Grübler doch von jeher aus den Worten der Bibel herausgedeutelt? Und wo ist wohl eine Tollheit unter dem Monde, die sich nicht auf irgend eine Weise herausdeuteln ließe? Man entferne sich nur wenige Schritte weit von dem geraden Pfade der Vernunft; man verachte dies herrlichste aller Ge- schenke, die Gott uns Menschen gegeben hat, und man wird in ein Labyrinth voll Rebel und Schre- cken gerathen, woraus keine Rückkehr möglich ist. Dies lehrt uns nicht allein die jüdische, sondern auch die christliche Kirchengeschichte auf allen ihren Blättern, nicht allein die Vergangenheit, auch die Gegenwart lehrt es uns, und stellt uns, wo wir nur hinblicken, Millionen Beispiele zur Warnung dar.
Der achte und letzte Tag des Laubhüttenfestes wird gleichfalls ganz gefeiert. Er heißt Schemini Azeres, ein Tag des Aufenthalts, weil es sich mit ihm eben so verhält, wie mit dem Besuch, den Jemand seinem Freunde macht, und der nur sieben Tage dauern soll. Weil aber der höfliche Wirth bittet, so verzieht der Besuchende noch einen Tag länger. Rabbi Abarbenel giebt eine etwas vernünf- tigere Ursache der Feier des Azeres an: Dieser Tag, schreibt er, wird in der Bibel Azeres, ein
Uebersetzungen heißt es aber: ihr Schirm oder Schutz ist von ihnen gewichen.
Gruͤbler doch von jeher aus den Worten der Bibel herausgedeutelt? Und wo iſt wohl eine Tollheit unter dem Monde, die ſich nicht auf irgend eine Weiſe herausdeuteln ließe? Man entferne ſich nur wenige Schritte weit von dem geraden Pfade der Vernunft; man verachte dies herrlichſte aller Ge- ſchenke, die Gott uns Menſchen gegeben hat, und man wird in ein Labyrinth voll Rebel und Schre- cken gerathen, woraus keine Ruͤckkehr moͤglich iſt. Dies lehrt uns nicht allein die juͤdiſche, ſondern auch die chriſtliche Kirchengeſchichte auf allen ihren Blaͤttern, nicht allein die Vergangenheit, auch die Gegenwart lehrt es uns, und ſtellt uns, wo wir nur hinblicken, Millionen Beiſpiele zur Warnung dar.
Der achte und letzte Tag des Laubhuͤttenfeſtes wird gleichfalls ganz gefeiert. Er heißt Schemini Azeres, ein Tag des Aufenthalts, weil es ſich mit ihm eben ſo verhaͤlt, wie mit dem Beſuch, den Jemand ſeinem Freunde macht, und der nur ſieben Tage dauern ſoll. Weil aber der hoͤfliche Wirth bittet, ſo verzieht der Beſuchende noch einen Tag laͤnger. Rabbi Abarbenel giebt eine etwas vernuͤnf- tigere Urſache der Feier des Azeres an: Dieſer Tag, ſchreibt er, wird in der Bibel Azeres, ein
Ueberſetzungen heißt es aber: ihr Schirm oder Schutz iſt von ihnen gewichen.
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Gruͤbler doch von jeher aus den Worten der Bibel
herausgedeutelt? Und wo iſt wohl eine Tollheit
unter dem Monde, die ſich nicht auf irgend eine
Weiſe herausdeuteln ließe? Man entferne ſich nur
wenige Schritte weit von dem geraden Pfade der
Vernunft; man verachte dies herrlichſte aller Ge-
ſchenke, die Gott uns Menſchen gegeben hat, und
man wird in ein Labyrinth voll Rebel und Schre-
cken gerathen, woraus keine Ruͤckkehr moͤglich iſt.
Dies lehrt uns nicht allein die juͤdiſche, ſondern
auch die chriſtliche Kirchengeſchichte auf allen ihren
Blaͤttern, nicht allein die Vergangenheit, auch die
Gegenwart lehrt es uns, und ſtellt uns, wo wir
nur hinblicken, Millionen Beiſpiele zur Warnung
dar.
Der achte und letzte Tag des Laubhuͤttenfeſtes
wird gleichfalls ganz gefeiert. Er heißt Schemini
Azeres, ein Tag des Aufenthalts, weil es ſich mit
ihm eben ſo verhaͤlt, wie mit dem Beſuch, den
Jemand ſeinem Freunde macht, und der nur ſieben
Tage dauern ſoll. Weil aber der hoͤfliche Wirth
bittet, ſo verzieht der Beſuchende noch einen Tag
laͤnger. Rabbi Abarbenel giebt eine etwas vernuͤnf-
tigere Urſache der Feier des Azeres an: Dieſer
Tag, ſchreibt er, wird in der Bibel Azeres, ein
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*) Ueberſetzungen heißt es aber: ihr Schirm oder Schutz
iſt von ihnen gewichen.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/348>, abgerufen am 16.02.2025.
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