Wer einen Juden tauft, der brennt der Sau nur ein anderes Zeichen auf den Hintern! sagt, wo ich nicht irre, Risbeck. Ferne sey also von mir, aus den Hebräern Proselyten machen zu wollen. Jch bin überzeugt, daß der Jude, der Katholik, der Muhamedaner, der Grieche, der heilige Vater zu Rom und der hochwürdige Bischof zu Potsdam nach diesem dunkeln Erdentraum Alle einst selig zum schönen vollen Lichte der Wahrheit erwachen, und sich höchlich wundern werden, dort -- wenn auch nicht auf Abrahams geräumigem Schoße, doch in einem bessern Leben -- einander so vergnügt und wohl zu sehen. Dies glaube ich mit fester Gewiß- heit, obgleich ich sehr zweifle, daß einer von Jenen in meiner Rücksicht dasselbe glauben möchte. Nie hat mich religiöser Fanatismus oder alberner Eifer für das Seelenheil Anderer zu irgend einer Unduld- samkeit verleitet. Warum sollten wir uns drängen und drücken auf dem großen Postwagen des Le- bens; es ist ja Raum genug für uns Alle! Es ist ja Raum genug für uns Alle auf der Erde und unter der Erde! Nur der fromme christliche Wunsch, meinen Mitreisenden ihre Fahrt so bequem und an- genehm, wie möglich zu machen; ihnen zu zeigen, wie sie besser und sicherer sich setzen und es verhü- ten können, daß sie nicht von Kälte und Hitze, von Sturm und Regen, von Staub und Zugluft so sehr leiden, oder vielleicht gar unter die Räder
Wer einen Juden tauft, der brennt der Sau nur ein anderes Zeichen auf den Hintern! ſagt, wo ich nicht irre, Risbeck. Ferne ſey alſo von mir, aus den Hebraͤern Proſelyten machen zu wollen. Jch bin uͤberzeugt, daß der Jude, der Katholik, der Muhamedaner, der Grieche, der heilige Vater zu Rom und der hochwuͤrdige Biſchof zu Potsdam nach dieſem dunkeln Erdentraum Alle einſt ſelig zum ſchoͤnen vollen Lichte der Wahrheit erwachen, und ſich hoͤchlich wundern werden, dort — wenn auch nicht auf Abrahams geraͤumigem Schoße, doch in einem beſſern Leben — einander ſo vergnuͤgt und wohl zu ſehen. Dies glaube ich mit feſter Gewiß- heit, obgleich ich ſehr zweifle, daß einer von Jenen in meiner Ruͤckſicht daſſelbe glauben moͤchte. Nie hat mich religioͤſer Fanatismus oder alberner Eifer fuͤr das Seelenheil Anderer zu irgend einer Unduld- ſamkeit verleitet. Warum ſollten wir uns draͤngen und druͤcken auf dem großen Poſtwagen des Le- bens; es iſt ja Raum genug fuͤr uns Alle! Es iſt ja Raum genug fuͤr uns Alle auf der Erde und unter der Erde! Nur der fromme chriſtliche Wunſch, meinen Mitreiſenden ihre Fahrt ſo bequem und an- genehm, wie moͤglich zu machen; ihnen zu zeigen, wie ſie beſſer und ſicherer ſich ſetzen und es verhuͤ- ten koͤnnen, daß ſie nicht von Kaͤlte und Hitze, von Sturm und Regen, von Staub und Zugluft ſo ſehr leiden, oder vielleicht gar unter die Raͤder
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Wer einen Juden tauft, der brennt der Sau
nur ein anderes Zeichen auf den Hintern! ſagt, wo
ich nicht irre, Risbeck. Ferne ſey alſo von mir,
aus den Hebraͤern Proſelyten machen zu wollen.
Jch bin uͤberzeugt, daß der Jude, der Katholik,
der Muhamedaner, der Grieche, der heilige Vater
zu Rom und der hochwuͤrdige Biſchof zu Potsdam
nach dieſem dunkeln Erdentraum Alle einſt ſelig
zum ſchoͤnen vollen Lichte der Wahrheit erwachen,
und ſich hoͤchlich wundern werden, dort — wenn
auch nicht auf Abrahams geraͤumigem Schoße, doch
in einem beſſern Leben — einander ſo vergnuͤgt und
wohl zu ſehen. Dies glaube ich mit feſter Gewiß-
heit, obgleich ich ſehr zweifle, daß einer von Jenen
in meiner Ruͤckſicht daſſelbe glauben moͤchte. Nie
hat mich religioͤſer Fanatismus oder alberner Eifer
fuͤr das Seelenheil Anderer zu irgend einer Unduld-
ſamkeit verleitet. Warum ſollten wir uns draͤngen
und druͤcken auf dem großen Poſtwagen des Le-
bens; es iſt ja Raum genug fuͤr uns Alle! Es iſt
ja Raum genug fuͤr uns Alle auf der Erde und
unter der Erde! Nur der fromme chriſtliche Wunſch,
meinen Mitreiſenden ihre Fahrt ſo bequem und an-
genehm, wie moͤglich zu machen; ihnen zu zeigen,
wie ſie beſſer und ſicherer ſich ſetzen und es verhuͤ-
ten koͤnnen, daß ſie nicht von Kaͤlte und Hitze, von
Sturm und Regen, von Staub und Zugluft ſo
ſehr leiden, oder vielleicht gar unter die Raͤder
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/23>, abgerufen am 30.01.2025.
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