etwas frömmer sind, werden eher daraus befreiet. Der Rabbi Akkiba gesegneten Andenkens begegnete einst einem Mann, der eine ungeheure Last Holz, wie kein Lastthier sie hätte tragen können, auf sei- nem Rücken hatte. Der Rabbi fragte ihn: ob er ein Mensch oder ein Gespenst sey? Jch war ein Mensch, antwortete Jener, aber nun da ich gestor- ben bin, muß ich täglich eine solche Bürde Holz, wie du hier siehest, zum Fegefeuer schleppen, und damit werde ich wegen meiner Sünden verbrannt. Der fromme Rabbi fragte ihn voll Mitleids: ob er keinen Sohn und keine Frau hinterlassen habe? Wie sie hießen, und wo sie wohnten? Der Ver- storbene sagte es ihm, und Rabbi Akkiba, auf welchem der Friede sey, reiste hin, lehrte den Sohn das Gebet Raddisch und befahl ihm, es alle Tage für seinen Vater zu beten. Bald nachher er- schien dem Rabbi der Verstorbene im Traum, dankte ihm herzlich, und erzählte ihm, daß er jetzt aus dem Fegefeuer erlöst sey. Rabbi Akkiba gesegneten Andenkens unterließ nicht, dies augenblicklich an alle jüdische Schulen zu berichten, und zu verord- nen, daß jeder Sohn das Gebet Raddisch für sei- nen Vater beten soll. Wer keinen Sohn hinter- läßt, für den betet an den Sabbathen und Feier- tagen die ganze Gemeinde *). Weil aber blos die
*) M. s. das talmudische Buch Callach.
etwas froͤmmer ſind, werden eher daraus befreiet. Der Rabbi Akkiba geſegneten Andenkens begegnete einſt einem Mann, der eine ungeheure Laſt Holz, wie kein Laſtthier ſie haͤtte tragen koͤnnen, auf ſei- nem Ruͤcken hatte. Der Rabbi fragte ihn: ob er ein Menſch oder ein Geſpenſt ſey? Jch war ein Menſch, antwortete Jener, aber nun da ich geſtor- ben bin, muß ich taͤglich eine ſolche Buͤrde Holz, wie du hier ſieheſt, zum Fegefeuer ſchleppen, und damit werde ich wegen meiner Suͤnden verbrannt. Der fromme Rabbi fragte ihn voll Mitleids: ob er keinen Sohn und keine Frau hinterlaſſen habe? Wie ſie hießen, und wo ſie wohnten? Der Ver- ſtorbene ſagte es ihm, und Rabbi Akkiba, auf welchem der Friede ſey, reiste hin, lehrte den Sohn das Gebet Raddiſch und befahl ihm, es alle Tage fuͤr ſeinen Vater zu beten. Bald nachher er- ſchien dem Rabbi der Verſtorbene im Traum, dankte ihm herzlich, und erzaͤhlte ihm, daß er jetzt aus dem Fegefeuer erloͤst ſey. Rabbi Akkiba geſegneten Andenkens unterließ nicht, dies augenblicklich an alle juͤdiſche Schulen zu berichten, und zu verord- nen, daß jeder Sohn das Gebet Raddiſch fuͤr ſei- nen Vater beten ſoll. Wer keinen Sohn hinter- laͤßt, fuͤr den betet an den Sabbathen und Feier- tagen die ganze Gemeinde *). Weil aber blos die
*) M. ſ. das talmudiſche Buch Callach.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0265"n="231"/>
etwas froͤmmer ſind, werden eher daraus befreiet.<lb/>
Der Rabbi Akkiba geſegneten Andenkens begegnete<lb/>
einſt einem Mann, der eine ungeheure Laſt Holz,<lb/>
wie kein Laſtthier ſie haͤtte tragen koͤnnen, auf ſei-<lb/>
nem Ruͤcken hatte. Der Rabbi fragte ihn: ob er<lb/>
ein Menſch oder ein Geſpenſt ſey? Jch war ein<lb/>
Menſch, antwortete Jener, aber nun da ich geſtor-<lb/>
ben bin, muß ich taͤglich eine ſolche Buͤrde Holz,<lb/>
wie du hier ſieheſt, zum Fegefeuer ſchleppen, und<lb/>
damit werde ich wegen meiner Suͤnden verbrannt.<lb/>
Der fromme Rabbi fragte ihn voll Mitleids: ob<lb/>
er keinen Sohn und keine Frau hinterlaſſen habe?<lb/>
Wie ſie hießen, und wo ſie wohnten? Der Ver-<lb/>ſtorbene ſagte es ihm, und Rabbi Akkiba, auf<lb/>
welchem der Friede ſey, reiste hin, lehrte den Sohn<lb/>
das Gebet <hirendition="#g">Raddiſch</hi> und befahl ihm, es alle<lb/>
Tage fuͤr ſeinen Vater zu beten. Bald nachher er-<lb/>ſchien dem Rabbi der Verſtorbene im Traum, dankte<lb/>
ihm herzlich, und erzaͤhlte ihm, daß er jetzt aus<lb/>
dem Fegefeuer erloͤst ſey. Rabbi Akkiba geſegneten<lb/>
Andenkens unterließ nicht, dies augenblicklich an<lb/>
alle juͤdiſche Schulen zu berichten, und zu verord-<lb/>
nen, daß jeder Sohn das Gebet Raddiſch fuͤr ſei-<lb/>
nen Vater beten ſoll. Wer keinen Sohn hinter-<lb/>
laͤßt, fuͤr den betet an den Sabbathen und Feier-<lb/>
tagen die ganze Gemeinde <noteplace="foot"n="*)">M. ſ. das talmudiſche Buch Callach.</note>. Weil aber blos die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[231/0265]
etwas froͤmmer ſind, werden eher daraus befreiet.
Der Rabbi Akkiba geſegneten Andenkens begegnete
einſt einem Mann, der eine ungeheure Laſt Holz,
wie kein Laſtthier ſie haͤtte tragen koͤnnen, auf ſei-
nem Ruͤcken hatte. Der Rabbi fragte ihn: ob er
ein Menſch oder ein Geſpenſt ſey? Jch war ein
Menſch, antwortete Jener, aber nun da ich geſtor-
ben bin, muß ich taͤglich eine ſolche Buͤrde Holz,
wie du hier ſieheſt, zum Fegefeuer ſchleppen, und
damit werde ich wegen meiner Suͤnden verbrannt.
Der fromme Rabbi fragte ihn voll Mitleids: ob
er keinen Sohn und keine Frau hinterlaſſen habe?
Wie ſie hießen, und wo ſie wohnten? Der Ver-
ſtorbene ſagte es ihm, und Rabbi Akkiba, auf
welchem der Friede ſey, reiste hin, lehrte den Sohn
das Gebet Raddiſch und befahl ihm, es alle
Tage fuͤr ſeinen Vater zu beten. Bald nachher er-
ſchien dem Rabbi der Verſtorbene im Traum, dankte
ihm herzlich, und erzaͤhlte ihm, daß er jetzt aus
dem Fegefeuer erloͤst ſey. Rabbi Akkiba geſegneten
Andenkens unterließ nicht, dies augenblicklich an
alle juͤdiſche Schulen zu berichten, und zu verord-
nen, daß jeder Sohn das Gebet Raddiſch fuͤr ſei-
nen Vater beten ſoll. Wer keinen Sohn hinter-
laͤßt, fuͤr den betet an den Sabbathen und Feier-
tagen die ganze Gemeinde *). Weil aber blos die
*) M. ſ. das talmudiſche Buch Callach.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/265>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.