Pur oder Purim heißt, bestimmt, und daher nennt man noch jetzt das Fest Purimfest.
Die Juden bekamen indessen Kunde von der gezogenen Lotterie, und da sie nicht wünschten, die ihnen zugedachte Prämie zu erhalten, so benachrich- tigte der fromme Mardochai seine Verwandtin, die Königin Esther, welche er nicht allein erzogen, sondern, nach der Versicherung unserer Rabbinen glaubwürdigen Andenkens, selbst groß gesäugt hatte, von dem schrecklichen Blutbefehl. Estherchen ließ sich Anfangs viel bitten. Sie meinte, die Einmischung in so schlimme Händel könnte für ihre eigene schöne Person nachtheilige Folgen haben, und daher sey es weit rathsamer, daß Herr Mardochai, ihr Milchpapa, und ihre übrigen Glaubensgenossen ge- duldig über die Klinge sprängen. Endlich wußte sie jedoch durch eine überaus fein angelegte Jntrigue Seine besoffene Majestät, den König Ahasverus gegen Haman in Harnisch zu bringen, und der unglückliche Fürststaatskanzler ward an einen fünf- zig Ellen hohen Galgen gehängt, den er selbst für Herrn Mardochai hatte erbauen lassen. Dieser hin- gegen trat, ungeachtet seines abscheulichen Namens und des Defekts am Präputium, wie man leicht denken kann, wieder als Minister an Hamans Statt, und gab in seiner neuen Würde gleich einen glän- zenden Beweis seiner Frömmigkeit, seiner Weisheit und seiner eifrigen Sorge für das Beste des Staats.
Pur oder Purim heißt, beſtimmt, und daher nennt man noch jetzt das Feſt Purimfeſt.
Die Juden bekamen indeſſen Kunde von der gezogenen Lotterie, und da ſie nicht wuͤnſchten, die ihnen zugedachte Praͤmie zu erhalten, ſo benachrich- tigte der fromme Mardochai ſeine Verwandtin, die Koͤnigin Eſther, welche er nicht allein erzogen, ſondern, nach der Verſicherung unſerer Rabbinen glaubwuͤrdigen Andenkens, ſelbſt groß geſaͤugt hatte, von dem ſchrecklichen Blutbefehl. Eſtherchen ließ ſich Anfangs viel bitten. Sie meinte, die Einmiſchung in ſo ſchlimme Haͤndel koͤnnte fuͤr ihre eigene ſchoͤne Perſon nachtheilige Folgen haben, und daher ſey es weit rathſamer, daß Herr Mardochai, ihr Milchpapa, und ihre uͤbrigen Glaubensgenoſſen ge- duldig uͤber die Klinge ſpraͤngen. Endlich wußte ſie jedoch durch eine uͤberaus fein angelegte Jntrigue Seine beſoffene Majeſtaͤt, den Koͤnig Ahasverus gegen Haman in Harniſch zu bringen, und der ungluͤckliche Fuͤrſtſtaatskanzler ward an einen fuͤnf- zig Ellen hohen Galgen gehaͤngt, den er ſelbſt fuͤr Herrn Mardochai hatte erbauen laſſen. Dieſer hin- gegen trat, ungeachtet ſeines abſcheulichen Namens und des Defekts am Praͤputium, wie man leicht denken kann, wieder als Miniſter an Hamans Statt, und gab in ſeiner neuen Wuͤrde gleich einen glaͤn- zenden Beweis ſeiner Froͤmmigkeit, ſeiner Weisheit und ſeiner eifrigen Sorge fuͤr das Beſte des Staats.
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Pur oder Purim heißt, beſtimmt, und daher nennt
man noch jetzt das Feſt Purimfeſt.
Die Juden bekamen indeſſen Kunde von der
gezogenen Lotterie, und da ſie nicht wuͤnſchten, die
ihnen zugedachte Praͤmie zu erhalten, ſo benachrich-
tigte der fromme Mardochai ſeine Verwandtin, die
Koͤnigin Eſther, welche er nicht allein erzogen,
ſondern, nach der Verſicherung unſerer Rabbinen
glaubwuͤrdigen Andenkens, ſelbſt groß geſaͤugt hatte,
von dem ſchrecklichen Blutbefehl. Eſtherchen ließ ſich
Anfangs viel bitten. Sie meinte, die Einmiſchung
in ſo ſchlimme Haͤndel koͤnnte fuͤr ihre eigene ſchoͤne
Perſon nachtheilige Folgen haben, und daher ſey
es weit rathſamer, daß Herr Mardochai, ihr
Milchpapa, und ihre uͤbrigen Glaubensgenoſſen ge-
duldig uͤber die Klinge ſpraͤngen. Endlich wußte
ſie jedoch durch eine uͤberaus fein angelegte Jntrigue
Seine beſoffene Majeſtaͤt, den Koͤnig Ahasverus
gegen Haman in Harniſch zu bringen, und der
ungluͤckliche Fuͤrſtſtaatskanzler ward an einen fuͤnf-
zig Ellen hohen Galgen gehaͤngt, den er ſelbſt fuͤr
Herrn Mardochai hatte erbauen laſſen. Dieſer hin-
gegen trat, ungeachtet ſeines abſcheulichen Namens
und des Defekts am Praͤputium, wie man leicht
denken kann, wieder als Miniſter an Hamans Statt,
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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