Die praktische Kabbala endlich besteht in der Anwendung biblischer Worte, Sprüche und Benennungen Gottes oder der Engel zur vermeint- lichen Bewirkung übernatürlicher Dinge. Sie ist bei den Juden eben so beliebt, wie bei den Christen ehemals das Segensprechen, Sieblaufen, Stillen, Teufelaustreiben und dergleichen Possen. Wenn man Abrahams wahrhaftem Saamen trauen darf, so kann mittelst dieser Kabbala auch das Unmög- lichste möglich gemacht werden. Die Wunder des Moses in Aegypten, das Stillestehen der Sonne auf Josua's Gebot, das Feuer, welches Elias vom Himmel fallen ließ, und alle jene übernatürlichen Ereignisse, an denen das alte Testament so reich ist, wurden nach den Versicherungen der jüdischen Kabbalisten, durch diesen Zweig der Kabbala be- wirkt. Schon Adam verstand sich darauf, und lernte diese Kunst aus einem Buche, welches der Engel Rasiel auf Gottes Befehl ihm vom Himmel brachte. Die himmlischen Heerschaaren selbst waren so neugierig, daß sie zu Vater Adam herabkamen, und bei ihm in die Schule gehen wollten. Gott verbot es ihm aber, sie in dieser Weisheit zu un- terrichten. Nach dem Sündenfalle flog das köstliche Buch in den Himmel zurück, worüber Adam un- tröstlich war, und so lange weinte und Buße that, bis Gott es ihm durch den Engel Raphael wieder- geben ließ. Von Adam ward es auf Seth, von diesem auf Enoch und so weiter vererbt, bis es im
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Die praktiſche Kabbala endlich beſteht in der Anwendung bibliſcher Worte, Spruͤche und Benennungen Gottes oder der Engel zur vermeint- lichen Bewirkung uͤbernatuͤrlicher Dinge. Sie iſt bei den Juden eben ſo beliebt, wie bei den Chriſten ehemals das Segenſprechen, Sieblaufen, Stillen, Teufelaustreiben und dergleichen Poſſen. Wenn man Abrahams wahrhaftem Saamen trauen darf, ſo kann mittelſt dieſer Kabbala auch das Unmoͤg- lichſte moͤglich gemacht werden. Die Wunder des Moſes in Aegypten, das Stilleſtehen der Sonne auf Joſua’s Gebot, das Feuer, welches Elias vom Himmel fallen ließ, und alle jene uͤbernatuͤrlichen Ereigniſſe, an denen das alte Teſtament ſo reich iſt, wurden nach den Verſicherungen der juͤdiſchen Kabbaliſten, durch dieſen Zweig der Kabbala be- wirkt. Schon Adam verſtand ſich darauf, und lernte dieſe Kunſt aus einem Buche, welches der Engel Raſiel auf Gottes Befehl ihm vom Himmel brachte. Die himmliſchen Heerſchaaren ſelbſt waren ſo neugierig, daß ſie zu Vater Adam herabkamen, und bei ihm in die Schule gehen wollten. Gott verbot es ihm aber, ſie in dieſer Weisheit zu un- terrichten. Nach dem Suͤndenfalle flog das koͤſtliche Buch in den Himmel zuruͤck, woruͤber Adam un- troͤſtlich war, und ſo lange weinte und Buße that, bis Gott es ihm durch den Engel Raphael wieder- geben ließ. Von Adam ward es auf Seth, von dieſem auf Enoch und ſo weiter vererbt, bis es im
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Die praktiſche Kabbala endlich beſteht in
der Anwendung bibliſcher Worte, Spruͤche und
Benennungen Gottes oder der Engel zur vermeint-
lichen Bewirkung uͤbernatuͤrlicher Dinge. Sie iſt
bei den Juden eben ſo beliebt, wie bei den Chriſten
ehemals das Segenſprechen, Sieblaufen, Stillen,
Teufelaustreiben und dergleichen Poſſen. Wenn
man Abrahams wahrhaftem Saamen trauen darf,
ſo kann mittelſt dieſer Kabbala auch das Unmoͤg-
lichſte moͤglich gemacht werden. Die Wunder des
Moſes in Aegypten, das Stilleſtehen der Sonne
auf Joſua’s Gebot, das Feuer, welches Elias vom
Himmel fallen ließ, und alle jene uͤbernatuͤrlichen
Ereigniſſe, an denen das alte Teſtament ſo reich
iſt, wurden nach den Verſicherungen der juͤdiſchen
Kabbaliſten, durch dieſen Zweig der Kabbala be-
wirkt. Schon Adam verſtand ſich darauf, und
lernte dieſe Kunſt aus einem Buche, welches der
Engel Raſiel auf Gottes Befehl ihm vom Himmel
brachte. Die himmliſchen Heerſchaaren ſelbſt waren
ſo neugierig, daß ſie zu Vater Adam herabkamen,
und bei ihm in die Schule gehen wollten. Gott
verbot es ihm aber, ſie in dieſer Weisheit zu un-
terrichten. Nach dem Suͤndenfalle flog das koͤſtliche
Buch in den Himmel zuruͤck, woruͤber Adam un-
troͤſtlich war, und ſo lange weinte und Buße that,
bis Gott es ihm durch den Engel Raphael wieder-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/117>, abgerufen am 22.11.2024.
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