Jnstitut, welches in seiner vollständigen Ausdeh- nung dem Geiste der Zeit nicht entsprach, beibehal- ten und unter bessern Umständen, wieder völlig her- stellen zu können. Den Zweck hat man jetzt an man- chen Orten erreicht, und man frägt dort nicht mehr darnach: ob ein Buch unsittlichen Jnhalts, sondern ob es gegen das despotische und hierarchi- sche Prinzip gerichtet sey. Jst nur dies nicht der Fall, dann wird, es möge übrigens so schändlich und unsittlich seyn, wie es wolle, dann wird kein Censor und kein Bischof eine Zeile darin streichen.
Unweit thörichter war der, von den Pfaffen aufgestellte Beweggrund zur Einführung der Bü- chercensuren "um die gläubigen Seelen vor Ein- führung irreligiöser Schriften zu bewahren." Am Lächerlichsten klingt dieser Vorwand in solchen Staa- ten, die von verschiedenen Religionssekten bewohnt werden. Dem strengen Katholiken müssen natürlich die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines Arndt, eines Trescho, so orthodox sie auch nach lutherischen Ansichten sind, als irreligiös erscheinen. Dem Protestanten werden hingegen die Werke ei- nes Bossuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligiös dünken, da sie Dinge enthalten, die dem Augsbur- gischen Glaubensbekenntnisse geradezu entgegen ge- setzt sind. Beide, Protestant und Katholik, müssen sich vollends über die Erbauungsbücher des Juden är- gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von
Jnſtitut, welches in ſeiner vollſtaͤndigen Ausdeh- nung dem Geiſte der Zeit nicht entſprach, beibehal- ten und unter beſſern Umſtaͤnden, wieder voͤllig her- ſtellen zu koͤnnen. Den Zweck hat man jetzt an man- chen Orten erreicht, und man fraͤgt dort nicht mehr darnach: ob ein Buch unſittlichen Jnhalts, ſondern ob es gegen das despotiſche und hierarchi- ſche Prinzip gerichtet ſey. Jſt nur dies nicht der Fall, dann wird, es moͤge uͤbrigens ſo ſchaͤndlich und unſittlich ſeyn, wie es wolle, dann wird kein Cenſor und kein Biſchof eine Zeile darin ſtreichen.
Unweit thoͤrichter war der, von den Pfaffen aufgeſtellte Beweggrund zur Einfuͤhrung der Buͤ- chercenſuren »um die glaͤubigen Seelen vor Ein- fuͤhrung irreligioͤſer Schriften zu bewahren.« Am Laͤcherlichſten klingt dieſer Vorwand in ſolchen Staa- ten, die von verſchiedenen Religionsſekten bewohnt werden. Dem ſtrengen Katholiken muͤſſen natuͤrlich die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines Arndt, eines Treſcho, ſo orthodox ſie auch nach lutheriſchen Anſichten ſind, als irreligioͤs erſcheinen. Dem Proteſtanten werden hingegen die Werke ei- nes Boſſuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligioͤs duͤnken, da ſie Dinge enthalten, die dem Augsbur- giſchen Glaubensbekenntniſſe geradezu entgegen ge- ſetzt ſind. Beide, Proteſtant und Katholik, muͤſſen ſich vollends uͤber die Erbauungsbuͤcher des Juden aͤr- gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0210"n="210"/>
Jnſtitut, welches in ſeiner vollſtaͤndigen Ausdeh-<lb/>
nung dem Geiſte der Zeit nicht entſprach, beibehal-<lb/>
ten und unter beſſern Umſtaͤnden, wieder voͤllig her-<lb/>ſtellen zu koͤnnen. Den Zweck hat man jetzt an man-<lb/>
chen Orten erreicht, und man fraͤgt dort nicht<lb/>
mehr darnach: ob ein Buch unſittlichen Jnhalts,<lb/>ſondern ob es gegen das despotiſche und hierarchi-<lb/>ſche Prinzip gerichtet ſey. Jſt nur dies nicht der<lb/>
Fall, dann wird, es moͤge uͤbrigens ſo ſchaͤndlich<lb/>
und unſittlich ſeyn, wie es wolle, dann wird kein<lb/>
Cenſor und kein Biſchof eine Zeile darin ſtreichen.</p><lb/><p>Unweit thoͤrichter war der, von den Pfaffen<lb/>
aufgeſtellte Beweggrund zur Einfuͤhrung der Buͤ-<lb/>
chercenſuren »um die glaͤubigen Seelen vor Ein-<lb/>
fuͤhrung irreligioͤſer Schriften zu bewahren.« Am<lb/>
Laͤcherlichſten klingt dieſer Vorwand in ſolchen Staa-<lb/>
ten, die von verſchiedenen Religionsſekten bewohnt<lb/>
werden. Dem ſtrengen Katholiken muͤſſen natuͤrlich<lb/>
die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines<lb/>
Arndt, eines Treſcho, ſo orthodox ſie auch nach<lb/>
lutheriſchen Anſichten ſind, als irreligioͤs erſcheinen.<lb/>
Dem Proteſtanten werden hingegen die Werke ei-<lb/>
nes Boſſuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligioͤs<lb/>
duͤnken, da ſie Dinge enthalten, die dem Augsbur-<lb/>
giſchen Glaubensbekenntniſſe geradezu entgegen ge-<lb/>ſetzt ſind. Beide, Proteſtant und Katholik, muͤſſen ſich<lb/>
vollends uͤber die Erbauungsbuͤcher des Juden aͤr-<lb/>
gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[210/0210]
Jnſtitut, welches in ſeiner vollſtaͤndigen Ausdeh-
nung dem Geiſte der Zeit nicht entſprach, beibehal-
ten und unter beſſern Umſtaͤnden, wieder voͤllig her-
ſtellen zu koͤnnen. Den Zweck hat man jetzt an man-
chen Orten erreicht, und man fraͤgt dort nicht
mehr darnach: ob ein Buch unſittlichen Jnhalts,
ſondern ob es gegen das despotiſche und hierarchi-
ſche Prinzip gerichtet ſey. Jſt nur dies nicht der
Fall, dann wird, es moͤge uͤbrigens ſo ſchaͤndlich
und unſittlich ſeyn, wie es wolle, dann wird kein
Cenſor und kein Biſchof eine Zeile darin ſtreichen.
Unweit thoͤrichter war der, von den Pfaffen
aufgeſtellte Beweggrund zur Einfuͤhrung der Buͤ-
chercenſuren »um die glaͤubigen Seelen vor Ein-
fuͤhrung irreligioͤſer Schriften zu bewahren.« Am
Laͤcherlichſten klingt dieſer Vorwand in ſolchen Staa-
ten, die von verſchiedenen Religionsſekten bewohnt
werden. Dem ſtrengen Katholiken muͤſſen natuͤrlich
die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines
Arndt, eines Treſcho, ſo orthodox ſie auch nach
lutheriſchen Anſichten ſind, als irreligioͤs erſcheinen.
Dem Proteſtanten werden hingegen die Werke ei-
nes Boſſuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligioͤs
duͤnken, da ſie Dinge enthalten, die dem Augsbur-
giſchen Glaubensbekenntniſſe geradezu entgegen ge-
ſetzt ſind. Beide, Proteſtant und Katholik, muͤſſen ſich
vollends uͤber die Erbauungsbuͤcher des Juden aͤr-
gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/210>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.