lande bemüht, dem Kindlein Gold, Weihrauch und Myrrhen darzubringen. Minister und Marschälle, Kammerherren und Günstlinge, Beichtväter und Zofen stehen da ehrfurchtsvoll, und erheben die salomonische Weisheit des allerdurchlauchtigsten Va- ters, die himmlische Schönheit der allergnädigsten Mutter, den herrischen Muth seiner allertapfersten, aber längst verfluchten und verspotteten Ahnherren, die sich bereits in allen Zügen des kleinen neuge- bornen Kalibans aussprechen; feile Dichter besingen in dem, kaum aus der Taufe gehobenen Säugling den künftigen Titus, Nerva, Mark Aurel, obgleich es noch sehr ungewiß ist, ob er nicht ein wüthen- der Nero oder ein einfältiger grausamer Claudius werden, ob er sich nicht mit dem Hohn, dem Ab- scheu und der Verachtung seiner Zeitgenossen und der Nachwelt brandmarken wird. Ja, selbst Ver- treter der Völker sieht man häufig mit sklavischer Ehrfurcht, ihre Pflichten und ihre Würde verges- send, die Wiege eines solchen Fürstenbuben demuths- voll umringen, um ihm die kleine Tigerklaue zu lecken, womit er dereinst ihnen und der ganzen Menschheit die blutigsten Wunden reißen und kraz- zen wird. Tyrannen haben Sklaven gemacht und sind von den Sklaven verewigt worden! sagt Rousseau; und er hat Recht. Hätte man der Ge- walt und Herrschgier des Despoten immer und zur rechten Zeit Gewalt und Trotz, und Verachtung
lande bemuͤht, dem Kindlein Gold, Weihrauch und Myrrhen darzubringen. Miniſter und Marſchaͤlle, Kammerherren und Guͤnſtlinge, Beichtvaͤter und Zofen ſtehen da ehrfurchtsvoll, und erheben die ſalomoniſche Weisheit des allerdurchlauchtigſten Va- ters, die himmliſche Schoͤnheit der allergnaͤdigſten Mutter, den herriſchen Muth ſeiner allertapferſten, aber laͤngſt verfluchten und verſpotteten Ahnherren, die ſich bereits in allen Zuͤgen des kleinen neuge- bornen Kalibans ausſprechen; feile Dichter beſingen in dem, kaum aus der Taufe gehobenen Saͤugling den kuͤnftigen Titus, Nerva, Mark Aurel, obgleich es noch ſehr ungewiß iſt, ob er nicht ein wuͤthen- der Nero oder ein einfaͤltiger grauſamer Claudius werden, ob er ſich nicht mit dem Hohn, dem Ab- ſcheu und der Verachtung ſeiner Zeitgenoſſen und der Nachwelt brandmarken wird. Ja, ſelbſt Ver- treter der Voͤlker ſieht man haͤufig mit ſklaviſcher Ehrfurcht, ihre Pflichten und ihre Wuͤrde vergeſ- ſend, die Wiege eines ſolchen Fuͤrſtenbuben demuths- voll umringen, um ihm die kleine Tigerklaue zu lecken, womit er dereinſt ihnen und der ganzen Menſchheit die blutigſten Wunden reißen und kraz- zen wird. Tyrannen haben Sklaven gemacht und ſind von den Sklaven verewigt worden! ſagt Rouſſeau; und er hat Recht. Haͤtte man der Ge- walt und Herrſchgier des Despoten immer und zur rechten Zeit Gewalt und Trotz, und Verachtung
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0180"n="180"/>
lande bemuͤht, dem Kindlein Gold, Weihrauch und<lb/>
Myrrhen darzubringen. Miniſter und Marſchaͤlle,<lb/>
Kammerherren und Guͤnſtlinge, Beichtvaͤter und<lb/>
Zofen ſtehen da ehrfurchtsvoll, und erheben die<lb/>ſalomoniſche Weisheit des allerdurchlauchtigſten Va-<lb/>
ters, die himmliſche Schoͤnheit der allergnaͤdigſten<lb/>
Mutter, den herriſchen Muth ſeiner allertapferſten,<lb/>
aber laͤngſt verfluchten und verſpotteten Ahnherren,<lb/>
die ſich bereits in allen Zuͤgen des kleinen neuge-<lb/>
bornen Kalibans ausſprechen; feile Dichter beſingen<lb/>
in dem, kaum aus der Taufe gehobenen Saͤugling<lb/>
den kuͤnftigen Titus, Nerva, Mark Aurel, obgleich<lb/>
es noch ſehr ungewiß iſt, ob er nicht ein wuͤthen-<lb/>
der Nero oder ein einfaͤltiger grauſamer Claudius<lb/>
werden, ob er ſich nicht mit dem Hohn, dem Ab-<lb/>ſcheu und der Verachtung ſeiner Zeitgenoſſen und<lb/>
der Nachwelt brandmarken wird. Ja, ſelbſt Ver-<lb/>
treter der Voͤlker ſieht man haͤufig mit ſklaviſcher<lb/>
Ehrfurcht, ihre Pflichten und ihre Wuͤrde vergeſ-<lb/>ſend, die Wiege eines ſolchen Fuͤrſtenbuben demuths-<lb/>
voll umringen, um ihm die kleine Tigerklaue zu<lb/>
lecken, womit er dereinſt ihnen und der ganzen<lb/>
Menſchheit die blutigſten Wunden reißen und kraz-<lb/>
zen wird. Tyrannen haben Sklaven gemacht und<lb/>ſind von den Sklaven verewigt worden! ſagt<lb/>
Rouſſeau; und er hat Recht. Haͤtte man der Ge-<lb/>
walt und Herrſchgier des Despoten immer und zur<lb/>
rechten Zeit Gewalt und Trotz, und Verachtung<lb/></p></div></body></text></TEI>
[180/0180]
lande bemuͤht, dem Kindlein Gold, Weihrauch und
Myrrhen darzubringen. Miniſter und Marſchaͤlle,
Kammerherren und Guͤnſtlinge, Beichtvaͤter und
Zofen ſtehen da ehrfurchtsvoll, und erheben die
ſalomoniſche Weisheit des allerdurchlauchtigſten Va-
ters, die himmliſche Schoͤnheit der allergnaͤdigſten
Mutter, den herriſchen Muth ſeiner allertapferſten,
aber laͤngſt verfluchten und verſpotteten Ahnherren,
die ſich bereits in allen Zuͤgen des kleinen neuge-
bornen Kalibans ausſprechen; feile Dichter beſingen
in dem, kaum aus der Taufe gehobenen Saͤugling
den kuͤnftigen Titus, Nerva, Mark Aurel, obgleich
es noch ſehr ungewiß iſt, ob er nicht ein wuͤthen-
der Nero oder ein einfaͤltiger grauſamer Claudius
werden, ob er ſich nicht mit dem Hohn, dem Ab-
ſcheu und der Verachtung ſeiner Zeitgenoſſen und
der Nachwelt brandmarken wird. Ja, ſelbſt Ver-
treter der Voͤlker ſieht man haͤufig mit ſklaviſcher
Ehrfurcht, ihre Pflichten und ihre Wuͤrde vergeſ-
ſend, die Wiege eines ſolchen Fuͤrſtenbuben demuths-
voll umringen, um ihm die kleine Tigerklaue zu
lecken, womit er dereinſt ihnen und der ganzen
Menſchheit die blutigſten Wunden reißen und kraz-
zen wird. Tyrannen haben Sklaven gemacht und
ſind von den Sklaven verewigt worden! ſagt
Rouſſeau; und er hat Recht. Haͤtte man der Ge-
walt und Herrſchgier des Despoten immer und zur
rechten Zeit Gewalt und Trotz, und Verachtung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/180>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.