den mußte, der sie von dem Joch ihrer Feinde erlösen würde?
Ferne sey es von mir, hier zu untersuchen, in wie weit die Weissagungen der Propheten auf Chri- stus bezogen werden können. Zu einer solchen Er- örterung gehört ein großer Vorrath philologischer, geschichtlicher und selbst örtlicher Kenntnisse, den ich nicht besitze. Auch bin ich nicht gesonnen, die Ju- den zu Proselyten zu machen, und daher schweige ich von Christus als dem, nach der Behauptung unserer Theologen den Juden verheißenen Messias und Erlöser ganz. Sie haben ihn nicht angenom- men, da sie zwar einen irdischen Heerführer, aber keinen Lehrer erwarteten, der ihnen die Augen über ihre Verworfenheit öffnen und sie zur Tugend und Sittlichkeit hinführen sollte.
Messiasse standen oft genug unter den Juden auf; aber keiner von ihnen machte ein dauerndes Glück. Einer der berühmtesten neuerer Zeit war der bekannte Sabathai Sevi, der 1666 sich für den Messias ausgab, und einer der possierlichsten war sein nächster Nachfolger, ein Christ und ein Däne, Oliger oder Holger Paulli. Der Vater des letz- tern, Simon Paulli war ein Arzt, aus Rostock gebürtig, und er selbst ward 1644 zu Kopenhagen geboren. Er hielt alle Dänen für Abrahams Saa- men, und sich für einen, den Juden verheißenen König, indem er zwei Stellen der Bibel (1 B. Sam. 24. V. 21. und Ps. 72. V. 11.) auf sich deutete.
den mußte, der ſie von dem Joch ihrer Feinde erloͤſen wuͤrde?
Ferne ſey es von mir, hier zu unterſuchen, in wie weit die Weiſſagungen der Propheten auf Chri- ſtus bezogen werden koͤnnen. Zu einer ſolchen Er- oͤrterung gehoͤrt ein großer Vorrath philologiſcher, geſchichtlicher und ſelbſt oͤrtlicher Kenntniſſe, den ich nicht beſitze. Auch bin ich nicht geſonnen, die Ju- den zu Proſelyten zu machen, und daher ſchweige ich von Chriſtus als dem, nach der Behauptung unſerer Theologen den Juden verheißenen Meſſias und Erloͤſer ganz. Sie haben ihn nicht angenom- men, da ſie zwar einen irdiſchen Heerfuͤhrer, aber keinen Lehrer erwarteten, der ihnen die Augen uͤber ihre Verworfenheit oͤffnen und ſie zur Tugend und Sittlichkeit hinfuͤhren ſollte.
Meſſiaſſe ſtanden oft genug unter den Juden auf; aber keiner von ihnen machte ein dauerndes Gluͤck. Einer der beruͤhmteſten neuerer Zeit war der bekannte Sabathai Sevi, der 1666 ſich fuͤr den Meſſias ausgab, und einer der poſſierlichſten war ſein naͤchſter Nachfolger, ein Chriſt und ein Daͤne, Oliger oder Holger Paulli. Der Vater des letz- tern, Simon Paulli war ein Arzt, aus Roſtock gebuͤrtig, und er ſelbſt ward 1644 zu Kopenhagen geboren. Er hielt alle Daͤnen fuͤr Abrahams Saa- men, und ſich fuͤr einen, den Juden verheißenen Koͤnig, indem er zwei Stellen der Bibel (1 B. Sam. 24. V. 21. und Pſ. 72. V. 11.) auf ſich deutete.
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den mußte, der ſie von dem Joch ihrer Feinde
erloͤſen wuͤrde?
Ferne ſey es von mir, hier zu unterſuchen, in
wie weit die Weiſſagungen der Propheten auf Chri-
ſtus bezogen werden koͤnnen. Zu einer ſolchen Er-
oͤrterung gehoͤrt ein großer Vorrath philologiſcher,
geſchichtlicher und ſelbſt oͤrtlicher Kenntniſſe, den ich
nicht beſitze. Auch bin ich nicht geſonnen, die Ju-
den zu Proſelyten zu machen, und daher ſchweige
ich von Chriſtus als dem, nach der Behauptung
unſerer Theologen den Juden verheißenen Meſſias
und Erloͤſer ganz. Sie haben ihn nicht angenom-
men, da ſie zwar einen irdiſchen Heerfuͤhrer, aber
keinen Lehrer erwarteten, der ihnen die Augen uͤber
ihre Verworfenheit oͤffnen und ſie zur Tugend und
Sittlichkeit hinfuͤhren ſollte.
Meſſiaſſe ſtanden oft genug unter den Juden
auf; aber keiner von ihnen machte ein dauerndes
Gluͤck. Einer der beruͤhmteſten neuerer Zeit war
der bekannte Sabathai Sevi, der 1666 ſich fuͤr den
Meſſias ausgab, und einer der poſſierlichſten war
ſein naͤchſter Nachfolger, ein Chriſt und ein Daͤne,
Oliger oder Holger Paulli. Der Vater des letz-
tern, Simon Paulli war ein Arzt, aus Roſtock
gebuͤrtig, und er ſelbſt ward 1644 zu Kopenhagen
geboren. Er hielt alle Daͤnen fuͤr Abrahams Saa-
men, und ſich fuͤr einen, den Juden verheißenen
Koͤnig, indem er zwei Stellen der Bibel (1 B. Sam.
24. V. 21. und Pſ. 72. V. 11.) auf ſich deutete.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/268>, abgerufen am 24.11.2024.
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