Betragen, daß für Erziehung und Unterricht ganz anders, als in dem erstern Lande gesorgt war. Nirgend traf man einen Bettler; alles zeugte von Wohlstand und Jeder sprach mit Achtung und Zu- friedenheit von der Regierung; Jeder war stolz auf die Verfassung seines Landes, welche er für die beste und musterhafteste unter allen Verfassungen hielt. Auf den Landstraßen sahe man mehr Fracht- wagen und Karren, als Kutschen. Unter den letztern war mir ein schlichter offener Wagen auf- fallend, weil der Herr, der darin fuhr, von Allen sehr freundlich begrüßt, eben, so freundlich wieder grüßte. Es ist unser Großherzog! antwortete man mir auf meine Frage. Ein vortrefflicher Mann! Ein guter Herr! Wäre er nur zwanzig Jahre jünger! Das war das allgemeine Urtheil, was ich selbst in den vertrautesten Kreisen, vernahm. Das Land mußte beträchtliche Auflagen zahlen. Es ist nicht Schuld unserer Regierung, nicht Schuld unsers Großherzogs, hieß es. Er schränkt sich genug ein; er lebt ja fast nicht besser, als wir; aber der Krieg -- der Krieg hat vielen Wohlstand zerstört. Möchte nur durch ihn errungen seyn, was allen Deutschen so heilig gelobt ward! Gerne möchte unser und der Unsrigen Blut geflossen seyn! Wir, für uns, haben freilich, was wir nur hoffen und wünschen durften; eine gute, liberale Verfassung; Gleichheit aller Staatseinwohner vor dem Gesetz;
Betragen, daß fuͤr Erziehung und Unterricht ganz anders, als in dem erſtern Lande geſorgt war. Nirgend traf man einen Bettler; alles zeugte von Wohlſtand und Jeder ſprach mit Achtung und Zu- friedenheit von der Regierung; Jeder war ſtolz auf die Verfaſſung ſeines Landes, welche er fuͤr die beſte und muſterhafteſte unter allen Verfaſſungen hielt. Auf den Landſtraßen ſahe man mehr Fracht- wagen und Karren, als Kutſchen. Unter den letztern war mir ein ſchlichter offener Wagen auf- fallend, weil der Herr, der darin fuhr, von Allen ſehr freundlich begruͤßt, eben, ſo freundlich wieder gruͤßte. Es iſt unſer Großherzog! antwortete man mir auf meine Frage. Ein vortrefflicher Mann! Ein guter Herr! Waͤre er nur zwanzig Jahre juͤnger! Das war das allgemeine Urtheil, was ich ſelbſt in den vertrauteſten Kreiſen, vernahm. Das Land mußte betraͤchtliche Auflagen zahlen. Es iſt nicht Schuld unſerer Regierung, nicht Schuld unſers Großherzogs, hieß es. Er ſchraͤnkt ſich genug ein; er lebt ja faſt nicht beſſer, als wir; aber der Krieg — der Krieg hat vielen Wohlſtand zerſtoͤrt. Moͤchte nur durch ihn errungen ſeyn, was allen Deutſchen ſo heilig gelobt ward! Gerne moͤchte unſer und der Unſrigen Blut gefloſſen ſeyn! Wir, fuͤr uns, haben freilich, was wir nur hoffen und wuͤnſchen durften; eine gute, liberale Verfaſſung; Gleichheit aller Staatseinwohner vor dem Geſetz;
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Betragen, daß fuͤr Erziehung und Unterricht ganz
anders, als in dem erſtern Lande geſorgt war.
Nirgend traf man einen Bettler; alles zeugte von
Wohlſtand und Jeder ſprach mit Achtung und Zu-
friedenheit von der Regierung; Jeder war ſtolz
auf die Verfaſſung ſeines Landes, welche er fuͤr
die beſte und muſterhafteſte unter allen Verfaſſungen
hielt. Auf den Landſtraßen ſahe man mehr Fracht-
wagen und Karren, als Kutſchen. Unter den
letztern war mir ein ſchlichter offener Wagen auf-
fallend, weil der Herr, der darin fuhr, von Allen
ſehr freundlich begruͤßt, eben, ſo freundlich wieder
gruͤßte. Es iſt unſer Großherzog! antwortete man
mir auf meine Frage. Ein vortrefflicher Mann!
Ein guter Herr! Waͤre er nur zwanzig Jahre
juͤnger! Das war das allgemeine Urtheil, was ich
ſelbſt in den vertrauteſten Kreiſen, vernahm. Das
Land mußte betraͤchtliche Auflagen zahlen. Es iſt
nicht Schuld unſerer Regierung, nicht Schuld unſers
Großherzogs, hieß es. Er ſchraͤnkt ſich genug ein;
er lebt ja faſt nicht beſſer, als wir; aber der
Krieg — der Krieg hat vielen Wohlſtand zerſtoͤrt.
Moͤchte nur durch ihn errungen ſeyn, was allen
Deutſchen ſo heilig gelobt ward! Gerne moͤchte
unſer und der Unſrigen Blut gefloſſen ſeyn! Wir,
fuͤr uns, haben freilich, was wir nur hoffen und
wuͤnſchen durften; eine gute, liberale Verfaſſung;
Gleichheit aller Staatseinwohner vor dem Geſetz;
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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