Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.Theil ihrer religiösen Grundsätze und Gebräuche aufgeben, nicht etwa um zu einer andern positiven Religionslehre überzutreten, denn das hieße aus dem Regen in die Traufen gehen, sondern um sich blos mit der Vernunftreligion zu begnügen. Was bedarf es mehr, als den festen, innigen Glauben an Gott, der als liebevoller, gütiger Vater für das Wohl aller seiner Geschöpfe sorgt; an Unsterb- lichkeit und künftige Vergeltung und an die schöne, erhabene Lehre des göttlichen Menschenfreundes: was Jhr nicht wollt, daß Euch die Leute thun sol- len, das thut Jhr ihnen auch nicht, und Jhr sollt Gott über alle Dinge lieben, und Euren Nächsten als Euch selbst; was bedarf es mehr, sage ich, um ein guter Bürger und ein tugendhafter, achtungs- werther Mensch zu seyn? Würden die Juden -- was ich von Herzen ihnen wünsche -- all' ihren alten Sauerteig auskehren, und sich mit dieser ein- fachen Glaubenslehre begnügen, so könnten sie ge- wiß über kurz oder lang ein sehr glückliches und unabhängiges Volk werden, wenn auch Jerusaleut nie wieder aufgebauet würde, und der Messias auf Abrahams altem Esel nie ihnen erscheinen sollte. Jch habe wohl früher gesagt, daß kirchliche Theil ihrer religioͤſen Grundſaͤtze und Gebraͤuche aufgeben, nicht etwa um zu einer andern poſitiven Religionslehre uͤberzutreten, denn das hieße aus dem Regen in die Traufen gehen, ſondern um ſich blos mit der Vernunftreligion zu begnuͤgen. Was bedarf es mehr, als den feſten, innigen Glauben an Gott, der als liebevoller, guͤtiger Vater fuͤr das Wohl aller ſeiner Geſchoͤpfe ſorgt; an Unſterb- lichkeit und kuͤnftige Vergeltung und an die ſchoͤne, erhabene Lehre des goͤttlichen Menſchenfreundes: was Jhr nicht wollt, daß Euch die Leute thun ſol- len, das thut Jhr ihnen auch nicht, und Jhr ſollt Gott uͤber alle Dinge lieben, und Euren Naͤchſten als Euch ſelbſt; was bedarf es mehr, ſage ich, um ein guter Buͤrger und ein tugendhafter, achtungs- werther Menſch zu ſeyn? Wuͤrden die Juden — was ich von Herzen ihnen wuͤnſche — all’ ihren alten Sauerteig auskehren, und ſich mit dieſer ein- fachen Glaubenslehre begnuͤgen, ſo koͤnnten ſie ge- wiß uͤber kurz oder lang ein ſehr gluͤckliches und unabhaͤngiges Volk werden, wenn auch Jeruſaleut nie wieder aufgebauet wuͤrde, und der Meſſias auf Abrahams altem Eſel nie ihnen erſcheinen ſollte. Jch habe wohl fruͤher geſagt, daß kirchliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="28"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Theil ihrer religioͤſen Grundſaͤtze und Gebraͤuche<lb/> aufgeben, nicht etwa um zu einer andern poſitiven<lb/> Religionslehre uͤberzutreten, denn das hieße aus<lb/> dem Regen in die Traufen gehen, ſondern um ſich<lb/> blos mit der Vernunftreligion zu begnuͤgen. Was<lb/> bedarf es mehr, als den feſten, innigen Glauben<lb/> an Gott, der als liebevoller, guͤtiger Vater fuͤr<lb/> das Wohl aller ſeiner Geſchoͤpfe ſorgt; an Unſterb-<lb/> lichkeit und kuͤnftige Vergeltung und an die ſchoͤne,<lb/> erhabene Lehre des goͤttlichen Menſchenfreundes:<lb/> was Jhr nicht wollt, daß Euch die Leute thun ſol-<lb/> len, das thut Jhr ihnen auch nicht, und Jhr ſollt<lb/> Gott uͤber alle Dinge lieben, und Euren Naͤchſten<lb/> als Euch ſelbſt; was bedarf es mehr, ſage ich, um<lb/> ein guter Buͤrger und ein tugendhafter, achtungs-<lb/> werther Menſch zu ſeyn? Wuͤrden die Juden —<lb/> was ich von Herzen ihnen wuͤnſche — all’ ihren<lb/> alten Sauerteig auskehren, und ſich mit dieſer ein-<lb/> fachen Glaubenslehre begnuͤgen, ſo koͤnnten ſie ge-<lb/> wiß uͤber kurz oder lang ein ſehr gluͤckliches und<lb/> unabhaͤngiges Volk werden, wenn auch Jeruſaleut<lb/> nie wieder aufgebauet wuͤrde, und der Meſſias auf<lb/> Abrahams altem Eſel nie ihnen erſcheinen ſollte.</p><lb/> <p>Jch habe wohl fruͤher geſagt, daß kirchliche<lb/> Poſſen und Poͤßchen gleichguͤltig waͤren; aber nur<lb/> fuͤr den, der es weiß, daß ſie nichts weniger, als<lb/> das Weſen der Religion ſelbſt ſind; denn haͤufig<lb/> haben ſie auf die letztere und auf die Sittlichkeit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
Theil ihrer religioͤſen Grundſaͤtze und Gebraͤuche
aufgeben, nicht etwa um zu einer andern poſitiven
Religionslehre uͤberzutreten, denn das hieße aus
dem Regen in die Traufen gehen, ſondern um ſich
blos mit der Vernunftreligion zu begnuͤgen. Was
bedarf es mehr, als den feſten, innigen Glauben
an Gott, der als liebevoller, guͤtiger Vater fuͤr
das Wohl aller ſeiner Geſchoͤpfe ſorgt; an Unſterb-
lichkeit und kuͤnftige Vergeltung und an die ſchoͤne,
erhabene Lehre des goͤttlichen Menſchenfreundes:
was Jhr nicht wollt, daß Euch die Leute thun ſol-
len, das thut Jhr ihnen auch nicht, und Jhr ſollt
Gott uͤber alle Dinge lieben, und Euren Naͤchſten
als Euch ſelbſt; was bedarf es mehr, ſage ich, um
ein guter Buͤrger und ein tugendhafter, achtungs-
werther Menſch zu ſeyn? Wuͤrden die Juden —
was ich von Herzen ihnen wuͤnſche — all’ ihren
alten Sauerteig auskehren, und ſich mit dieſer ein-
fachen Glaubenslehre begnuͤgen, ſo koͤnnten ſie ge-
wiß uͤber kurz oder lang ein ſehr gluͤckliches und
unabhaͤngiges Volk werden, wenn auch Jeruſaleut
nie wieder aufgebauet wuͤrde, und der Meſſias auf
Abrahams altem Eſel nie ihnen erſcheinen ſollte.
Jch habe wohl fruͤher geſagt, daß kirchliche
Poſſen und Poͤßchen gleichguͤltig waͤren; aber nur
fuͤr den, der es weiß, daß ſie nichts weniger, als
das Weſen der Religion ſelbſt ſind; denn haͤufig
haben ſie auf die letztere und auf die Sittlichkeit
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