Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



welches in den südlichen Ländern sehr ungesund seyn
soll. Das mosaische Gesetz rücksichtlich der reinen
und unreinen Thiere verdient also nicht den frevel-
haften Spott, den unwissende Thoren sich so häufig
darüber erlauben. Auch that Moses ganz Recht,
das, was wahrscheinlich blos Frucht seines Nach-
denkens, seiner Einsicht und Erfahrung war, den
Jsraeliten als göttlichen Befehl anzukündigen, denn
sonst hätte das gefräßige, lüsterne Volk seine Ge-
bo[te] nimmermehr befolgt. Bei dieser Täuschung
hatte er keineswegs die Befriedigung der Selbstsucht
und des Eigennutzes, sondern einzig und allein den
Vortheil der Getäuschten zum Zweck. Es war eben
so weise und edel, und gewissermaßen sogar der
reinsten Wahrheit gemäß, wenn er sprach: Gott
hat verboten, das Fleisch jener Thiere zu essen;
denn in den nachtheiligen Folgen, welche der Schö-
pfer mit dem Genuß dieses Fleisches verbunden
hatte, lag ja offenbar das ausdrückliche Gebot, es
nicht zu essen. Moses handelte hier als kluger,
verständiger Gesetzgeber und als rechtlicher Mann,
und nicht als Betrüger, wie manche seiner Feinde
behaupten. Man muß, wenn man die Handlun-
gen eines Menschen richtig beurtheilen will, sie nie,
von ihren Ursachen und Absichten entblößt, durch
die Brille einer engherzigen, befangenen Sittenlehre
betrachten, welche uns die edelste That oft als das
schwärzeste Verbrechen, die eiteln Bestrebungen des



welches in den ſuͤdlichen Laͤndern ſehr ungeſund ſeyn
ſoll. Das moſaiſche Geſetz ruͤckſichtlich der reinen
und unreinen Thiere verdient alſo nicht den frevel-
haften Spott, den unwiſſende Thoren ſich ſo haͤufig
daruͤber erlauben. Auch that Moſes ganz Recht,
das, was wahrſcheinlich blos Frucht ſeines Nach-
denkens, ſeiner Einſicht und Erfahrung war, den
Jſraeliten als goͤttlichen Befehl anzukuͤndigen, denn
ſonſt haͤtte das gefraͤßige, luͤſterne Volk ſeine Ge-
bo[te] nimmermehr befolgt. Bei dieſer Taͤuſchung
hatte er keineswegs die Befriedigung der Selbſtſucht
und des Eigennutzes, ſondern einzig und allein den
Vortheil der Getaͤuſchten zum Zweck. Es war eben
ſo weiſe und edel, und gewiſſermaßen ſogar der
reinſten Wahrheit gemaͤß, wenn er ſprach: Gott
hat verboten, das Fleiſch jener Thiere zu eſſen;
denn in den nachtheiligen Folgen, welche der Schoͤ-
pfer mit dem Genuß dieſes Fleiſches verbunden
hatte, lag ja offenbar das ausdruͤckliche Gebot, es
nicht zu eſſen. Moſes handelte hier als kluger,
verſtaͤndiger Geſetzgeber und als rechtlicher Mann,
und nicht als Betruͤger, wie manche ſeiner Feinde
behaupten. Man muß, wenn man die Handlun-
gen eines Menſchen richtig beurtheilen will, ſie nie,
von ihren Urſachen und Abſichten entbloͤßt, durch
die Brille einer engherzigen, befangenen Sittenlehre
betrachten, welche uns die edelſte That oft als das
ſchwaͤrzeſte Verbrechen, die eiteln Beſtrebungen des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="175"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
welches in den &#x017F;u&#x0364;dlichen La&#x0364;ndern &#x017F;ehr unge&#x017F;und &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;oll. Das mo&#x017F;ai&#x017F;che Ge&#x017F;etz ru&#x0364;ck&#x017F;ichtlich der reinen<lb/>
und unreinen Thiere verdient al&#x017F;o nicht den frevel-<lb/>
haften Spott, den unwi&#x017F;&#x017F;ende Thoren &#x017F;ich &#x017F;o ha&#x0364;ufig<lb/>
daru&#x0364;ber erlauben. Auch that Mo&#x017F;es ganz Recht,<lb/>
das, was wahr&#x017F;cheinlich blos Frucht &#x017F;eines Nach-<lb/>
denkens, &#x017F;einer Ein&#x017F;icht und Erfahrung war, den<lb/>
J&#x017F;raeliten als go&#x0364;ttlichen Befehl anzuku&#x0364;ndigen, denn<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte das gefra&#x0364;ßige, lu&#x0364;&#x017F;terne Volk &#x017F;eine Ge-<lb/>
bo<supplied>te</supplied> nimmermehr befolgt. Bei die&#x017F;er Ta&#x0364;u&#x017F;chung<lb/>
hatte er keineswegs die Befriedigung der Selb&#x017F;t&#x017F;ucht<lb/>
und des Eigennutzes, &#x017F;ondern einzig und allein den<lb/>
Vortheil der Geta&#x0364;u&#x017F;chten zum Zweck. Es war eben<lb/>
&#x017F;o wei&#x017F;e und edel, und gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen &#x017F;ogar der<lb/>
rein&#x017F;ten Wahrheit gema&#x0364;ß, wenn er &#x017F;prach: Gott<lb/>
hat verboten, das Flei&#x017F;ch jener Thiere zu e&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
denn in den nachtheiligen Folgen, welche der Scho&#x0364;-<lb/>
pfer mit dem Genuß die&#x017F;es Flei&#x017F;ches verbunden<lb/>
hatte, lag ja offenbar das ausdru&#x0364;ckliche Gebot, es<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> zu e&#x017F;&#x017F;en. Mo&#x017F;es handelte hier als kluger,<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Ge&#x017F;etzgeber und als rechtlicher Mann,<lb/>
und nicht als Betru&#x0364;ger, wie manche &#x017F;einer Feinde<lb/>
behaupten. Man muß, wenn man die Handlun-<lb/>
gen eines Men&#x017F;chen richtig beurtheilen will, &#x017F;ie nie,<lb/>
von ihren Ur&#x017F;achen und Ab&#x017F;ichten entblo&#x0364;ßt, durch<lb/>
die Brille einer engherzigen, befangenen Sittenlehre<lb/>
betrachten, welche uns die edel&#x017F;te That oft als das<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;rze&#x017F;te Verbrechen, die eiteln Be&#x017F;trebungen des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0175] welches in den ſuͤdlichen Laͤndern ſehr ungeſund ſeyn ſoll. Das moſaiſche Geſetz ruͤckſichtlich der reinen und unreinen Thiere verdient alſo nicht den frevel- haften Spott, den unwiſſende Thoren ſich ſo haͤufig daruͤber erlauben. Auch that Moſes ganz Recht, das, was wahrſcheinlich blos Frucht ſeines Nach- denkens, ſeiner Einſicht und Erfahrung war, den Jſraeliten als goͤttlichen Befehl anzukuͤndigen, denn ſonſt haͤtte das gefraͤßige, luͤſterne Volk ſeine Ge- bote nimmermehr befolgt. Bei dieſer Taͤuſchung hatte er keineswegs die Befriedigung der Selbſtſucht und des Eigennutzes, ſondern einzig und allein den Vortheil der Getaͤuſchten zum Zweck. Es war eben ſo weiſe und edel, und gewiſſermaßen ſogar der reinſten Wahrheit gemaͤß, wenn er ſprach: Gott hat verboten, das Fleiſch jener Thiere zu eſſen; denn in den nachtheiligen Folgen, welche der Schoͤ- pfer mit dem Genuß dieſes Fleiſches verbunden hatte, lag ja offenbar das ausdruͤckliche Gebot, es nicht zu eſſen. Moſes handelte hier als kluger, verſtaͤndiger Geſetzgeber und als rechtlicher Mann, und nicht als Betruͤger, wie manche ſeiner Feinde behaupten. Man muß, wenn man die Handlun- gen eines Menſchen richtig beurtheilen will, ſie nie, von ihren Urſachen und Abſichten entbloͤßt, durch die Brille einer engherzigen, befangenen Sittenlehre betrachten, welche uns die edelſte That oft als das ſchwaͤrzeſte Verbrechen, die eiteln Beſtrebungen des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/175
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/175>, abgerufen am 23.11.2024.