plärren müssen; um desto lieber ist es ihnen; um desto sicherer glaubt der Herr Landammann oder Schultheiß in seinem Lehnstuhl sitzen und schlum- mern, toben und fluchen, und allen Rechten der Menschen Hohn sprechen zu können. Selbst in pro- testantischen und paritätischen Kantonen suchten sie vormals durch unbedeutende Kleinigkeiten, z. B. durch Bekleidung der Altäre, durch Meß- gewänder und Chorhemder und selbst durch Titel für die Geistlichen, die Protestanten wieder an die Aeußerlichkeiten des Pabstthums zu gewöh- nen, weil sie wähnten, die katholische Kirche ge- währe dem Despotismus mehr Sicherheit, als die protestantische; hätte man nur erst den Katholicis- mus in den äußern Formen wieder hergestellt, dann würde das Wesentliche, wofür man blinde Unter- werfung des Volks unter den Willen der Regieren- den hielt, schon folgen. Die Thoren! Sie bedach- ten und bedenken nicht, daß Katholicismus und Papismus zwei sehr verschiedene Dinge sind; daß der letztere nicht durch den erstern bedingt wird; und daß der Protestant und der Katholik dieselben Begriffe von menschlichen Rechten und menschlichen Pflichten haben! denn mögen auch manche äußere Formen ihrer Gottesverehrung noch so verschieden seyn, die Ele- mente ihres Glaubens, ihres sittlichen und geistigen Strebens bleiben sich immer und überall gleich. Das erste Land in Europa, welches sich vom Joch der
III. Bändchen. 12
plaͤrren muͤſſen; um deſto lieber iſt es ihnen; um deſto ſicherer glaubt der Herr Landammann oder Schultheiß in ſeinem Lehnſtuhl ſitzen und ſchlum- mern, toben und fluchen, und allen Rechten der Menſchen Hohn ſprechen zu koͤnnen. Selbſt in pro- teſtantiſchen und paritaͤtiſchen Kantonen ſuchten ſie vormals durch unbedeutende Kleinigkeiten, z. B. durch Bekleidung der Altaͤre, durch Meß- gewaͤnder und Chorhemder und ſelbſt durch Titel fuͤr die Geiſtlichen, die Proteſtanten wieder an die Aeußerlichkeiten des Pabſtthums zu gewoͤh- nen, weil ſie waͤhnten, die katholiſche Kirche ge- waͤhre dem Despotismus mehr Sicherheit, als die proteſtantiſche; haͤtte man nur erſt den Katholicis- mus in den aͤußern Formen wieder hergeſtellt, dann wuͤrde das Weſentliche, wofuͤr man blinde Unter- werfung des Volks unter den Willen der Regieren- den hielt, ſchon folgen. Die Thoren! Sie bedach- ten und bedenken nicht, daß Katholicismus und Papismus zwei ſehr verſchiedene Dinge ſind; daß der letztere nicht durch den erſtern bedingt wird; und daß der Proteſtant und der Katholik dieſelben Begriffe von menſchlichen Rechten und menſchlichen Pflichten haben! denn moͤgen auch manche aͤußere Formen ihrer Gottesverehrung noch ſo verſchieden ſeyn, die Ele- mente ihres Glaubens, ihres ſittlichen und geiſtigen Strebens bleiben ſich immer und uͤberall gleich. Das erſte Land in Europa, welches ſich vom Joch der
III. Baͤndchen. 12
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0137"n="137"/>
plaͤrren muͤſſen; um deſto lieber iſt es ihnen; um<lb/>
deſto ſicherer glaubt der Herr Landammann oder<lb/>
Schultheiß in ſeinem Lehnſtuhl ſitzen und ſchlum-<lb/>
mern, toben und fluchen, und allen Rechten der<lb/>
Menſchen Hohn ſprechen zu koͤnnen. Selbſt in pro-<lb/>
teſtantiſchen und paritaͤtiſchen Kantonen ſuchten ſie<lb/>
vormals durch unbedeutende Kleinigkeiten, z. B.<lb/>
durch <hirendition="#g">Bekleidung der Altaͤre,</hi> durch <hirendition="#g">Meß-<lb/>
gewaͤnder</hi> und <hirendition="#g">Chorhemder</hi> und ſelbſt durch<lb/><hirendition="#g">Titel</hi> fuͤr die Geiſtlichen, die Proteſtanten wieder<lb/>
an die Aeußerlichkeiten des Pabſtthums zu gewoͤh-<lb/>
nen, weil ſie waͤhnten, die katholiſche Kirche ge-<lb/>
waͤhre dem Despotismus mehr Sicherheit, als die<lb/>
proteſtantiſche; haͤtte man nur erſt den Katholicis-<lb/>
mus in den aͤußern Formen wieder hergeſtellt, dann<lb/>
wuͤrde das Weſentliche, wofuͤr man blinde Unter-<lb/>
werfung des Volks unter den Willen der Regieren-<lb/>
den hielt, ſchon folgen. Die Thoren! Sie bedach-<lb/>
ten und bedenken nicht, daß Katholicismus und<lb/>
Papismus zwei ſehr verſchiedene Dinge ſind; daß<lb/>
der letztere nicht durch den erſtern bedingt wird; und<lb/>
daß der Proteſtant und der Katholik dieſelben Begriffe<lb/>
von menſchlichen Rechten und menſchlichen Pflichten<lb/>
haben! denn moͤgen auch manche aͤußere Formen ihrer<lb/>
Gottesverehrung noch ſo verſchieden ſeyn, die Ele-<lb/>
mente ihres Glaubens, ihres ſittlichen und geiſtigen<lb/>
Strebens bleiben ſich immer und uͤberall gleich. Das<lb/>
erſte Land in Europa, welches ſich vom Joch der<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">III.</hi> Baͤndchen. 12</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[137/0137]
plaͤrren muͤſſen; um deſto lieber iſt es ihnen; um
deſto ſicherer glaubt der Herr Landammann oder
Schultheiß in ſeinem Lehnſtuhl ſitzen und ſchlum-
mern, toben und fluchen, und allen Rechten der
Menſchen Hohn ſprechen zu koͤnnen. Selbſt in pro-
teſtantiſchen und paritaͤtiſchen Kantonen ſuchten ſie
vormals durch unbedeutende Kleinigkeiten, z. B.
durch Bekleidung der Altaͤre, durch Meß-
gewaͤnder und Chorhemder und ſelbſt durch
Titel fuͤr die Geiſtlichen, die Proteſtanten wieder
an die Aeußerlichkeiten des Pabſtthums zu gewoͤh-
nen, weil ſie waͤhnten, die katholiſche Kirche ge-
waͤhre dem Despotismus mehr Sicherheit, als die
proteſtantiſche; haͤtte man nur erſt den Katholicis-
mus in den aͤußern Formen wieder hergeſtellt, dann
wuͤrde das Weſentliche, wofuͤr man blinde Unter-
werfung des Volks unter den Willen der Regieren-
den hielt, ſchon folgen. Die Thoren! Sie bedach-
ten und bedenken nicht, daß Katholicismus und
Papismus zwei ſehr verſchiedene Dinge ſind; daß
der letztere nicht durch den erſtern bedingt wird; und
daß der Proteſtant und der Katholik dieſelben Begriffe
von menſchlichen Rechten und menſchlichen Pflichten
haben! denn moͤgen auch manche aͤußere Formen ihrer
Gottesverehrung noch ſo verſchieden ſeyn, die Ele-
mente ihres Glaubens, ihres ſittlichen und geiſtigen
Strebens bleiben ſich immer und uͤberall gleich. Das
erſte Land in Europa, welches ſich vom Joch der
III. Baͤndchen. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/137>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.