man aber auf einer Reise die Kunde von ihrem Tode, dann muß man auf der linken Seite des Kleides einschneiden, etwa eine Handbreit nieder- wärts reißen, und dreißig Tage trauern. So lange dauert auch die wechselseitige Trauerzeit der Geschwi- ster, und jene der Eltern um ihre Kinder.
Schwarz und veilchenblau sind die Farben der Trauer. Wem es an solchen Kleidern fehlt, der trauert mit denen, die er beim Tode des Verstor- benen trug; nur müssen sie nicht weiß seyn.
Die frühen Beerdigungen ihrer Todten suchen die Juden durch 5 B. Mos. 21. V. 22 und 23 zu rechtfertigen, wo es heißt: "wenn Jemand eine Sünde begieng, weshalb er den Tod verdient, und er wird an ein Holz (an einen Galgen) gehängt, so soll sein Leichnam nicht über Nacht daran bleiben, sondern du sollst ihn an demselben Tage begraben." Jsraels demüthige Kinder, die sich sehr richtig jenen Galgenvögeln, von denen dort die Rede ist, gleich achteten, begruben deshalb ihre Todten ehemals vor Sonnenuntergang. Christliche Regierungen aber, welche einen Juden zu weit höherem Preise anschlu- gen, verwehrten dies fast allgemein dem auserwähl- ten Volk Gottes, worüber noch jetzt alle fromme Juden und selbst manche Christen mit Recht sich betrüben.
man aber auf einer Reiſe die Kunde von ihrem Tode, dann muß man auf der linken Seite des Kleides einſchneiden, etwa eine Handbreit nieder- waͤrts reißen, und dreißig Tage trauern. So lange dauert auch die wechſelſeitige Trauerzeit der Geſchwi- ſter, und jene der Eltern um ihre Kinder.
Schwarz und veilchenblau ſind die Farben der Trauer. Wem es an ſolchen Kleidern fehlt, der trauert mit denen, die er beim Tode des Verſtor- benen trug; nur muͤſſen ſie nicht weiß ſeyn.
Die fruͤhen Beerdigungen ihrer Todten ſuchen die Juden durch 5 B. Moſ. 21. V. 22 und 23 zu rechtfertigen, wo es heißt: »wenn Jemand eine Suͤnde begieng, weshalb er den Tod verdient, und er wird an ein Holz (an einen Galgen) gehaͤngt, ſo ſoll ſein Leichnam nicht uͤber Nacht daran bleiben, ſondern du ſollſt ihn an demſelben Tage begraben.« Jſraels demuͤthige Kinder, die ſich ſehr richtig jenen Galgenvoͤgeln, von denen dort die Rede iſt, gleich achteten, begruben deshalb ihre Todten ehemals vor Sonnenuntergang. Chriſtliche Regierungen aber, welche einen Juden zu weit hoͤherem Preiſe anſchlu- gen, verwehrten dies faſt allgemein dem auserwaͤhl- ten Volk Gottes, woruͤber noch jetzt alle fromme Juden und ſelbſt manche Chriſten mit Recht ſich betruͤben.
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man aber auf einer Reiſe die Kunde von ihrem
Tode, dann muß man auf der linken Seite des
Kleides einſchneiden, etwa eine Handbreit nieder-
waͤrts reißen, und dreißig Tage trauern. So lange
dauert auch die wechſelſeitige Trauerzeit der Geſchwi-
ſter, und jene der Eltern um ihre Kinder.
Schwarz und veilchenblau ſind die Farben der
Trauer. Wem es an ſolchen Kleidern fehlt, der
trauert mit denen, die er beim Tode des Verſtor-
benen trug; nur muͤſſen ſie nicht weiß ſeyn.
Die fruͤhen Beerdigungen ihrer Todten ſuchen
die Juden durch 5 B. Moſ. 21. V. 22 und 23 zu
rechtfertigen, wo es heißt: »wenn Jemand eine
Suͤnde begieng, weshalb er den Tod verdient, und
er wird an ein Holz (an einen Galgen) gehaͤngt,
ſo ſoll ſein Leichnam nicht uͤber Nacht daran bleiben,
ſondern du ſollſt ihn an demſelben Tage begraben.«
Jſraels demuͤthige Kinder, die ſich ſehr richtig jenen
Galgenvoͤgeln, von denen dort die Rede iſt, gleich
achteten, begruben deshalb ihre Todten ehemals vor
Sonnenuntergang. Chriſtliche Regierungen aber,
welche einen Juden zu weit hoͤherem Preiſe anſchlu-
gen, verwehrten dies faſt allgemein dem auserwaͤhl-
ten Volk Gottes, woruͤber noch jetzt alle fromme
Juden und ſelbſt manche Chriſten mit Recht ſich
betruͤben.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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