schwerlich befolgt worden seyn. Jm Vertrauen auf den unendlich liebevollen gütigen Vater würden die verderbten Jsraeliten sich nach wie vor, in Schan- de und Laster gewälzt haben, und wären vielleicht in gänzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß- te er ihnen Gott immer so zeigen, wie sie selbst ihn sich dachten: als einen starken, eifrigen und rach- gierigen Gott, der die Sünden der Väter heimsucht an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der nicht um das Beßte seiner Menschen zu fördern, sondern aus bloßer Willkühr Gesetze giebt, denen man blindlings gehorchen müsse. Seine Dogmatik war übrigens -- die Opfer, Fasten, Speiseverbote und Reinigungen bei Seite gesetzt, -- die einfach- ste, welche jemals erfunden ward. Sie kannte weder Himmel, noch Hölle, noch Fegfeuer, noch irgend einen andern Zustand der Vergeltung und Veredlung nach diesem Leben. Selbst das größte Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunst, von dessen Annahme doch, wie ich glaube, die künf- tige Seligkeit aller Sterblichen abhängt, die Drei- einigkeit Gottes, vermissen wir ganz; ja es wird demselben sogar ausdrücklich widersprochen; denn allenthalben ist nur von einem einigen, nie von einem dreieinigen Gott die Rede.
Auffallend scheint es zwar, daß Moses blos zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes seinen Jsraeliten als Beweggründe zur Frömmigkeit auf- stellte, und daß er nichts von einem Leben nach
ſchwerlich befolgt worden ſeyn. Jm Vertrauen auf den unendlich liebevollen guͤtigen Vater wuͤrden die verderbten Jſraeliten ſich nach wie vor, in Schan- de und Laſter gewaͤlzt haben, und waͤren vielleicht in gaͤnzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß- te er ihnen Gott immer ſo zeigen, wie ſie ſelbſt ihn ſich dachten: als einen ſtarken, eifrigen und rach- gierigen Gott, der die Suͤnden der Vaͤter heimſucht an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der nicht um das Beßte ſeiner Menſchen zu foͤrdern, ſondern aus bloßer Willkuͤhr Geſetze giebt, denen man blindlings gehorchen muͤſſe. Seine Dogmatik war uͤbrigens — die Opfer, Faſten, Speiſeverbote und Reinigungen bei Seite geſetzt, — die einfach- ſte, welche jemals erfunden ward. Sie kannte weder Himmel, noch Hoͤlle, noch Fegfeuer, noch irgend einen andern Zuſtand der Vergeltung und Veredlung nach dieſem Leben. Selbſt das groͤßte Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunſt, von deſſen Annahme doch, wie ich glaube, die kuͤnf- tige Seligkeit aller Sterblichen abhaͤngt, die Drei- einigkeit Gottes, vermiſſen wir ganz; ja es wird demſelben ſogar ausdruͤcklich widerſprochen; denn allenthalben iſt nur von einem einigen, nie von einem dreieinigen Gott die Rede.
Auffallend ſcheint es zwar, daß Moſes blos zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes ſeinen Jſraeliten als Beweggruͤnde zur Froͤmmigkeit auf- ſtellte, und daß er nichts von einem Leben nach
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0081"n="47"/>ſchwerlich befolgt worden ſeyn. Jm Vertrauen auf<lb/>
den unendlich liebevollen guͤtigen Vater wuͤrden die<lb/>
verderbten Jſraeliten ſich nach wie vor, in Schan-<lb/>
de und Laſter gewaͤlzt haben, und waͤren vielleicht<lb/>
in gaͤnzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß-<lb/>
te er ihnen Gott immer ſo zeigen, wie ſie ſelbſt ihn<lb/>ſich dachten: als einen ſtarken, eifrigen und rach-<lb/>
gierigen Gott, der die Suͤnden der Vaͤter heimſucht<lb/>
an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der<lb/>
nicht um das Beßte ſeiner Menſchen zu foͤrdern,<lb/>ſondern aus bloßer Willkuͤhr Geſetze giebt, denen<lb/>
man blindlings gehorchen muͤſſe. Seine Dogmatik<lb/>
war uͤbrigens — die Opfer, Faſten, Speiſeverbote<lb/>
und Reinigungen bei Seite geſetzt, — die einfach-<lb/>ſte, welche jemals erfunden ward. Sie kannte<lb/>
weder Himmel, noch Hoͤlle, noch Fegfeuer, noch<lb/>
irgend einen andern Zuſtand der Vergeltung und<lb/>
Veredlung nach dieſem Leben. Selbſt das groͤßte<lb/>
Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunſt,<lb/>
von deſſen Annahme doch, wie ich glaube, die kuͤnf-<lb/>
tige Seligkeit aller Sterblichen abhaͤngt, die Drei-<lb/>
einigkeit Gottes, vermiſſen wir ganz; ja es wird<lb/>
demſelben ſogar ausdruͤcklich widerſprochen; denn<lb/>
allenthalben iſt nur von einem <hirendition="#g">einigen,</hi> nie von<lb/>
einem <hirendition="#g">dreieinigen</hi> Gott die Rede.</p><lb/><p>Auffallend ſcheint es zwar, daß Moſes blos<lb/>
zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes ſeinen<lb/>
Jſraeliten als Beweggruͤnde zur Froͤmmigkeit auf-<lb/>ſtellte, und daß er nichts von einem Leben nach<lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0081]
ſchwerlich befolgt worden ſeyn. Jm Vertrauen auf
den unendlich liebevollen guͤtigen Vater wuͤrden die
verderbten Jſraeliten ſich nach wie vor, in Schan-
de und Laſter gewaͤlzt haben, und waͤren vielleicht
in gaͤnzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß-
te er ihnen Gott immer ſo zeigen, wie ſie ſelbſt ihn
ſich dachten: als einen ſtarken, eifrigen und rach-
gierigen Gott, der die Suͤnden der Vaͤter heimſucht
an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der
nicht um das Beßte ſeiner Menſchen zu foͤrdern,
ſondern aus bloßer Willkuͤhr Geſetze giebt, denen
man blindlings gehorchen muͤſſe. Seine Dogmatik
war uͤbrigens — die Opfer, Faſten, Speiſeverbote
und Reinigungen bei Seite geſetzt, — die einfach-
ſte, welche jemals erfunden ward. Sie kannte
weder Himmel, noch Hoͤlle, noch Fegfeuer, noch
irgend einen andern Zuſtand der Vergeltung und
Veredlung nach dieſem Leben. Selbſt das groͤßte
Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunſt,
von deſſen Annahme doch, wie ich glaube, die kuͤnf-
tige Seligkeit aller Sterblichen abhaͤngt, die Drei-
einigkeit Gottes, vermiſſen wir ganz; ja es wird
demſelben ſogar ausdruͤcklich widerſprochen; denn
allenthalben iſt nur von einem einigen, nie von
einem dreieinigen Gott die Rede.
Auffallend ſcheint es zwar, daß Moſes blos
zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes ſeinen
Jſraeliten als Beweggruͤnde zur Froͤmmigkeit auf-
ſtellte, und daß er nichts von einem Leben nach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/81>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.