Neumond gesegnet, worauf man mit den Worten scheidet: Schalom Alechem! Friede sey mit euch! Alechem Schalom! Auch mit euch sey Friede!
Viele nehmen beim Fortgehen die Ueberbleibsel ihrer Wachskerzen mit, um zu Hause Habhdalah zu machen, d. h. den Feiertag von den Werktagen zu sondern. Andere lassen die ihrigen zurück, um sie bei gewissen feierlichen Gelegenheiten anzuzün- den, und manche recht Fromme und Reiche unter- halten das ganze Jahr hindurch, Tag und Nacht, ein brennendes Wachslicht, Ner tamid genannt, in der Synagoge.
Eine so anhaltende Andacht befördert natürlich die Eßlust gar sehr, und man sucht daher möglichst Gaumen und Magen für ihre lange Entbehrung zu entschädigen. Das Fasten am Versöhnungsfeste, welches wenigstens vier und zwanzig, oft wohl acht und zwanzig bis dreißig Stunden dauert, wird mit größter Strenge beobachtet. Selbst Kindbette- rinnen, die vor drei Tagen entbunden sind, müssen sich alles Trinkens und Essens enthalten; und an- dere Kranke bekommen nur dann etwas, wenn sie es ausdrücklich begehren, oder der Arzt es befiehlt. Knaben über zwölf und Mädchen über eilf Jahr müssen ebenfalls fasten. Der Gebrauch wohlriechen- der Sachen, das Baden und das Tragen von Schuhen, Stiefeln und Pantoffeln sind gänzlich ver- boten. Blos alten und sehr kränklichen Leuten ist
Neumond geſegnet, worauf man mit den Worten ſcheidet: Schalom Alechem! Friede ſey mit euch! Alechem Schalom! Auch mit euch ſey Friede!
Viele nehmen beim Fortgehen die Ueberbleibſel ihrer Wachskerzen mit, um zu Hauſe Habhdalah zu machen, d. h. den Feiertag von den Werktagen zu ſondern. Andere laſſen die ihrigen zuruͤck, um ſie bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten anzuzuͤn- den, und manche recht Fromme und Reiche unter- halten das ganze Jahr hindurch, Tag und Nacht, ein brennendes Wachslicht, Ner tamid genannt, in der Synagoge.
Eine ſo anhaltende Andacht befoͤrdert natuͤrlich die Eßluſt gar ſehr, und man ſucht daher moͤglichſt Gaumen und Magen fuͤr ihre lange Entbehrung zu entſchaͤdigen. Das Faſten am Verſoͤhnungsfeſte, welches wenigſtens vier und zwanzig, oft wohl acht und zwanzig bis dreißig Stunden dauert, wird mit groͤßter Strenge beobachtet. Selbſt Kindbette- rinnen, die vor drei Tagen entbunden ſind, muͤſſen ſich alles Trinkens und Eſſens enthalten; und an- dere Kranke bekommen nur dann etwas, wenn ſie es ausdruͤcklich begehren, oder der Arzt es befiehlt. Knaben uͤber zwoͤlf und Maͤdchen uͤber eilf Jahr muͤſſen ebenfalls faſten. Der Gebrauch wohlriechen- der Sachen, das Baden und das Tragen von Schuhen, Stiefeln und Pantoffeln ſind gaͤnzlich ver- boten. Blos alten und ſehr kraͤnklichen Leuten iſt
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Neumond geſegnet, worauf man mit den Worten
ſcheidet: Schalom Alechem! Friede ſey mit euch!
Alechem Schalom! Auch mit euch ſey Friede!
Viele nehmen beim Fortgehen die Ueberbleibſel
ihrer Wachskerzen mit, um zu Hauſe Habhdalah
zu machen, d. h. den Feiertag von den Werktagen
zu ſondern. Andere laſſen die ihrigen zuruͤck, um
ſie bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten anzuzuͤn-
den, und manche recht Fromme und Reiche unter-
halten das ganze Jahr hindurch, Tag und Nacht,
ein brennendes Wachslicht, Ner tamid genannt, in
der Synagoge.
Eine ſo anhaltende Andacht befoͤrdert natuͤrlich
die Eßluſt gar ſehr, und man ſucht daher moͤglichſt
Gaumen und Magen fuͤr ihre lange Entbehrung zu
entſchaͤdigen. Das Faſten am Verſoͤhnungsfeſte,
welches wenigſtens vier und zwanzig, oft wohl acht
und zwanzig bis dreißig Stunden dauert, wird
mit groͤßter Strenge beobachtet. Selbſt Kindbette-
rinnen, die vor drei Tagen entbunden ſind, muͤſſen
ſich alles Trinkens und Eſſens enthalten; und an-
dere Kranke bekommen nur dann etwas, wenn ſie
es ausdruͤcklich begehren, oder der Arzt es befiehlt.
Knaben uͤber zwoͤlf und Maͤdchen uͤber eilf Jahr
muͤſſen ebenfalls faſten. Der Gebrauch wohlriechen-
der Sachen, das Baden und das Tragen von
Schuhen, Stiefeln und Pantoffeln ſind gaͤnzlich ver-
boten. Blos alten und ſehr kraͤnklichen Leuten iſt
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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