Gleich ihren schwarzen Brüdern betrachten die weißen Juden die Welt als ihr ausschließliches Ei- genthum; die Menschheit, als einen Jnbegriff thie- rischer Wesen, die nur erschaffen sind, den Launen und Grillen der legitimen Söhne Ketura's zum Spiel und Opfer zu dienen. Wenn sich irgendwo eine Stimme vernehmen läßt, die ihnen nicht gar lieblich in die langen Ohren klingt, so wimmern und winseln sie augenblicklich: Ach mein, der Geist der Zeit, der Beelzebub, der böse Sammael läßt sich hören! Wir müssen den Beelzebub, den Sam- mael, der in der Luft herrscht, bekämpfen. Und dann eilen sie herbei mit Bischöfen und Pfaffen, mit Jesuiten und Mönchen, mit Freyssinous und Mangins, mit Polizeien und Spionen, mit Türken und Juden, um dem Beelzebub, dem bösen Sam- mael den Hals zu zerbrechen. Man visirt, visitirt, spionirt und arretirt aufs fleißigste; man hält Kon- troverspredigten voll Unsinn und Sprachschnitzer gegen den Sammael; man besoldet hungrige Skrib- ler, deren Schriften von Niemand gelesen werden, um gegen die öffentliche Meinung zu schreiben; denn die öffentliche Meinung ist ein gar schlimmes Ding, um so schlimmer, wenn sie nicht laut wer- den darf, und sich in heimlichen, bittern Groll, in Zähneknirschen verwandeln muß. Klüger handeln jene Söhne Ketura's, die um die öffentliche Mei- nung sich nicht so sorgsam bekümmern; nicht so
Gleich ihren ſchwarzen Bruͤdern betrachten die weißen Juden die Welt als ihr ausſchließliches Ei- genthum; die Menſchheit, als einen Jnbegriff thie- riſcher Weſen, die nur erſchaffen ſind, den Launen und Grillen der legitimen Soͤhne Ketura’s zum Spiel und Opfer zu dienen. Wenn ſich irgendwo eine Stimme vernehmen laͤßt, die ihnen nicht gar lieblich in die langen Ohren klingt, ſo wimmern und winſeln ſie augenblicklich: Ach mein, der Geiſt der Zeit, der Beelzebub, der boͤſe Sammael laͤßt ſich hoͤren! Wir muͤſſen den Beelzebub, den Sam- mael, der in der Luft herrſcht, bekaͤmpfen. Und dann eilen ſie herbei mit Biſchoͤfen und Pfaffen, mit Jeſuiten und Moͤnchen, mit Freyſſinous und Mangins, mit Polizeien und Spionen, mit Tuͤrken und Juden, um dem Beelzebub, dem boͤſen Sam- mael den Hals zu zerbrechen. Man viſirt, viſitirt, ſpionirt und arretirt aufs fleißigſte; man haͤlt Kon- troverspredigten voll Unſinn und Sprachſchnitzer gegen den Sammael; man beſoldet hungrige Skrib- ler, deren Schriften von Niemand geleſen werden, um gegen die oͤffentliche Meinung zu ſchreiben; denn die oͤffentliche Meinung iſt ein gar ſchlimmes Ding, um ſo ſchlimmer, wenn ſie nicht laut wer- den darf, und ſich in heimlichen, bittern Groll, in Zaͤhneknirſchen verwandeln muß. Kluͤger handeln jene Soͤhne Ketura’s, die um die oͤffentliche Mei- nung ſich nicht ſo ſorgſam bekuͤmmern; nicht ſo
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Gleich ihren ſchwarzen Bruͤdern betrachten die
weißen Juden die Welt als ihr ausſchließliches Ei-
genthum; die Menſchheit, als einen Jnbegriff thie-
riſcher Weſen, die nur erſchaffen ſind, den Launen
und Grillen der legitimen Soͤhne Ketura’s zum
Spiel und Opfer zu dienen. Wenn ſich irgendwo
eine Stimme vernehmen laͤßt, die ihnen nicht gar
lieblich in die langen Ohren klingt, ſo wimmern
und winſeln ſie augenblicklich: Ach mein, der Geiſt
der Zeit, der Beelzebub, der boͤſe Sammael laͤßt
ſich hoͤren! Wir muͤſſen den Beelzebub, den Sam-
mael, der in der Luft herrſcht, bekaͤmpfen. Und
dann eilen ſie herbei mit Biſchoͤfen und Pfaffen,
mit Jeſuiten und Moͤnchen, mit Freyſſinous und
Mangins, mit Polizeien und Spionen, mit Tuͤrken
und Juden, um dem Beelzebub, dem boͤſen Sam-
mael den Hals zu zerbrechen. Man viſirt, viſitirt,
ſpionirt und arretirt aufs fleißigſte; man haͤlt Kon-
troverspredigten voll Unſinn und Sprachſchnitzer
gegen den Sammael; man beſoldet hungrige Skrib-
ler, deren Schriften von Niemand geleſen werden,
um gegen die oͤffentliche Meinung zu ſchreiben;
denn die oͤffentliche Meinung iſt ein gar ſchlimmes
Ding, um ſo ſchlimmer, wenn ſie nicht laut wer-
den darf, und ſich in heimlichen, bittern Groll, in
Zaͤhneknirſchen verwandeln muß. Kluͤger handeln
jene Soͤhne Ketura’s, die um die oͤffentliche Mei-
nung ſich nicht ſo ſorgſam bekuͤmmern; nicht ſo
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/158>, abgerufen am 25.11.2024.
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