieb.
Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja bloß —
Mich angefuͤhrt, Unwuͤrdiger —
Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen- hirt fort, und eine Taſſe Kaffe getrunken wegen der Zahnſchmerzen! —
Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach der entruͤſtete Hofmeiſter; und jetzt luͤgen Sie noch, um das Maaß Jhrer Suͤnden recht voll zu machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben ſo, wie dem Almoſenkaſten, falſche Muͤnze fuͤr richtige aufbuͤrden koͤnnen! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß, daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh- rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0255"n="255"/>
ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben<lb/>ſo truͤbe und neblicht, wie die Stimmung ſeiner<lb/>
Seele; aus allen Schornſteinen ſchlug der Rauch<lb/>
nieder, und je naͤher er der Pfarre kam, je ſtaͤrker<lb/>
vermehrte ſich ein lieblicher, levantiſcher Duft, den<lb/>
er ſo lange hatte entbehren muͤſſen, und der ſo<lb/>ſuͤße Erinnerungen in ihm zuruͤck rief. Er befluͤ-<lb/>
gelte deshalb ſeine Schritte und ſtuͤrzte ganz uner-<lb/>
wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.</p><lb/><p>Dieſer ſprang erſchrocken vom Lehnſtuhl, ließ<lb/>
die brennende Pfeife zur Erde fallen, ſchuͤttete der<lb/>
Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heiſſen Kaf-<lb/>
fe uͤber das Kleid und rieb ſich verlegen die Haͤnde.</p><lb/><p>Ha, ſo war es gemeint! rief Herr Chriſtlieb.</p><lb/><p>Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja<lb/>
bloß —</p><lb/><p>Mich angefuͤhrt, Unwuͤrdiger —</p><lb/><p>Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen-<lb/>
hirt fort, und eine Taſſe Kaffe getrunken wegen<lb/>
der Zahnſchmerzen! —</p><lb/><p>Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach<lb/>
der entruͤſtete Hofmeiſter; und jetzt luͤgen Sie<lb/>
noch, um das Maaß Jhrer Suͤnden recht voll zu<lb/>
machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben ſo,<lb/>
wie dem Almoſenkaſten, falſche Muͤnze fuͤr richtige<lb/>
aufbuͤrden koͤnnen! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß,<lb/>
daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh-<lb/>
rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[255/0255]
ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben
ſo truͤbe und neblicht, wie die Stimmung ſeiner
Seele; aus allen Schornſteinen ſchlug der Rauch
nieder, und je naͤher er der Pfarre kam, je ſtaͤrker
vermehrte ſich ein lieblicher, levantiſcher Duft, den
er ſo lange hatte entbehren muͤſſen, und der ſo
ſuͤße Erinnerungen in ihm zuruͤck rief. Er befluͤ-
gelte deshalb ſeine Schritte und ſtuͤrzte ganz uner-
wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.
Dieſer ſprang erſchrocken vom Lehnſtuhl, ließ
die brennende Pfeife zur Erde fallen, ſchuͤttete der
Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heiſſen Kaf-
fe uͤber das Kleid und rieb ſich verlegen die Haͤnde.
Ha, ſo war es gemeint! rief Herr Chriſtlieb.
Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja
bloß —
Mich angefuͤhrt, Unwuͤrdiger —
Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen-
hirt fort, und eine Taſſe Kaffe getrunken wegen
der Zahnſchmerzen! —
Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach
der entruͤſtete Hofmeiſter; und jetzt luͤgen Sie
noch, um das Maaß Jhrer Suͤnden recht voll zu
machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben ſo,
wie dem Almoſenkaſten, falſche Muͤnze fuͤr richtige
aufbuͤrden koͤnnen! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß,
daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh-
rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/255>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.