es überdies manche jüdische Buchdrucker sowohl von der schwarzen, als der weißen Linie gab. Wo sie jedoch sich jener, durch die Censur verstümmelter Gebetbücher bedienen müssen, da werden die ihnen gestrichenen Stellen, die entweder durch einen lee- ren Platz oder auf andere Weise bezeichnet sind, durch mündliche Ueberlieferung fortgepflanzt. Die Anzüglichkeiten gegen die Christen sind auch eigent- lich der Grund, weshalb die Juden ihre Andachts- übungen lieber in der hebräischen, als in irgend einer andern Sprache halten.
Kein Regent hat das Recht, sich um die Dog- men und kirchlichen Gebräuche der Bürger und Einwohner seines Staats zu bekümmern; ihm liegt blos die Sorge für die irdische Wohlfahrt, nicht für die ewige Seligkeit ob, denn diese muß dem Gewissen eines Jeden überlassen bleiben, da Jeder für sich selbst dem höchsten Wesen verantwortlich ist. Zwecken aber die kirchlichen Gebräuche und Lehrsätze einer Religionsparthei darauf ab, ihre Bekenner zum Haß und zu schädlichen, ungerechten Handlungen gegen ihre übrigen Mitbürger zu ver- leiten, wie dies offenbar der Fall bei den Juden ist, so hat auch die Regierung nicht allein das Recht, sondern die volle Verbindlichkeit, die Ab- stellung solcher Lehrsätze und kirchlichen Formen an- zuordnen. Thut sie es nicht, so verletzt sie dadurch ihre Verpflichtungen gegen die übrigen Staatsbür- ger, denen sie Schutz und Sicherheit schuldig ist.
es uͤberdies manche juͤdiſche Buchdrucker ſowohl von der ſchwarzen, als der weißen Linie gab. Wo ſie jedoch ſich jener, durch die Cenſur verſtuͤmmelter Gebetbuͤcher bedienen muͤſſen, da werden die ihnen geſtrichenen Stellen, die entweder durch einen lee- ren Platz oder auf andere Weiſe bezeichnet ſind, durch muͤndliche Ueberlieferung fortgepflanzt. Die Anzuͤglichkeiten gegen die Chriſten ſind auch eigent- lich der Grund, weshalb die Juden ihre Andachts- uͤbungen lieber in der hebraͤiſchen, als in irgend einer andern Sprache halten.
Kein Regent hat das Recht, ſich um die Dog- men und kirchlichen Gebraͤuche der Buͤrger und Einwohner ſeines Staats zu bekuͤmmern; ihm liegt blos die Sorge fuͤr die irdiſche Wohlfahrt, nicht fuͤr die ewige Seligkeit ob, denn dieſe muß dem Gewiſſen eines Jeden uͤberlaſſen bleiben, da Jeder fuͤr ſich ſelbſt dem hoͤchſten Weſen verantwortlich iſt. Zwecken aber die kirchlichen Gebraͤuche und Lehrſaͤtze einer Religionsparthei darauf ab, ihre Bekenner zum Haß und zu ſchaͤdlichen, ungerechten Handlungen gegen ihre uͤbrigen Mitbuͤrger zu ver- leiten, wie dies offenbar der Fall bei den Juden iſt, ſo hat auch die Regierung nicht allein das Recht, ſondern die volle Verbindlichkeit, die Ab- ſtellung ſolcher Lehrſaͤtze und kirchlichen Formen an- zuordnen. Thut ſie es nicht, ſo verletzt ſie dadurch ihre Verpflichtungen gegen die uͤbrigen Staatsbuͤr- ger, denen ſie Schutz und Sicherheit ſchuldig iſt.
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es uͤberdies manche juͤdiſche Buchdrucker ſowohl von
der ſchwarzen, als der weißen Linie gab. Wo ſie
jedoch ſich jener, durch die Cenſur verſtuͤmmelter
Gebetbuͤcher bedienen muͤſſen, da werden die ihnen
geſtrichenen Stellen, die entweder durch einen lee-
ren Platz oder auf andere Weiſe bezeichnet ſind,
durch muͤndliche Ueberlieferung fortgepflanzt. Die
Anzuͤglichkeiten gegen die Chriſten ſind auch eigent-
lich der Grund, weshalb die Juden ihre Andachts-
uͤbungen lieber in der hebraͤiſchen, als in irgend
einer andern Sprache halten.
Kein Regent hat das Recht, ſich um die Dog-
men und kirchlichen Gebraͤuche der Buͤrger und
Einwohner ſeines Staats zu bekuͤmmern; ihm liegt
blos die Sorge fuͤr die irdiſche Wohlfahrt, nicht
fuͤr die ewige Seligkeit ob, denn dieſe muß dem
Gewiſſen eines Jeden uͤberlaſſen bleiben, da Jeder
fuͤr ſich ſelbſt dem hoͤchſten Weſen verantwortlich
iſt. Zwecken aber die kirchlichen Gebraͤuche und
Lehrſaͤtze einer Religionsparthei darauf ab, ihre
Bekenner zum Haß und zu ſchaͤdlichen, ungerechten
Handlungen gegen ihre uͤbrigen Mitbuͤrger zu ver-
leiten, wie dies offenbar der Fall bei den Juden
iſt, ſo hat auch die Regierung nicht allein das
Recht, ſondern die volle Verbindlichkeit, die Ab-
ſtellung ſolcher Lehrſaͤtze und kirchlichen Formen an-
zuordnen. Thut ſie es nicht, ſo verletzt ſie dadurch
ihre Verpflichtungen gegen die uͤbrigen Staatsbuͤr-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/149>, abgerufen am 16.02.2025.
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