der heimliche Wunsch, ihren unwürdigen Namen der Nachwelt auf eine glänzende Weise überliefert zu sehen, verleitet sie doch manchmal für das Fort- schreiten des menschlichen Geistes wider ihren Wil- len etwas zu thun. Sie möchten gerne das An- sehen haben, als wären sie eifrige Beförderer der Künste und Wissenschaften; nur muß der Gelehrte und Schriftsteller ja nicht aus dem Kreise heraus- treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be- schützte Octavianus Augustus, einer der gepriesen- sten und verworfensten Schurken, welche jemals einen Thron entehrten, dem Anscheine nach Wissen- schaft und Kunst. Er wollte durch die schmeichle- rischen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden Schmarotzers Horaz bei seinen Zeitgenossen verherr- lichet, bei der Nachwelt verewiget seyn, und über- häufte daher diese Dichter mit Geschenken und Auszeich- nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins hingegen, woran doch sicherlich viel mehr gelegen war, als an allen Oden des Horaz, an allen Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils suchte er weislich zu unterdrücken, und unterdrückte sie wirk- lich, weil sie ihm, dem despotischen Sohn der Ketura, und seinem Ruhm bei der Nachwelt ge- fährlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte sogar selbst Verse, die noch weit schlechter waren, als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour- bons einer der verabscheuungswerthesten, welches
der heimliche Wunſch, ihren unwuͤrdigen Namen der Nachwelt auf eine glaͤnzende Weiſe uͤberliefert zu ſehen, verleitet ſie doch manchmal fuͤr das Fort- ſchreiten des menſchlichen Geiſtes wider ihren Wil- len etwas zu thun. Sie moͤchten gerne das An- ſehen haben, als waͤren ſie eifrige Befoͤrderer der Kuͤnſte und Wiſſenſchaften; nur muß der Gelehrte und Schriftſteller ja nicht aus dem Kreiſe heraus- treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be- ſchuͤtzte Octavianus Auguſtus, einer der geprieſen- ſten und verworfenſten Schurken, welche jemals einen Thron entehrten, dem Anſcheine nach Wiſſen- ſchaft und Kunſt. Er wollte durch die ſchmeichle- riſchen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden Schmarotzers Horaz bei ſeinen Zeitgenoſſen verherr- lichet, bei der Nachwelt verewiget ſeyn, und uͤber- haͤufte daher dieſe Dichter mit Geſchenken und Auszeich- nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins hingegen, woran doch ſicherlich viel mehr gelegen war, als an allen Oden des Horaz, an allen Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils ſuchte er weislich zu unterdruͤcken, und unterdruͤckte ſie wirk- lich, weil ſie ihm, dem despotiſchen Sohn der Ketura, und ſeinem Ruhm bei der Nachwelt ge- faͤhrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte ſogar ſelbſt Verſe, die noch weit ſchlechter waren, als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour- bons einer der verabſcheuungswertheſten, welches
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="146"/>
der heimliche Wunſch, ihren unwuͤrdigen Namen<lb/>
der Nachwelt auf eine glaͤnzende Weiſe uͤberliefert<lb/>
zu ſehen, verleitet ſie doch manchmal fuͤr das Fort-<lb/>ſchreiten des menſchlichen Geiſtes wider ihren Wil-<lb/>
len etwas zu thun. Sie moͤchten gerne das An-<lb/>ſehen haben, als waͤren ſie eifrige Befoͤrderer der<lb/>
Kuͤnſte und Wiſſenſchaften; nur muß der Gelehrte<lb/>
und Schriftſteller ja nicht aus dem Kreiſe heraus-<lb/>
treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be-<lb/>ſchuͤtzte Octavianus Auguſtus, einer der geprieſen-<lb/>ſten und verworfenſten Schurken, welche jemals<lb/>
einen Thron entehrten, dem Anſcheine nach Wiſſen-<lb/>ſchaft und Kunſt. Er wollte durch die ſchmeichle-<lb/>
riſchen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden<lb/>
Schmarotzers Horaz bei ſeinen Zeitgenoſſen verherr-<lb/>
lichet, bei der Nachwelt verewiget ſeyn, und uͤber-<lb/>
haͤufte daher dieſe Dichter mit Geſchenken und Auszeich-<lb/>
nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins<lb/>
hingegen, woran doch ſicherlich viel mehr gelegen<lb/>
war, als an allen Oden des Horaz, an allen<lb/>
Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils ſuchte er<lb/>
weislich zu unterdruͤcken, und unterdruͤckte ſie wirk-<lb/>
lich, weil ſie ihm, dem despotiſchen Sohn der<lb/>
Ketura, und ſeinem Ruhm bei der Nachwelt ge-<lb/>
faͤhrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte<lb/>ſogar ſelbſt Verſe, die noch weit ſchlechter waren,<lb/>
als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour-<lb/>
bons einer der verabſcheuungswertheſten, welches<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0146]
der heimliche Wunſch, ihren unwuͤrdigen Namen
der Nachwelt auf eine glaͤnzende Weiſe uͤberliefert
zu ſehen, verleitet ſie doch manchmal fuͤr das Fort-
ſchreiten des menſchlichen Geiſtes wider ihren Wil-
len etwas zu thun. Sie moͤchten gerne das An-
ſehen haben, als waͤren ſie eifrige Befoͤrderer der
Kuͤnſte und Wiſſenſchaften; nur muß der Gelehrte
und Schriftſteller ja nicht aus dem Kreiſe heraus-
treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be-
ſchuͤtzte Octavianus Auguſtus, einer der geprieſen-
ſten und verworfenſten Schurken, welche jemals
einen Thron entehrten, dem Anſcheine nach Wiſſen-
ſchaft und Kunſt. Er wollte durch die ſchmeichle-
riſchen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden
Schmarotzers Horaz bei ſeinen Zeitgenoſſen verherr-
lichet, bei der Nachwelt verewiget ſeyn, und uͤber-
haͤufte daher dieſe Dichter mit Geſchenken und Auszeich-
nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins
hingegen, woran doch ſicherlich viel mehr gelegen
war, als an allen Oden des Horaz, an allen
Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils ſuchte er
weislich zu unterdruͤcken, und unterdruͤckte ſie wirk-
lich, weil ſie ihm, dem despotiſchen Sohn der
Ketura, und ſeinem Ruhm bei der Nachwelt ge-
faͤhrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte
ſogar ſelbſt Verſe, die noch weit ſchlechter waren,
als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour-
bons einer der verabſcheuungswertheſten, welches
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/146>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.