Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Und siehe, die Getreidefelder aller übrigen Menschen
wurden durch den Hagel verheert, aber seines ward
verschont. Jm andern Jahre begab er sich wieder
zu dem Grabe der todten Schwätzerinnen. Da
sprach eine zu der andern: Komm, meine Gesellin,
laß uns ein wenig in der Welt umher laufen, und
hinter dem Vorhange Gottes lauschen, welche
Strafe den Menschen in diesem Jahre bevorsteht.
Meine Gesellin, erwiederte jene, du weißt ja, daß
ich unter einer Schilfdecke liege. Jch kann nicht
mitgehen. Aber laufe du hin, und berichte mir Al-
les, was du erfährst. Die erstere gieng, und als
sie zurück kam, fragte ihre Gesellin, was sie ver-
nommen? Jch hörte, sprach sie, daß alles Ge-
treide, was man beim zweiten Regen *) säen wür-
de, vom Brande würde angesteckt werden. Der
fromme Horcher kehrte darauf zurück, und säete
beim ersten Regen. Als nun das Korn aller an-
dern Menschen vom Brande befallen ward, aber
nicht das seinige, wunderte sich sein Weib, und
sprach: Lieber, sage mir, wie kömmt es, daß im
vorigen Jahr das Getreide aller andern Leute vom
Hagel verheert ward, und nicht das Deinige, und
daß auch in diesem Jahr alles andre Korn, und
nicht das Deinige, vom Brande befallen ward?
Da erzählte er ihr Alles, was er gehört und ge-

*) Dieser fällt, nach talmudischer Rechnung, am 23.
Oktober.

Und ſiehe, die Getreidefelder aller uͤbrigen Menſchen
wurden durch den Hagel verheert, aber ſeines ward
verſchont. Jm andern Jahre begab er ſich wieder
zu dem Grabe der todten Schwaͤtzerinnen. Da
ſprach eine zu der andern: Komm, meine Geſellin,
laß uns ein wenig in der Welt umher laufen, und
hinter dem Vorhange Gottes lauſchen, welche
Strafe den Menſchen in dieſem Jahre bevorſteht.
Meine Geſellin, erwiederte jene, du weißt ja, daß
ich unter einer Schilfdecke liege. Jch kann nicht
mitgehen. Aber laufe du hin, und berichte mir Al-
les, was du erfaͤhrſt. Die erſtere gieng, und als
ſie zuruͤck kam, fragte ihre Geſellin, was ſie ver-
nommen? Jch hoͤrte, ſprach ſie, daß alles Ge-
treide, was man beim zweiten Regen *) ſaͤen wuͤr-
de, vom Brande wuͤrde angeſteckt werden. Der
fromme Horcher kehrte darauf zuruͤck, und ſaͤete
beim erſten Regen. Als nun das Korn aller an-
dern Menſchen vom Brande befallen ward, aber
nicht das ſeinige, wunderte ſich ſein Weib, und
ſprach: Lieber, ſage mir, wie koͤmmt es, daß im
vorigen Jahr das Getreide aller andern Leute vom
Hagel verheert ward, und nicht das Deinige, und
daß auch in dieſem Jahr alles andre Korn, und
nicht das Deinige, vom Brande befallen ward?
Da erzaͤhlte er ihr Alles, was er gehoͤrt und ge-

*) Dieſer faͤllt, nach talmudiſcher Rechnung, am 23.
Oktober.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0224" n="190"/>
Und &#x017F;iehe, die Getreidefelder aller u&#x0364;brigen Men&#x017F;chen<lb/>
wurden durch den Hagel verheert, aber &#x017F;eines ward<lb/>
ver&#x017F;chont. Jm andern Jahre begab er &#x017F;ich wieder<lb/>
zu dem Grabe der todten Schwa&#x0364;tzerinnen. Da<lb/>
&#x017F;prach eine zu der andern: Komm, meine Ge&#x017F;ellin,<lb/>
laß uns ein wenig in der Welt umher laufen, und<lb/>
hinter dem Vorhange Gottes lau&#x017F;chen, welche<lb/>
Strafe den Men&#x017F;chen in die&#x017F;em Jahre bevor&#x017F;teht.<lb/>
Meine Ge&#x017F;ellin, erwiederte jene, du weißt ja, daß<lb/>
ich unter einer Schilfdecke liege. Jch kann nicht<lb/>
mitgehen. Aber laufe du hin, und berichte mir Al-<lb/>
les, was du erfa&#x0364;hr&#x017F;t. Die er&#x017F;tere gieng, und als<lb/>
&#x017F;ie zuru&#x0364;ck kam, fragte ihre Ge&#x017F;ellin, was &#x017F;ie ver-<lb/>
nommen? Jch ho&#x0364;rte, &#x017F;prach &#x017F;ie, daß alles Ge-<lb/>
treide, was man beim zweiten Regen <note place="foot" n="*)">Die&#x017F;er fa&#x0364;llt, nach talmudi&#x017F;cher Rechnung, am 23.<lb/>
Oktober.</note> &#x017F;a&#x0364;en wu&#x0364;r-<lb/>
de, vom Brande wu&#x0364;rde ange&#x017F;teckt werden. Der<lb/>
fromme Horcher kehrte darauf zuru&#x0364;ck, und &#x017F;a&#x0364;ete<lb/>
beim er&#x017F;ten Regen. Als nun das Korn aller an-<lb/>
dern Men&#x017F;chen vom Brande befallen ward, aber<lb/>
nicht das &#x017F;einige, wunderte &#x017F;ich &#x017F;ein Weib, und<lb/>
&#x017F;prach: Lieber, &#x017F;age mir, wie ko&#x0364;mmt es, daß im<lb/>
vorigen Jahr das Getreide aller andern Leute vom<lb/>
Hagel verheert ward, und nicht das Deinige, und<lb/>
daß auch in die&#x017F;em Jahr alles andre Korn, und<lb/>
nicht das Deinige, vom Brande befallen ward?<lb/>
Da erza&#x0364;hlte er ihr Alles, was er geho&#x0364;rt und ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0224] Und ſiehe, die Getreidefelder aller uͤbrigen Menſchen wurden durch den Hagel verheert, aber ſeines ward verſchont. Jm andern Jahre begab er ſich wieder zu dem Grabe der todten Schwaͤtzerinnen. Da ſprach eine zu der andern: Komm, meine Geſellin, laß uns ein wenig in der Welt umher laufen, und hinter dem Vorhange Gottes lauſchen, welche Strafe den Menſchen in dieſem Jahre bevorſteht. Meine Geſellin, erwiederte jene, du weißt ja, daß ich unter einer Schilfdecke liege. Jch kann nicht mitgehen. Aber laufe du hin, und berichte mir Al- les, was du erfaͤhrſt. Die erſtere gieng, und als ſie zuruͤck kam, fragte ihre Geſellin, was ſie ver- nommen? Jch hoͤrte, ſprach ſie, daß alles Ge- treide, was man beim zweiten Regen *) ſaͤen wuͤr- de, vom Brande wuͤrde angeſteckt werden. Der fromme Horcher kehrte darauf zuruͤck, und ſaͤete beim erſten Regen. Als nun das Korn aller an- dern Menſchen vom Brande befallen ward, aber nicht das ſeinige, wunderte ſich ſein Weib, und ſprach: Lieber, ſage mir, wie koͤmmt es, daß im vorigen Jahr das Getreide aller andern Leute vom Hagel verheert ward, und nicht das Deinige, und daß auch in dieſem Jahr alles andre Korn, und nicht das Deinige, vom Brande befallen ward? Da erzaͤhlte er ihr Alles, was er gehoͤrt und ge- *) Dieſer faͤllt, nach talmudiſcher Rechnung, am 23. Oktober.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/224
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/224>, abgerufen am 24.11.2024.