lange nach der Zeit geschrieben wurden, wo sich die darin erzählten Begebenheiten zutrugen. Jch habe schon früher bemerkt, und mehrere Gründe für meine Behauptung angeführt, daß Moses, Jo- sua und Samuel nicht Verfasser der, unter ihren Namen bekannten Bücher sind. Als Moses mit den Jsraeliten aus Aegypten zog, kannte man dort so wenig eine Buchstabenschrift, als irgend eine Art von Papier. Die Stelle der erstern vertraten Hie- roglyphen, wie sie noch in den Pyramiden gefun- den werden. Statt des Papiers gebrauchte man Erz, Steine, Holz und andere harte Massen. Mit- telst der Hieroglyphen kann man leicht zu errathen- de, sinnliche Gegenstände bezeichnen und andeuten; nimmermehr eignen sie sich aber zu Darstellung zusammenhängender Geschichten, in denen selbst von übersinnlichen Dingen die Rede ist. Die Hiero- glyphen sind bloße Bilder und verhalten sich zu der Buchstabenschrift, wie die Musik zur artikulirten Sprache. Jch kann durch die erstere Ahnungen, Gefühle und Leidenschaften erregen, aber nicht, wie mittelst der Rede, geschehene Dinge erzählen, künf- tige vorhersagen, und übersinnliche Begriffe auf eine gemeinverständliche Weise ausdrücken.
Gesetzt auch, Moses hätte -- wovon indessen die Geschichte das Gegentheil lehrt -- Moses hätte eine Buchstabenschrift gekannt oder erfinden können; worauf wollte er schreiben, da man zu seiner Zeit weder Papier, noch Pergament kannte, und in
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lange nach der Zeit geſchrieben wurden, wo ſich die darin erzaͤhlten Begebenheiten zutrugen. Jch habe ſchon fruͤher bemerkt, und mehrere Gruͤnde fuͤr meine Behauptung angefuͤhrt, daß Moſes, Jo- ſua und Samuel nicht Verfaſſer der, unter ihren Namen bekannten Buͤcher ſind. Als Moſes mit den Jſraeliten aus Aegypten zog, kannte man dort ſo wenig eine Buchſtabenſchrift, als irgend eine Art von Papier. Die Stelle der erſtern vertraten Hie- roglyphen, wie ſie noch in den Pyramiden gefun- den werden. Statt des Papiers gebrauchte man Erz, Steine, Holz und andere harte Maſſen. Mit- telſt der Hieroglyphen kann man leicht zu errathen- de, ſinnliche Gegenſtaͤnde bezeichnen und andeuten; nimmermehr eignen ſie ſich aber zu Darſtellung zuſammenhaͤngender Geſchichten, in denen ſelbſt von uͤberſinnlichen Dingen die Rede iſt. Die Hiero- glyphen ſind bloße Bilder und verhalten ſich zu der Buchſtabenſchrift, wie die Muſik zur artikulirten Sprache. Jch kann durch die erſtere Ahnungen, Gefuͤhle und Leidenſchaften erregen, aber nicht, wie mittelſt der Rede, geſchehene Dinge erzaͤhlen, kuͤnf- tige vorherſagen, und uͤberſinnliche Begriffe auf eine gemeinverſtaͤndliche Weiſe ausdruͤcken.
Geſetzt auch, Moſes haͤtte — wovon indeſſen die Geſchichte das Gegentheil lehrt — Moſes haͤtte eine Buchſtabenſchrift gekannt oder erfinden koͤnnen; worauf wollte er ſchreiben, da man zu ſeiner Zeit weder Papier, noch Pergament kannte, und in
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lange nach der Zeit geſchrieben wurden, wo ſich
die darin erzaͤhlten Begebenheiten zutrugen. Jch
habe ſchon fruͤher bemerkt, und mehrere Gruͤnde
fuͤr meine Behauptung angefuͤhrt, daß Moſes, Jo-
ſua und Samuel nicht Verfaſſer der, unter ihren
Namen bekannten Buͤcher ſind. Als Moſes mit den
Jſraeliten aus Aegypten zog, kannte man dort ſo
wenig eine Buchſtabenſchrift, als irgend eine Art
von Papier. Die Stelle der erſtern vertraten Hie-
roglyphen, wie ſie noch in den Pyramiden gefun-
den werden. Statt des Papiers gebrauchte man
Erz, Steine, Holz und andere harte Maſſen. Mit-
telſt der Hieroglyphen kann man leicht zu errathen-
de, ſinnliche Gegenſtaͤnde bezeichnen und andeuten;
nimmermehr eignen ſie ſich aber zu Darſtellung
zuſammenhaͤngender Geſchichten, in denen ſelbſt von
uͤberſinnlichen Dingen die Rede iſt. Die Hiero-
glyphen ſind bloße Bilder und verhalten ſich zu der
Buchſtabenſchrift, wie die Muſik zur artikulirten
Sprache. Jch kann durch die erſtere Ahnungen,
Gefuͤhle und Leidenſchaften erregen, aber nicht, wie
mittelſt der Rede, geſchehene Dinge erzaͤhlen, kuͤnf-
tige vorherſagen, und uͤberſinnliche Begriffe auf
eine gemeinverſtaͤndliche Weiſe ausdruͤcken.
Geſetzt auch, Moſes haͤtte — wovon indeſſen
die Geſchichte das Gegentheil lehrt — Moſes haͤtte
eine Buchſtabenſchrift gekannt oder erfinden koͤnnen;
worauf wollte er ſchreiben, da man zu ſeiner Zeit
weder Papier, noch Pergament kannte, und in
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/333>, abgerufen am 25.11.2024.
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