sey, dem Geist durch einen Bann auszufahren, und zwar durch kein andres Glied, als durch die kleine Zehe des linken Fußes, weil nemlich das Glied, durch welches ein solcher Geist ausfährt, ganz ver- dorben und unbrauchbar wird. Da schwoll die kleine Zehe der Wittwe so dick auf, wie eine große Rübe, und der Geist fuhr aus, und entflohe. Nachher kam er jedoch viele Nächte durch die Fen- ster und Thüren des Hauses, um die Frau zu er- schrecken; deshalb giengen ihre Verwandten wieder zu dem weisen Rabbi Jsaak Lurja, dessen Ruhe das Paradies sey, und er schickte augenblicklich sei- nen Jünger, den Rabbi Chajim gesegneten Anden- kens hin, um zu sehen, ob die Mesusa *) richtig sey oder nicht? Der Rabbi fand aber gar keine Mesusa über der Thüre und befahl daher, daß au- genblicklich eine Mesusa angeheftet würde. Von dem Augenblick an kam der Geist nicht wieder."
Viele meiner Leser mögen vielleicht über diese Geschichte lächeln; übrigens hat sie, nach meiner Ansicht, eben so viel Glaubwürdigkeit, als manche andre Erzählung ähnlicher Art, die wir nicht be- zweifeln. Ein Jude erzählt sie, zu Jerusalem hat
*)Mesusa heißt ein Stück Pergament, worauf die Worte 5 B. Mos. Kap. 6. V. 4. bis 9. und Kap. 11. V. 13 -- 20. geschrieben sind, und welches an die Thüren befestigt, theils um böse Geister abzu- halten, theils um den Juden zur Erinnerung an ihr Gesetz zu dienen.
ſey, dem Geiſt durch einen Bann auszufahren, und zwar durch kein andres Glied, als durch die kleine Zehe des linken Fußes, weil nemlich das Glied, durch welches ein ſolcher Geiſt ausfaͤhrt, ganz ver- dorben und unbrauchbar wird. Da ſchwoll die kleine Zehe der Wittwe ſo dick auf, wie eine große Ruͤbe, und der Geiſt fuhr aus, und entflohe. Nachher kam er jedoch viele Naͤchte durch die Fen- ſter und Thuͤren des Hauſes, um die Frau zu er- ſchrecken; deshalb giengen ihre Verwandten wieder zu dem weiſen Rabbi Jſaak Lurja, deſſen Ruhe das Paradies ſey, und er ſchickte augenblicklich ſei- nen Juͤnger, den Rabbi Chajim geſegneten Anden- kens hin, um zu ſehen, ob die Meſuſa *) richtig ſey oder nicht? Der Rabbi fand aber gar keine Meſuſa uͤber der Thuͤre und befahl daher, daß au- genblicklich eine Meſuſa angeheftet wuͤrde. Von dem Augenblick an kam der Geiſt nicht wieder.«
Viele meiner Leſer moͤgen vielleicht uͤber dieſe Geſchichte laͤcheln; uͤbrigens hat ſie, nach meiner Anſicht, eben ſo viel Glaubwuͤrdigkeit, als manche andre Erzaͤhlung aͤhnlicher Art, die wir nicht be- zweifeln. Ein Jude erzaͤhlt ſie, zu Jeruſalem hat
*)Meſuſa heißt ein Stuͤck Pergament, worauf die Worte 5 B. Moſ. Kap. 6. V. 4. bis 9. und Kap. 11. V. 13 — 20. geſchrieben ſind, und welches an die Thuͤren befeſtigt, theils um boͤſe Geiſter abzu- halten, theils um den Juden zur Erinnerung an ihr Geſetz zu dienen.
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ſey, dem Geiſt durch einen Bann auszufahren, und
zwar durch kein andres Glied, als durch die kleine
Zehe des linken Fußes, weil nemlich das Glied,
durch welches ein ſolcher Geiſt ausfaͤhrt, ganz ver-
dorben und unbrauchbar wird. Da ſchwoll die
kleine Zehe der Wittwe ſo dick auf, wie eine große
Ruͤbe, und der Geiſt fuhr aus, und entflohe.
Nachher kam er jedoch viele Naͤchte durch die Fen-
ſter und Thuͤren des Hauſes, um die Frau zu er-
ſchrecken; deshalb giengen ihre Verwandten wieder
zu dem weiſen Rabbi Jſaak Lurja, deſſen Ruhe
das Paradies ſey, und er ſchickte augenblicklich ſei-
nen Juͤnger, den Rabbi Chajim geſegneten Anden-
kens hin, um zu ſehen, ob die Meſuſa *) richtig
ſey oder nicht? Der Rabbi fand aber gar keine
Meſuſa uͤber der Thuͤre und befahl daher, daß au-
genblicklich eine Meſuſa angeheftet wuͤrde. Von
dem Augenblick an kam der Geiſt nicht wieder.«
Viele meiner Leſer moͤgen vielleicht uͤber dieſe
Geſchichte laͤcheln; uͤbrigens hat ſie, nach meiner
Anſicht, eben ſo viel Glaubwuͤrdigkeit, als manche
andre Erzaͤhlung aͤhnlicher Art, die wir nicht be-
zweifeln. Ein Jude erzaͤhlt ſie, zu Jeruſalem hat
*) Meſuſa heißt ein Stuͤck Pergament, worauf die
Worte 5 B. Moſ. Kap. 6. V. 4. bis 9. und Kap.
11. V. 13 — 20. geſchrieben ſind, und welches an
die Thuͤren befeſtigt, theils um boͤſe Geiſter abzu-
halten, theils um den Juden zur Erinnerung an
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/260>, abgerufen am 16.07.2024.
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