mit bloßem, sondern mit gesenktem und bedecktem Haupte, damit er nicht mit seinem Kopf an die Schechinah (an die Herrlichkeit Gottes) stößt, die über ihm schwebt.
Erwachen, Aufstehen und Ankleiden des Juden sind von lauter Dankgebeten begleitet, die, wie alle Förmlichkeiten der Art, durch ihr tägliches Wiederkehren in ein gedankenloses Geplärr überge- hen, das auf die Erhebung des Gemüths und auf sittliche Veredlung keinen Einfluß hat. Jch glaube, viele Christen treffen hier mit den Jsraeliten zu- sammen. Selbst das schönste Gebet, das Gebet des Herrn wird bei denen, die es jeden Tag mehrere Male hersagen, so sehr zur Gewohnheitssache, daß sie am Ende nichts weiter dabei denken, als bei dem: guten Morgen, oder guten Abend, womit sie einander begrüßen. Wenn häusliche und kirch- liche Gottesverehrungen das Herz rühren und den Geist des Menschen zu dem Unendlichen erheben sollen, so müssen sie nicht an gewisse Stunden ge- knüpft seyn, nicht zu bestimmten Tageszeiten und mit denselben Worten und Formen wiederholt wer- den, denn dadurch verlieren sie, wären sie auch übrigens noch so schön und erbaulich, allen Reiz und verfehlen ihren Zweck. Das frömmste Gebet und der witzigste Einfall sind sich darin sehr ähn- lich, daß sie durch zu häufigen Gebrauch am Ende alltäglich und wohl gar widerlich werden. Andacht
mit bloßem, ſondern mit geſenktem und bedecktem Haupte, damit er nicht mit ſeinem Kopf an die Schechinah (an die Herrlichkeit Gottes) ſtoͤßt, die uͤber ihm ſchwebt.
Erwachen, Aufſtehen und Ankleiden des Juden ſind von lauter Dankgebeten begleitet, die, wie alle Foͤrmlichkeiten der Art, durch ihr taͤgliches Wiederkehren in ein gedankenloſes Geplaͤrr uͤberge- hen, das auf die Erhebung des Gemuͤths und auf ſittliche Veredlung keinen Einfluß hat. Jch glaube, viele Chriſten treffen hier mit den Jſraeliten zu- ſammen. Selbſt das ſchoͤnſte Gebet, das Gebet des Herrn wird bei denen, die es jeden Tag mehrere Male herſagen, ſo ſehr zur Gewohnheitsſache, daß ſie am Ende nichts weiter dabei denken, als bei dem: guten Morgen, oder guten Abend, womit ſie einander begruͤßen. Wenn haͤusliche und kirch- liche Gottesverehrungen das Herz ruͤhren und den Geiſt des Menſchen zu dem Unendlichen erheben ſollen, ſo muͤſſen ſie nicht an gewiſſe Stunden ge- knuͤpft ſeyn, nicht zu beſtimmten Tageszeiten und mit denſelben Worten und Formen wiederholt wer- den, denn dadurch verlieren ſie, waͤren ſie auch uͤbrigens noch ſo ſchoͤn und erbaulich, allen Reiz und verfehlen ihren Zweck. Das froͤmmſte Gebet und der witzigſte Einfall ſind ſich darin ſehr aͤhn- lich, daß ſie durch zu haͤufigen Gebrauch am Ende alltaͤglich und wohl gar widerlich werden. Andacht
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mit bloßem, ſondern mit geſenktem und bedecktem
Haupte, damit er nicht mit ſeinem Kopf an die
Schechinah (an die Herrlichkeit Gottes) ſtoͤßt, die
uͤber ihm ſchwebt.
Erwachen, Aufſtehen und Ankleiden des Juden
ſind von lauter Dankgebeten begleitet, die, wie
alle Foͤrmlichkeiten der Art, durch ihr taͤgliches
Wiederkehren in ein gedankenloſes Geplaͤrr uͤberge-
hen, das auf die Erhebung des Gemuͤths und auf
ſittliche Veredlung keinen Einfluß hat. Jch glaube,
viele Chriſten treffen hier mit den Jſraeliten zu-
ſammen. Selbſt das ſchoͤnſte Gebet, das Gebet des
Herrn wird bei denen, die es jeden Tag mehrere
Male herſagen, ſo ſehr zur Gewohnheitsſache, daß
ſie am Ende nichts weiter dabei denken, als bei
dem: guten Morgen, oder guten Abend, womit
ſie einander begruͤßen. Wenn haͤusliche und kirch-
liche Gottesverehrungen das Herz ruͤhren und den
Geiſt des Menſchen zu dem Unendlichen erheben
ſollen, ſo muͤſſen ſie nicht an gewiſſe Stunden ge-
knuͤpft ſeyn, nicht zu beſtimmten Tageszeiten und
mit denſelben Worten und Formen wiederholt wer-
den, denn dadurch verlieren ſie, waͤren ſie auch
uͤbrigens noch ſo ſchoͤn und erbaulich, allen Reiz
und verfehlen ihren Zweck. Das froͤmmſte Gebet
und der witzigſte Einfall ſind ſich darin ſehr aͤhn-
lich, daß ſie durch zu haͤufigen Gebrauch am Ende
alltaͤglich und wohl gar widerlich werden. Andacht
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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