Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite



als bloße Aufstellungen menschlicher Willkühr und
Thorheit. Gott hat nur Einen Tempel, den er sel-
ber gebauet, und mit Billionen Sternen und Son-
nen und Blumen geschmückt hat. Er hat nur Ein
Wort, das er mit Flammenschrift in die Herzen aller
seiner Menschen grub. Er spricht zu uns eben so
deutlich, wie er zu Moses sprach; im Donner und
im Brausen des Ozeans; im leisen Gemurmel der
Bäche, im Nachtigallengesang und im duftigen
Frühlingswehn. Wo wir nur hinblicken, sehen wir
ihn größer und herrlicher, als er jemals auf dem
kleinen Hügel Sinai erschien. Was bedürfen wir
mehr? Tugend nur ist es, was den Menschen wahr-
haft beglückt; was seinen Geist und sein Herz mit
Freude und Wonne, mit Muth und Hoffnung zu
dem Unendlichen erhebt. Alles Andre veraltet, wie
ein Kleid; verwelkt, wie eine Blume, die heute
aufblühet, und morgen schon Staub ist! Aber, wann
einst der große Baumeister der Welten sein Werk
zertrümmert; wann er die Himmel zusammen rollt,
wie ein Gewand; wann Sonnen und Monde und
Sterne in Flammen vergehen; dann werden die
Flammen unser Schauspiel seyn, und Tugend beut
uns dann noch ihren Wonnekelch.





als bloße Aufſtellungen menſchlicher Willkuͤhr und
Thorheit. Gott hat nur Einen Tempel, den er ſel-
ber gebauet, und mit Billionen Sternen und Son-
nen und Blumen geſchmuͤckt hat. Er hat nur Ein
Wort, das er mit Flammenſchrift in die Herzen aller
ſeiner Menſchen grub. Er ſpricht zu uns eben ſo
deutlich, wie er zu Moſes ſprach; im Donner und
im Brauſen des Ozeans; im leiſen Gemurmel der
Baͤche, im Nachtigallengeſang und im duftigen
Fruͤhlingswehn. Wo wir nur hinblicken, ſehen wir
ihn groͤßer und herrlicher, als er jemals auf dem
kleinen Huͤgel Sinai erſchien. Was beduͤrfen wir
mehr? Tugend nur iſt es, was den Menſchen wahr-
haft begluͤckt; was ſeinen Geiſt und ſein Herz mit
Freude und Wonne, mit Muth und Hoffnung zu
dem Unendlichen erhebt. Alles Andre veraltet, wie
ein Kleid; verwelkt, wie eine Blume, die heute
aufbluͤhet, und morgen ſchon Staub iſt! Aber, wann
einſt der große Baumeiſter der Welten ſein Werk
zertruͤmmert; wann er die Himmel zuſammen rollt,
wie ein Gewand; wann Sonnen und Monde und
Sterne in Flammen vergehen; dann werden die
Flammen unſer Schauſpiel ſeyn, und Tugend beut
uns dann noch ihren Wonnekelch.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0444" n="444"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
als bloße Auf&#x017F;tellungen men&#x017F;chlicher Willku&#x0364;hr und<lb/>
Thorheit. Gott hat nur Einen Tempel, den er &#x017F;el-<lb/>
ber gebauet, und mit Billionen Sternen und Son-<lb/>
nen und Blumen ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt hat. Er hat nur Ein<lb/>
Wort, das er mit Flammen&#x017F;chrift in die Herzen aller<lb/>
&#x017F;einer Men&#x017F;chen grub. Er &#x017F;pricht zu uns eben &#x017F;o<lb/>
deutlich, wie er zu Mo&#x017F;es &#x017F;prach; im Donner und<lb/>
im Brau&#x017F;en des Ozeans; im lei&#x017F;en Gemurmel der<lb/>
Ba&#x0364;che, im Nachtigallenge&#x017F;ang und im duftigen<lb/>
Fru&#x0364;hlingswehn. Wo wir nur hinblicken, &#x017F;ehen wir<lb/>
ihn gro&#x0364;ßer und herrlicher, als er jemals auf dem<lb/>
kleinen Hu&#x0364;gel Sinai er&#x017F;chien. Was bedu&#x0364;rfen wir<lb/>
mehr? Tugend nur i&#x017F;t es, was den Men&#x017F;chen wahr-<lb/>
haft beglu&#x0364;ckt; was &#x017F;einen Gei&#x017F;t und &#x017F;ein Herz mit<lb/>
Freude und Wonne, mit Muth und Hoffnung zu<lb/>
dem Unendlichen erhebt. Alles Andre veraltet, wie<lb/>
ein Kleid; verwelkt, wie eine Blume, die heute<lb/>
aufblu&#x0364;het, und morgen &#x017F;chon Staub i&#x017F;t! Aber, wann<lb/>
ein&#x017F;t der große Baumei&#x017F;ter der Welten &#x017F;ein Werk<lb/>
zertru&#x0364;mmert; wann er die Himmel zu&#x017F;ammen rollt,<lb/>
wie ein Gewand; wann Sonnen und Monde und<lb/>
Sterne in Flammen vergehen; dann werden die<lb/>
Flammen un&#x017F;er Schau&#x017F;piel &#x017F;eyn, und Tugend beut<lb/>
uns dann noch ihren Wonnekelch.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0444] als bloße Aufſtellungen menſchlicher Willkuͤhr und Thorheit. Gott hat nur Einen Tempel, den er ſel- ber gebauet, und mit Billionen Sternen und Son- nen und Blumen geſchmuͤckt hat. Er hat nur Ein Wort, das er mit Flammenſchrift in die Herzen aller ſeiner Menſchen grub. Er ſpricht zu uns eben ſo deutlich, wie er zu Moſes ſprach; im Donner und im Brauſen des Ozeans; im leiſen Gemurmel der Baͤche, im Nachtigallengeſang und im duftigen Fruͤhlingswehn. Wo wir nur hinblicken, ſehen wir ihn groͤßer und herrlicher, als er jemals auf dem kleinen Huͤgel Sinai erſchien. Was beduͤrfen wir mehr? Tugend nur iſt es, was den Menſchen wahr- haft begluͤckt; was ſeinen Geiſt und ſein Herz mit Freude und Wonne, mit Muth und Hoffnung zu dem Unendlichen erhebt. Alles Andre veraltet, wie ein Kleid; verwelkt, wie eine Blume, die heute aufbluͤhet, und morgen ſchon Staub iſt! Aber, wann einſt der große Baumeiſter der Welten ſein Werk zertruͤmmert; wann er die Himmel zuſammen rollt, wie ein Gewand; wann Sonnen und Monde und Sterne in Flammen vergehen; dann werden die Flammen unſer Schauſpiel ſeyn, und Tugend beut uns dann noch ihren Wonnekelch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/444
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/444>, abgerufen am 27.11.2024.