gegen Andere in hochtönenden Phrasen zurufen, ohne selbst eine dieser göttlichen Lehren zu befolgen oder befolgen zu wollen. Handeln und Glauben, Werke und Lehren des Menschen stehen häufig in diametrischem Widerspruch.
Gerne möchte man noch jenen geistlichen Blind- schleichen die Unverschämtheit verzeihen, womit sie allen Andersdenkenden ihr Kirchensystem aufzudrin- gen bemüht sind, denn es könnte wirklich ein red- licher Eifer für das vermeintlich Wahre und Rech- te hier obwalten. Aber es giebt nicht wenige unter ihnen, die Jeden, der nicht alle Possen mitmacht, die sie als beseligend für Zeit und Ewigkeit anprei- sen; nicht alle Thorheiten glaubt, die sie glauben, oder zu glauben vorgeben, mit giftiger Feder und Zunge als einen Freigeist, einen Ketzer, einen Jrr- lehrer, einen Jakobiner und Carbonaro darstellen und anschwärzen, ihm seinen bürgerlich guten Ruf und seinen Kredit untergraben, und ihn mit Weib und Kind an den Bettelstab zu bringen suchen. Zionswächter der Art haben wir unter Protestan- ten und Katholiken sehr viele gehabt, und leider, heißt noch jetzt ihre Zahl Legion.
Jhre ausserordentliche Demuth ist gleichfalls eine wichtige Tugend der christlichen Rabbiner, wo- durch sie in wenigen Jahrhunderten zu so hohem Ansehen gelangten, und eine Gewalt über die Ge- müther der Regenten und der Völker erwarben, welche alle Stürme der Zeit, alle Reformationen
gegen Andere in hochtoͤnenden Phraſen zurufen, ohne ſelbſt eine dieſer goͤttlichen Lehren zu befolgen oder befolgen zu wollen. Handeln und Glauben, Werke und Lehren des Menſchen ſtehen haͤufig in diametriſchem Widerſpruch.
Gerne moͤchte man noch jenen geiſtlichen Blind- ſchleichen die Unverſchaͤmtheit verzeihen, womit ſie allen Andersdenkenden ihr Kirchenſyſtem aufzudrin- gen bemuͤht ſind, denn es koͤnnte wirklich ein red- licher Eifer fuͤr das vermeintlich Wahre und Rech- te hier obwalten. Aber es giebt nicht wenige unter ihnen, die Jeden, der nicht alle Poſſen mitmacht, die ſie als beſeligend fuͤr Zeit und Ewigkeit anprei- ſen; nicht alle Thorheiten glaubt, die ſie glauben, oder zu glauben vorgeben, mit giftiger Feder und Zunge als einen Freigeiſt, einen Ketzer, einen Jrr- lehrer, einen Jakobiner und Carbonaro darſtellen und anſchwaͤrzen, ihm ſeinen buͤrgerlich guten Ruf und ſeinen Kredit untergraben, und ihn mit Weib und Kind an den Bettelſtab zu bringen ſuchen. Zionswaͤchter der Art haben wir unter Proteſtan- ten und Katholiken ſehr viele gehabt, und leider, heißt noch jetzt ihre Zahl Legion.
Jhre auſſerordentliche Demuth iſt gleichfalls eine wichtige Tugend der chriſtlichen Rabbiner, wo- durch ſie in wenigen Jahrhunderten zu ſo hohem Anſehen gelangten, und eine Gewalt uͤber die Ge- muͤther der Regenten und der Voͤlker erwarben, welche alle Stuͤrme der Zeit, alle Reformationen
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gegen Andere in hochtoͤnenden Phraſen zurufen,
ohne ſelbſt eine dieſer goͤttlichen Lehren zu befolgen
oder befolgen zu wollen. Handeln und Glauben,
Werke und Lehren des Menſchen ſtehen haͤufig in
diametriſchem Widerſpruch.
Gerne moͤchte man noch jenen geiſtlichen Blind-
ſchleichen die Unverſchaͤmtheit verzeihen, womit ſie
allen Andersdenkenden ihr Kirchenſyſtem aufzudrin-
gen bemuͤht ſind, denn es koͤnnte wirklich ein red-
licher Eifer fuͤr das vermeintlich Wahre und Rech-
te hier obwalten. Aber es giebt nicht wenige unter
ihnen, die Jeden, der nicht alle Poſſen mitmacht,
die ſie als beſeligend fuͤr Zeit und Ewigkeit anprei-
ſen; nicht alle Thorheiten glaubt, die ſie glauben,
oder zu glauben vorgeben, mit giftiger Feder und
Zunge als einen Freigeiſt, einen Ketzer, einen Jrr-
lehrer, einen Jakobiner und Carbonaro darſtellen
und anſchwaͤrzen, ihm ſeinen buͤrgerlich guten Ruf
und ſeinen Kredit untergraben, und ihn mit Weib
und Kind an den Bettelſtab zu bringen ſuchen.
Zionswaͤchter der Art haben wir unter Proteſtan-
ten und Katholiken ſehr viele gehabt, und leider,
heißt noch jetzt ihre Zahl Legion.
Jhre auſſerordentliche Demuth iſt gleichfalls
eine wichtige Tugend der chriſtlichen Rabbiner, wo-
durch ſie in wenigen Jahrhunderten zu ſo hohem
Anſehen gelangten, und eine Gewalt uͤber die Ge-
muͤther der Regenten und der Voͤlker erwarben,
welche alle Stuͤrme der Zeit, alle Reformationen
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/234>, abgerufen am 23.12.2024.
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