feiert, weil man jetzt nicht mehr mit Bestimmtheit weiß, an welchem Tage das Paschahfest nach der alten Rechnung eigentlich beginnt, und an welchem es endet. Daß der Zweifelskuchen unten und der Priesterkuchen oben liegt, ist ganz Recht, denn Frömmigkeit und Wahrheit müssen immer die Ober- hand haben.
Statt des Osterlamms nimmt man ein gebra- tenes Schulterblatt von einem Kalbe, einem Lamm oder einer jungen Gais, und wenn man das nicht bekommen kann, ein anderes Stück. Am liebsten hat man aber das Schulter- oder Vorderblatt, um dadurch Gottes allmächtigen Arm zu bezeichnen, wo- mit er Abrahams glorreichen Saamen aus Aegyp- ten führte. Als Gemüse hiezu wird ein sonderbares Gemisch aus zerstampften Aepfeln, Birnen, Man- deln, Nüssen, Kastanien, Feigen, Citronen und dergleichen bestehend, aufgesetzt. Es ist mit Wein gekocht, in Gestalt eines Ziegelsteins zugerichtet, und mit vielem grob gestoßenen Zimmt und anderm Gewürz bestreuet, wodurch es das Ansehen von zusammen geknätetem Lehm und Stroh erhält. Da- neben, auf dieselbe Schüssel, legt man etwas Meerrettigkraut und auf den sinnbildlichen Ziegel- stein ein wenig geriebenen Meerrettig. "Hiebei sollen wir gedenken, daß unsere Väter in Aegypten Ziegel gestrichen haben; und bei einem Salat von Peter- silien, Meerrettig, Kresse, Lattich, Kerbelkraut,
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feiert, weil man jetzt nicht mehr mit Beſtimmtheit weiß, an welchem Tage das Paſchahfeſt nach der alten Rechnung eigentlich beginnt, und an welchem es endet. Daß der Zweifelskuchen unten und der Prieſterkuchen oben liegt, iſt ganz Recht, denn Froͤmmigkeit und Wahrheit muͤſſen immer die Ober- hand haben.
Statt des Oſterlamms nimmt man ein gebra- tenes Schulterblatt von einem Kalbe, einem Lamm oder einer jungen Gais, und wenn man das nicht bekommen kann, ein anderes Stuͤck. Am liebſten hat man aber das Schulter- oder Vorderblatt, um dadurch Gottes allmaͤchtigen Arm zu bezeichnen, wo- mit er Abrahams glorreichen Saamen aus Aegyp- ten fuͤhrte. Als Gemuͤſe hiezu wird ein ſonderbares Gemiſch aus zerſtampften Aepfeln, Birnen, Man- deln, Nuͤſſen, Kaſtanien, Feigen, Citronen und dergleichen beſtehend, aufgeſetzt. Es iſt mit Wein gekocht, in Geſtalt eines Ziegelſteins zugerichtet, und mit vielem grob geſtoßenen Zimmt und anderm Gewuͤrz beſtreuet, wodurch es das Anſehen von zuſammen geknaͤtetem Lehm und Stroh erhaͤlt. Da- neben, auf dieſelbe Schuͤſſel, legt man etwas Meerrettigkraut und auf den ſinnbildlichen Ziegel- ſtein ein wenig geriebenen Meerrettig. »Hiebei ſollen wir gedenken, daß unſere Vaͤter in Aegypten Ziegel geſtrichen haben; und bei einem Salat von Peter- ſilien, Meerrettig, Kreſſe, Lattich, Kerbelkraut,
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feiert, weil man jetzt nicht mehr mit Beſtimmtheit
weiß, an welchem Tage das Paſchahfeſt nach der
alten Rechnung eigentlich beginnt, und an welchem
es endet. Daß der Zweifelskuchen unten und der
Prieſterkuchen oben liegt, iſt ganz Recht, denn
Froͤmmigkeit und Wahrheit muͤſſen immer die Ober-
hand haben.
Statt des Oſterlamms nimmt man ein gebra-
tenes Schulterblatt von einem Kalbe, einem Lamm
oder einer jungen Gais, und wenn man das nicht
bekommen kann, ein anderes Stuͤck. Am liebſten
hat man aber das Schulter- oder Vorderblatt, um
dadurch Gottes allmaͤchtigen Arm zu bezeichnen, wo-
mit er Abrahams glorreichen Saamen aus Aegyp-
ten fuͤhrte. Als Gemuͤſe hiezu wird ein ſonderbares
Gemiſch aus zerſtampften Aepfeln, Birnen, Man-
deln, Nuͤſſen, Kaſtanien, Feigen, Citronen und
dergleichen beſtehend, aufgeſetzt. Es iſt mit Wein
gekocht, in Geſtalt eines Ziegelſteins zugerichtet,
und mit vielem grob geſtoßenen Zimmt und anderm
Gewuͤrz beſtreuet, wodurch es das Anſehen von
zuſammen geknaͤtetem Lehm und Stroh erhaͤlt. Da-
neben, auf dieſelbe Schuͤſſel, legt man etwas
Meerrettigkraut und auf den ſinnbildlichen Ziegel-
ſtein ein wenig geriebenen Meerrettig. »Hiebei ſollen
wir gedenken, daß unſere Vaͤter in Aegypten Ziegel
geſtrichen haben; und bei einem Salat von Peter-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/307>, abgerufen am 25.11.2024.
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