Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


Vom Sterben und Begräbniß.


Schon früher lernten wir die verschiedenen Vor-
stellungen der Juden vom Tode, als dem Uebertritt
aus diesem in ein anderes Leben kennen. Hier
betrachten wir noch die Gebräuche bei Sterbenden
und bei Leichenbegängnissen.

Wenn das letzte Stündlein herannahet, drän-
gen sich, wie fast überall, die Rabbiner hinzu, um
die arme scheidende Seele in Abrahams Schooß zu
liefern. Jetzt soll alles durch Gebet, Reue und
Glauben gut gemacht werden, was man im Leben
Schlimmes gethan hat. Der Kranke wird mit un-
aufhörlichen Fragen: ob er auch überzeugt sey, daß
der Messias noch kommen werde? und mit ernsten
Ermahnungen gequält, fest bei dem allein seligma-
chenden Glauben der Juden zu bleiben. Ein Rab-
biner betet ihm eine Beichte vor, die, nach meiner
Ansicht, durchaus nichts Unanständiges oder Unver-
nünftiges enthält, und von einem Christen gleichfalls
gesprochen werden könnte, obgleich Buxtorff und
Andere sie fast als ein Machwerk des Teufels ver-
schreien. Der Kranke schlägt sich während derselben
bei jedem Wort auf die Brust, und bittet nachher



Vom Sterben und Begraͤbniß.


Schon fruͤher lernten wir die verſchiedenen Vor-
ſtellungen der Juden vom Tode, als dem Uebertritt
aus dieſem in ein anderes Leben kennen. Hier
betrachten wir noch die Gebraͤuche bei Sterbenden
und bei Leichenbegaͤngniſſen.

Wenn das letzte Stuͤndlein herannahet, draͤn-
gen ſich, wie faſt uͤberall, die Rabbiner hinzu, um
die arme ſcheidende Seele in Abrahams Schooß zu
liefern. Jetzt ſoll alles durch Gebet, Reue und
Glauben gut gemacht werden, was man im Leben
Schlimmes gethan hat. Der Kranke wird mit un-
aufhoͤrlichen Fragen: ob er auch uͤberzeugt ſey, daß
der Meſſias noch kommen werde? und mit ernſten
Ermahnungen gequaͤlt, feſt bei dem allein ſeligma-
chenden Glauben der Juden zu bleiben. Ein Rab-
biner betet ihm eine Beichte vor, die, nach meiner
Anſicht, durchaus nichts Unanſtaͤndiges oder Unver-
nuͤnftiges enthaͤlt, und von einem Chriſten gleichfalls
geſprochen werden koͤnnte, obgleich Buxtorff und
Andere ſie faſt als ein Machwerk des Teufels ver-
ſchreien. Der Kranke ſchlaͤgt ſich waͤhrend derſelben
bei jedem Wort auf die Bruſt, und bittet nachher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0428" n="428"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Vom Sterben und Begra&#x0364;bniß.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>chon fru&#x0364;her lernten wir die ver&#x017F;chiedenen Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen der Juden vom Tode, als dem Uebertritt<lb/>
aus die&#x017F;em in ein anderes Leben kennen. Hier<lb/>
betrachten wir noch die Gebra&#x0364;uche bei Sterbenden<lb/>
und bei Leichenbega&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Wenn das letzte Stu&#x0364;ndlein herannahet, dra&#x0364;n-<lb/>
gen &#x017F;ich, wie fa&#x017F;t u&#x0364;berall, die Rabbiner hinzu, um<lb/>
die arme &#x017F;cheidende Seele in Abrahams Schooß zu<lb/>
liefern. Jetzt &#x017F;oll alles durch Gebet, Reue und<lb/>
Glauben gut gemacht werden, was man im Leben<lb/>
Schlimmes gethan hat. Der Kranke wird mit un-<lb/>
aufho&#x0364;rlichen Fragen: ob er auch u&#x0364;berzeugt &#x017F;ey, daß<lb/>
der Me&#x017F;&#x017F;ias noch kommen werde? und mit ern&#x017F;ten<lb/>
Ermahnungen gequa&#x0364;lt, fe&#x017F;t bei dem allein &#x017F;eligma-<lb/>
chenden Glauben der Juden zu bleiben. Ein Rab-<lb/>
biner betet ihm eine Beichte vor, die, nach meiner<lb/>
An&#x017F;icht, durchaus nichts Unan&#x017F;ta&#x0364;ndiges oder Unver-<lb/>
nu&#x0364;nftiges entha&#x0364;lt, und von einem Chri&#x017F;ten gleichfalls<lb/>
ge&#x017F;prochen werden ko&#x0364;nnte, obgleich Buxtorff und<lb/>
Andere &#x017F;ie fa&#x017F;t als ein Machwerk des Teufels ver-<lb/>
&#x017F;chreien. Der Kranke &#x017F;chla&#x0364;gt &#x017F;ich wa&#x0364;hrend der&#x017F;elben<lb/>
bei jedem Wort auf die Bru&#x017F;t, und bittet nachher<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0428] Vom Sterben und Begraͤbniß. Schon fruͤher lernten wir die verſchiedenen Vor- ſtellungen der Juden vom Tode, als dem Uebertritt aus dieſem in ein anderes Leben kennen. Hier betrachten wir noch die Gebraͤuche bei Sterbenden und bei Leichenbegaͤngniſſen. Wenn das letzte Stuͤndlein herannahet, draͤn- gen ſich, wie faſt uͤberall, die Rabbiner hinzu, um die arme ſcheidende Seele in Abrahams Schooß zu liefern. Jetzt ſoll alles durch Gebet, Reue und Glauben gut gemacht werden, was man im Leben Schlimmes gethan hat. Der Kranke wird mit un- aufhoͤrlichen Fragen: ob er auch uͤberzeugt ſey, daß der Meſſias noch kommen werde? und mit ernſten Ermahnungen gequaͤlt, feſt bei dem allein ſeligma- chenden Glauben der Juden zu bleiben. Ein Rab- biner betet ihm eine Beichte vor, die, nach meiner Anſicht, durchaus nichts Unanſtaͤndiges oder Unver- nuͤnftiges enthaͤlt, und von einem Chriſten gleichfalls geſprochen werden koͤnnte, obgleich Buxtorff und Andere ſie faſt als ein Machwerk des Teufels ver- ſchreien. Der Kranke ſchlaͤgt ſich waͤhrend derſelben bei jedem Wort auf die Bruſt, und bittet nachher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/428
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/428>, abgerufen am 23.11.2024.