duldiger würden, gab man ihnen Anweisungen auf den Himmel, wo ihnen alles tausendfach ersetzt wer- den sollte, was man hienieden ihnen raubte und stahl. Despotieen, welche auf solche Art durch den religiösen Glauben der Unterjochten gesichert waren, hatten weniger von innern Stürmen zu fürchten, als jene, die bloß auf physischer Uebermacht ruhten. Desto schneller und schrecklicher stürzten sie aber zu- sammen, sobald die fromme Heerde aus den gläu- bigen Träumen erwachte, in die man sie gewiegt, und das geistliche Gängelband zerriß, mit welchem man sie so lange geleitet hatte, oder wenn auch zwischen den geistlichen und weltlichen Gewalthabern sich eine laute und dauernde Zwietracht erhob. Dann seufzten und winselten die Pfaffen über den baldi- gen Einsturz des Staatsgebäudes, welchen sie als eine Strafe der Götter verkündeten, weil man die Religion d. h. die Priesterschaft nicht mehr achtete, die Opfer und den Tempeldienst versäumte, und was das Wichtigste war, die geistlichen Abgaben nicht mehr so willig, wie ehemals darbrachte. Die- se Weissagungen trafen natürlich um so gewisser ein, da religiöser Aberglaube die Hauptstütze des ganzen despotischen Staatsgebäudes war. Dies sehen wir vorzüglich bei dem Sturze des kolassalen römischen Reichs, wo mit dem sinkenden Glauben an die religiösen Formen, mit der Achtung für den Tempeldienst und die Priester auch der Staat selbst in Trümmer zerfiel. Erst in spätern Zeiten lernte
und
duldiger wuͤrden, gab man ihnen Anweiſungen auf den Himmel, wo ihnen alles tauſendfach erſetzt wer- den ſollte, was man hienieden ihnen raubte und ſtahl. Despotieen, welche auf ſolche Art durch den religioͤſen Glauben der Unterjochten geſichert waren, hatten weniger von innern Stuͤrmen zu fuͤrchten, als jene, die bloß auf phyſiſcher Uebermacht ruhten. Deſto ſchneller und ſchrecklicher ſtuͤrzten ſie aber zu- ſammen, ſobald die fromme Heerde aus den glaͤu- bigen Traͤumen erwachte, in die man ſie gewiegt, und das geiſtliche Gaͤngelband zerriß, mit welchem man ſie ſo lange geleitet hatte, oder wenn auch zwiſchen den geiſtlichen und weltlichen Gewalthabern ſich eine laute und dauernde Zwietracht erhob. Dann ſeufzten und winſelten die Pfaffen uͤber den baldi- gen Einſturz des Staatsgebaͤudes, welchen ſie als eine Strafe der Goͤtter verkuͤndeten, weil man die Religion d. h. die Prieſterſchaft nicht mehr achtete, die Opfer und den Tempeldienſt verſaͤumte, und was das Wichtigſte war, die geiſtlichen Abgaben nicht mehr ſo willig, wie ehemals darbrachte. Die- ſe Weiſſagungen trafen natuͤrlich um ſo gewiſſer ein, da religioͤſer Aberglaube die Hauptſtuͤtze des ganzen despotiſchen Staatsgebaͤudes war. Dies ſehen wir vorzuͤglich bei dem Sturze des kolaſſalen roͤmiſchen Reichs, wo mit dem ſinkenden Glauben an die religioͤſen Formen, mit der Achtung fuͤr den Tempeldienſt und die Prieſter auch der Staat ſelbſt in Truͤmmer zerfiel. Erſt in ſpaͤtern Zeiten lernte
und
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duldiger wuͤrden, gab man ihnen Anweiſungen auf
den Himmel, wo ihnen alles tauſendfach erſetzt wer-
den ſollte, was man hienieden ihnen raubte und
ſtahl. Despotieen, welche auf ſolche Art durch den
religioͤſen Glauben der Unterjochten geſichert waren,
hatten weniger von innern Stuͤrmen zu fuͤrchten,
als jene, die bloß auf phyſiſcher Uebermacht ruhten.
Deſto ſchneller und ſchrecklicher ſtuͤrzten ſie aber zu-
ſammen, ſobald die fromme Heerde aus den glaͤu-
bigen Traͤumen erwachte, in die man ſie gewiegt,
und das geiſtliche Gaͤngelband zerriß, mit welchem
man ſie ſo lange geleitet hatte, oder wenn auch
zwiſchen den geiſtlichen und weltlichen Gewalthabern
ſich eine laute und dauernde Zwietracht erhob. Dann
ſeufzten und winſelten die Pfaffen uͤber den baldi-
gen Einſturz des Staatsgebaͤudes, welchen ſie als
eine Strafe der Goͤtter verkuͤndeten, weil man die
Religion d. h. die Prieſterſchaft nicht mehr achtete,
die Opfer und den Tempeldienſt verſaͤumte, und
was das Wichtigſte war, die geiſtlichen Abgaben
nicht mehr ſo willig, wie ehemals darbrachte. Die-
ſe Weiſſagungen trafen natuͤrlich um ſo gewiſſer
ein, da religioͤſer Aberglaube die Hauptſtuͤtze des
ganzen despotiſchen Staatsgebaͤudes war. Dies
ſehen wir vorzuͤglich bei dem Sturze des kolaſſalen
roͤmiſchen Reichs, wo mit dem ſinkenden Glauben
an die religioͤſen Formen, mit der Achtung fuͤr den
Tempeldienſt und die Prieſter auch der Staat ſelbſt
in Truͤmmer zerfiel. Erſt in ſpaͤtern Zeiten lernte
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/50>, abgerufen am 25.11.2024.
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