Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

der heimliche Wunsch, ihren unwürdigen Namen
der Nachwelt auf eine glänzende Weise überliefert
zu sehen, verleitet sie doch manchmal für das Fort-
schreiten des menschlichen Geistes wider ihren Wil-
len etwas zu thun. Sie möchten gerne das An-
sehen haben, als wären sie eifrige Beförderer der
Künste und Wissenschaften; nur muß der Gelehrte
und Schriftsteller ja nicht aus dem Kreise heraus-
treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be-
schützte Octavianus Augustus, einer der gepriesen-
sten und verworfensten Schurken, welche jemals
einen Thron entehrten, dem Anscheine nach Wissen-
schaft und Kunst. Er wollte durch die schmeichle-
rischen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden
Schmarotzers Horaz bei seinen Zeitgenossen verherr-
lichet, bei der Nachwelt verewiget seyn, und über-
häufte daher diese Dichter mit Geschenken und Auszeich-
nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins
hingegen, woran doch sicherlich viel mehr gelegen
war, als an allen Oden des Horaz, an allen
Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils suchte er
weislich zu unterdrücken, und unterdrückte sie wirk-
lich, weil sie ihm, dem despotischen Sohn der
Ketura, und seinem Ruhm bei der Nachwelt ge-
fährlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte
sogar selbst Verse, die noch weit schlechter waren,
als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour-
bons einer der verabscheuungswerthesten, welches

der heimliche Wunſch, ihren unwuͤrdigen Namen
der Nachwelt auf eine glaͤnzende Weiſe uͤberliefert
zu ſehen, verleitet ſie doch manchmal fuͤr das Fort-
ſchreiten des menſchlichen Geiſtes wider ihren Wil-
len etwas zu thun. Sie moͤchten gerne das An-
ſehen haben, als waͤren ſie eifrige Befoͤrderer der
Kuͤnſte und Wiſſenſchaften; nur muß der Gelehrte
und Schriftſteller ja nicht aus dem Kreiſe heraus-
treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be-
ſchuͤtzte Octavianus Auguſtus, einer der geprieſen-
ſten und verworfenſten Schurken, welche jemals
einen Thron entehrten, dem Anſcheine nach Wiſſen-
ſchaft und Kunſt. Er wollte durch die ſchmeichle-
riſchen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden
Schmarotzers Horaz bei ſeinen Zeitgenoſſen verherr-
lichet, bei der Nachwelt verewiget ſeyn, und uͤber-
haͤufte daher dieſe Dichter mit Geſchenken und Auszeich-
nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins
hingegen, woran doch ſicherlich viel mehr gelegen
war, als an allen Oden des Horaz, an allen
Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils ſuchte er
weislich zu unterdruͤcken, und unterdruͤckte ſie wirk-
lich, weil ſie ihm, dem despotiſchen Sohn der
Ketura, und ſeinem Ruhm bei der Nachwelt ge-
faͤhrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte
ſogar ſelbſt Verſe, die noch weit ſchlechter waren,
als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour-
bons einer der verabſcheuungswertheſten, welches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="146"/>
der heimliche Wun&#x017F;ch, ihren unwu&#x0364;rdigen Namen<lb/>
der Nachwelt auf eine gla&#x0364;nzende Wei&#x017F;e u&#x0364;berliefert<lb/>
zu &#x017F;ehen, verleitet &#x017F;ie doch manchmal fu&#x0364;r das Fort-<lb/>
&#x017F;chreiten des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes wider ihren Wil-<lb/>
len etwas zu thun. Sie mo&#x0364;chten gerne das An-<lb/>
&#x017F;ehen haben, als wa&#x0364;ren &#x017F;ie eifrige Befo&#x0364;rderer der<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften; nur muß der Gelehrte<lb/>
und Schrift&#x017F;teller ja nicht aus dem Krei&#x017F;e heraus-<lb/>
treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzte Octavianus Augu&#x017F;tus, einer der geprie&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;ten und verworfen&#x017F;ten Schurken, welche jemals<lb/>
einen Thron entehrten, dem An&#x017F;cheine nach Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft und Kun&#x017F;t. Er wollte durch die &#x017F;chmeichle-<lb/>
ri&#x017F;chen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden<lb/>
Schmarotzers Horaz bei &#x017F;einen Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en verherr-<lb/>
lichet, bei der Nachwelt verewiget &#x017F;eyn, und u&#x0364;ber-<lb/>
ha&#x0364;ufte daher die&#x017F;e Dichter mit Ge&#x017F;chenken und Auszeich-<lb/>
nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins<lb/>
hingegen, woran doch &#x017F;icherlich viel mehr gelegen<lb/>
war, als an allen Oden des Horaz, an allen<lb/>
Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils &#x017F;uchte er<lb/>
weislich zu unterdru&#x0364;cken, und unterdru&#x0364;ckte &#x017F;ie wirk-<lb/>
lich, weil &#x017F;ie ihm, dem despoti&#x017F;chen Sohn der<lb/>
Ketura, und &#x017F;einem Ruhm bei der Nachwelt ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte<lb/>
&#x017F;ogar &#x017F;elb&#x017F;t Ver&#x017F;e, die noch weit &#x017F;chlechter waren,<lb/>
als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour-<lb/>
bons einer der verab&#x017F;cheuungswerthe&#x017F;ten, welches<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0146] der heimliche Wunſch, ihren unwuͤrdigen Namen der Nachwelt auf eine glaͤnzende Weiſe uͤberliefert zu ſehen, verleitet ſie doch manchmal fuͤr das Fort- ſchreiten des menſchlichen Geiſtes wider ihren Wil- len etwas zu thun. Sie moͤchten gerne das An- ſehen haben, als waͤren ſie eifrige Befoͤrderer der Kuͤnſte und Wiſſenſchaften; nur muß der Gelehrte und Schriftſteller ja nicht aus dem Kreiſe heraus- treten, den ihre Weisheit ihm anwies. So be- ſchuͤtzte Octavianus Auguſtus, einer der geprieſen- ſten und verworfenſten Schurken, welche jemals einen Thron entehrten, dem Anſcheine nach Wiſſen- ſchaft und Kunſt. Er wollte durch die ſchmeichle- riſchen Gedichte Virgils, Ovids und des elenden Schmarotzers Horaz bei ſeinen Zeitgenoſſen verherr- lichet, bei der Nachwelt verewiget ſeyn, und uͤber- haͤufte daher dieſe Dichter mit Geſchenken und Auszeich- nungen. Einen großen Theil der Werke des Livins hingegen, woran doch ſicherlich viel mehr gelegen war, als an allen Oden des Horaz, an allen Elegieen Ovids und allen Eklogen Virgils ſuchte er weislich zu unterdruͤcken, und unterdruͤckte ſie wirk- lich, weil ſie ihm, dem despotiſchen Sohn der Ketura, und ſeinem Ruhm bei der Nachwelt ge- faͤhrlich werden konnten. Der Tyrann Nero machte ſogar ſelbſt Verſe, die noch weit ſchlechter waren, als Er. Ludwig der Vierzehnte, unter allen Bour- bons einer der verabſcheuungswertheſten, welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/146
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/146>, abgerufen am 24.11.2024.