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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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Gekränkte nicht, so nimmt Jener drei Zeugen zu
sich, und wiederholt in ihrer Gegenwart sein Ge-
such. Jst dies gleichfalls [ver]geblich, dann geht er
mit zehn Zeugen zu seinem Gegner, und wenn die-
ser dennoch bei seiner Weigerung beharrt, so scha-
det es dem Beleidiger nichts. Er hat seine Pflicht
gethan und Gott vergiebt ihm seine Sünden. Dem
Unversöhnlichen hingegen werden sie in diesem Ver-
söhnungsfeste nicht verziehen; weil er auch nicht
verzeihen wollte.

Jst der Gekränkte bereits todt, so geht der,
so ihn beleidigte, mit zehn Zeugen zu des Verstor-
benen Grabe und spricht: ich habe mich versündigt
gegen den Gott Abrahams, Jsaaks und Jakobs
und gegen diesen Joseph Schmuel, der hier begra-
ben liegt. Jch bitte um Verzeihung! und hiemit
ist die Sache abgethan.

Nach dem gewöhnlichen Abendgebet am neun-
ten Tisri wird gebeichtet. Paarweise geht man zu
diesem Zweck mit einander an einen besondern Ort
der Synagoge. Der zuerst Beichtende knieet, den
Kopf gegen Mitternacht, das Hinterviertel gegen
Mittag gewandt, und mit einer Hand auf den Bo-
den sich stützend, nieder, und sagt leise seine Beichte,
Viddui genannt, her, indem er mit der andern
Hand sich bei jedem Wort auf die Brust schlägt.
Sein neben ihm stehender Beichtvater giebt ihm
während dessen mit einer ledernen, ziemlich starken



Gekraͤnkte nicht, ſo nimmt Jener drei Zeugen zu
ſich, und wiederholt in ihrer Gegenwart ſein Ge-
ſuch. Jſt dies gleichfalls [ver]geblich, dann geht er
mit zehn Zeugen zu ſeinem Gegner, und wenn die-
ſer dennoch bei ſeiner Weigerung beharrt, ſo ſcha-
det es dem Beleidiger nichts. Er hat ſeine Pflicht
gethan und Gott vergiebt ihm ſeine Suͤnden. Dem
Unverſoͤhnlichen hingegen werden ſie in dieſem Ver-
ſoͤhnungsfeſte nicht verziehen; weil er auch nicht
verzeihen wollte.

Jſt der Gekraͤnkte bereits todt, ſo geht der,
ſo ihn beleidigte, mit zehn Zeugen zu des Verſtor-
benen Grabe und ſpricht: ich habe mich verſuͤndigt
gegen den Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs
und gegen dieſen Joſeph Schmuel, der hier begra-
ben liegt. Jch bitte um Verzeihung! und hiemit
iſt die Sache abgethan.

Nach dem gewoͤhnlichen Abendgebet am neun-
ten Tisri wird gebeichtet. Paarweiſe geht man zu
dieſem Zweck mit einander an einen beſondern Ort
der Synagoge. Der zuerſt Beichtende knieet, den
Kopf gegen Mitternacht, das Hinterviertel gegen
Mittag gewandt, und mit einer Hand auf den Bo-
den ſich ſtuͤtzend, nieder, und ſagt leiſe ſeine Beichte,
Viddui genannt, her, indem er mit der andern
Hand ſich bei jedem Wort auf die Bruſt ſchlaͤgt.
Sein neben ihm ſtehender Beichtvater giebt ihm
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[374/0374] Gekraͤnkte nicht, ſo nimmt Jener drei Zeugen zu ſich, und wiederholt in ihrer Gegenwart ſein Ge- ſuch. Jſt dies gleichfalls vergeblich, dann geht er mit zehn Zeugen zu ſeinem Gegner, und wenn die- ſer dennoch bei ſeiner Weigerung beharrt, ſo ſcha- det es dem Beleidiger nichts. Er hat ſeine Pflicht gethan und Gott vergiebt ihm ſeine Suͤnden. Dem Unverſoͤhnlichen hingegen werden ſie in dieſem Ver- ſoͤhnungsfeſte nicht verziehen; weil er auch nicht verzeihen wollte. Jſt der Gekraͤnkte bereits todt, ſo geht der, ſo ihn beleidigte, mit zehn Zeugen zu des Verſtor- benen Grabe und ſpricht: ich habe mich verſuͤndigt gegen den Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs und gegen dieſen Joſeph Schmuel, der hier begra- ben liegt. Jch bitte um Verzeihung! und hiemit iſt die Sache abgethan. Nach dem gewoͤhnlichen Abendgebet am neun- ten Tisri wird gebeichtet. Paarweiſe geht man zu dieſem Zweck mit einander an einen beſondern Ort der Synagoge. Der zuerſt Beichtende knieet, den Kopf gegen Mitternacht, das Hinterviertel gegen Mittag gewandt, und mit einer Hand auf den Bo- den ſich ſtuͤtzend, nieder, und ſagt leiſe ſeine Beichte, Viddui genannt, her, indem er mit der andern Hand ſich bei jedem Wort auf die Bruſt ſchlaͤgt. Sein neben ihm ſtehender Beichtvater giebt ihm waͤhrend deſſen mit einer ledernen, ziemlich ſtarken

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/374>, abgerufen am 28.07.2024.