Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Raf und Rabbi Nachman waren, wie
Salomon Jarchi berichtet, zwar beide verheirathet;
wenn sie aber auf kurze Zeit verreisten, so ließen
sie in den Städten, wo sie ankamen, öffentlich
ausrufen: Wer auf einige Tage ihre Frau seyn
wolle?

Am meisten zeichnete sich in dieser Hinsicht der
Rabbi Elieser, einer der größten Talmudisten aus,
und ward dafür auch von dem Himmel auf das
glänzendste belohnt. Nach dem talmudischen Buche
Avoda Sara ließ er keine barmherzige Schwester
gehen, ohne mit ihr seine Andacht zu verrichten.
Einst vernahm er, daß in einer Seestadt eine sol-
che Heilige wäre, die aber nur für eine große Kiste
voll Gold seine Wünsche befriedigen würde. Der
fromme Mann machte sich also, mit einer solchen
Kiste belastet, auf, und gieng über sieben große
Flüße. Endlich langte er bei der Schönen an, die
ihn natürlich mit Entzücken empfieng. Während sei-
ner Huldigungen entfuhr ihr aber leider etwas
Menschliches. Da schlug der Rabbi in sich und
sprach: So gewiß dieser Wind nicht wieder an sei-
nen Ort kömmt, so gewiß wird der Rabbi Elieser,
des Dordoja Sohn, keine Barmherzigkeit bei Gott
erlangen. Hierauf setzte er sich zwischen zwei Ber-
ge und zwei Hügel und rief: Jhr Berge und
Hügel bittet um Gnade für mich. Sie aber ant-
worteten ihm: Lieber wollen wir für uns selbst be-
ten, denn es stehet geschrieben Jesaias 54. V. 10.

Der Raf und Rabbi Nachman waren, wie
Salomon Jarchi berichtet, zwar beide verheirathet;
wenn ſie aber auf kurze Zeit verreisten, ſo ließen
ſie in den Staͤdten, wo ſie ankamen, oͤffentlich
ausrufen: Wer auf einige Tage ihre Frau ſeyn
wolle?

Am meiſten zeichnete ſich in dieſer Hinſicht der
Rabbi Elieſer, einer der groͤßten Talmudiſten aus,
und ward dafuͤr auch von dem Himmel auf das
glaͤnzendſte belohnt. Nach dem talmudiſchen Buche
Avoda Sara ließ er keine barmherzige Schweſter
gehen, ohne mit ihr ſeine Andacht zu verrichten.
Einſt vernahm er, daß in einer Seeſtadt eine ſol-
che Heilige waͤre, die aber nur fuͤr eine große Kiſte
voll Gold ſeine Wuͤnſche befriedigen wuͤrde. Der
fromme Mann machte ſich alſo, mit einer ſolchen
Kiſte belaſtet, auf, und gieng uͤber ſieben große
Fluͤße. Endlich langte er bei der Schoͤnen an, die
ihn natuͤrlich mit Entzuͤcken empfieng. Waͤhrend ſei-
ner Huldigungen entfuhr ihr aber leider etwas
Menſchliches. Da ſchlug der Rabbi in ſich und
ſprach: So gewiß dieſer Wind nicht wieder an ſei-
nen Ort koͤmmt, ſo gewiß wird der Rabbi Elieſer,
des Dordoja Sohn, keine Barmherzigkeit bei Gott
erlangen. Hierauf ſetzte er ſich zwiſchen zwei Ber-
ge und zwei Huͤgel und rief: Jhr Berge und
Huͤgel bittet um Gnade fuͤr mich. Sie aber ant-
worteten ihm: Lieber wollen wir fuͤr uns ſelbſt be-
ten, denn es ſtehet geſchrieben Jeſaias 54. V. 10.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0132" n="98"/>
        <p>Der Raf und Rabbi Nachman waren, wie<lb/>
Salomon Jarchi berichtet, zwar beide verheirathet;<lb/>
wenn &#x017F;ie aber auf kurze Zeit verreisten, &#x017F;o ließen<lb/>
&#x017F;ie in den Sta&#x0364;dten, wo &#x017F;ie ankamen, o&#x0364;ffentlich<lb/>
ausrufen: Wer auf einige Tage ihre Frau &#x017F;eyn<lb/>
wolle?</p><lb/>
        <p>Am mei&#x017F;ten zeichnete &#x017F;ich in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht der<lb/>
Rabbi Elie&#x017F;er, einer der gro&#x0364;ßten Talmudi&#x017F;ten aus,<lb/>
und ward dafu&#x0364;r auch von dem Himmel auf das<lb/>
gla&#x0364;nzend&#x017F;te belohnt. Nach dem talmudi&#x017F;chen Buche<lb/>
Avoda Sara ließ er keine barmherzige Schwe&#x017F;ter<lb/>
gehen, ohne mit ihr &#x017F;eine Andacht zu verrichten.<lb/>
Ein&#x017F;t vernahm er, daß in einer See&#x017F;tadt eine &#x017F;ol-<lb/>
che Heilige wa&#x0364;re, die aber nur fu&#x0364;r eine große Ki&#x017F;te<lb/>
voll Gold &#x017F;eine Wu&#x0364;n&#x017F;che befriedigen wu&#x0364;rde. Der<lb/>
fromme Mann machte &#x017F;ich al&#x017F;o, mit einer &#x017F;olchen<lb/>
Ki&#x017F;te bela&#x017F;tet, auf, und gieng u&#x0364;ber &#x017F;ieben große<lb/>
Flu&#x0364;ße. Endlich langte er bei der Scho&#x0364;nen an, die<lb/>
ihn natu&#x0364;rlich mit Entzu&#x0364;cken empfieng. Wa&#x0364;hrend &#x017F;ei-<lb/>
ner Huldigungen entfuhr ihr aber leider etwas<lb/>
Men&#x017F;chliches. Da &#x017F;chlug der Rabbi in &#x017F;ich und<lb/>
&#x017F;prach: So gewiß die&#x017F;er Wind nicht wieder an &#x017F;ei-<lb/>
nen Ort ko&#x0364;mmt, &#x017F;o gewiß wird der Rabbi Elie&#x017F;er,<lb/>
des Dordoja Sohn, keine Barmherzigkeit bei Gott<lb/>
erlangen. Hierauf &#x017F;etzte er &#x017F;ich zwi&#x017F;chen zwei Ber-<lb/>
ge und zwei Hu&#x0364;gel und rief: Jhr Berge und<lb/>
Hu&#x0364;gel bittet um Gnade fu&#x0364;r mich. Sie aber ant-<lb/>
worteten ihm: Lieber wollen wir fu&#x0364;r uns &#x017F;elb&#x017F;t be-<lb/>
ten, denn es &#x017F;tehet ge&#x017F;chrieben Je&#x017F;aias 54. V. 10.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0132] Der Raf und Rabbi Nachman waren, wie Salomon Jarchi berichtet, zwar beide verheirathet; wenn ſie aber auf kurze Zeit verreisten, ſo ließen ſie in den Staͤdten, wo ſie ankamen, oͤffentlich ausrufen: Wer auf einige Tage ihre Frau ſeyn wolle? Am meiſten zeichnete ſich in dieſer Hinſicht der Rabbi Elieſer, einer der groͤßten Talmudiſten aus, und ward dafuͤr auch von dem Himmel auf das glaͤnzendſte belohnt. Nach dem talmudiſchen Buche Avoda Sara ließ er keine barmherzige Schweſter gehen, ohne mit ihr ſeine Andacht zu verrichten. Einſt vernahm er, daß in einer Seeſtadt eine ſol- che Heilige waͤre, die aber nur fuͤr eine große Kiſte voll Gold ſeine Wuͤnſche befriedigen wuͤrde. Der fromme Mann machte ſich alſo, mit einer ſolchen Kiſte belaſtet, auf, und gieng uͤber ſieben große Fluͤße. Endlich langte er bei der Schoͤnen an, die ihn natuͤrlich mit Entzuͤcken empfieng. Waͤhrend ſei- ner Huldigungen entfuhr ihr aber leider etwas Menſchliches. Da ſchlug der Rabbi in ſich und ſprach: So gewiß dieſer Wind nicht wieder an ſei- nen Ort koͤmmt, ſo gewiß wird der Rabbi Elieſer, des Dordoja Sohn, keine Barmherzigkeit bei Gott erlangen. Hierauf ſetzte er ſich zwiſchen zwei Ber- ge und zwei Huͤgel und rief: Jhr Berge und Huͤgel bittet um Gnade fuͤr mich. Sie aber ant- worteten ihm: Lieber wollen wir fuͤr uns ſelbſt be- ten, denn es ſtehet geſchrieben Jeſaias 54. V. 10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/132
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/132>, abgerufen am 22.11.2024.