Alle drei Zweige der buchstäblichen oder symbo- lischen Kabbala haben eine künstliche Auslegung der heiligen Schrift durch Spielereien mit Buchstaben, Wörtern und Zahlen zum Gegenstande. Wir be- trachten zuerst die geometrische Kabbala (Ge- matria).
Bekanntlich gebrauchen die Hebräer ihre Buch- staben zugleich als Zahlen, und dies gab ihnen Gelegenheit zu manchen Auslegungen der heiligen Schrift, die man in dem eigentlichen Sinn der Worte nicht findet. Weil z. B. 1 B. Mos. Kap. 1. V. 1 der Buchstabe Aleph, welcher tausend bedeu- tet sechsmal, und im zweiten Buche der Chronica Kap. 36. V. 23 wiederum sechsmal vorkömmt, so schließen sie: die Welt, welche nach der jüdischen Mythologie in sechs Tagen erschaffen worden, wer- de sechstausend Jahre stehen. Ferner sehen sie bei dieser Art der Kabbala auf die Größe und Lage der Büchstaben, welche sie Zuriith nennen; oft ist nämlich im hebräischen Text ein Buchstabe größer, als der andere geschrieben, und daraus wird dann gleichfalls eine geheime Deutung gemacht. So wie man die Buchstaben, dort wo sie dem Verstande nach, blos Buchstaben vorstellen sollen, für Zahlen nimmt; so betrachtet man sie im umgekehrten Falle dort, wo sie als Zeichen von Zahlen stehen, wie- derum als Buchstaben, und auf diese Weise bildet
Alle drei Zweige der buchſtaͤblichen oder ſymbo- liſchen Kabbala haben eine kuͤnſtliche Auslegung der heiligen Schrift durch Spielereien mit Buchſtaben, Woͤrtern und Zahlen zum Gegenſtande. Wir be- trachten zuerſt die geometriſche Kabbala (Ge- matria).
Bekanntlich gebrauchen die Hebraͤer ihre Buch- ſtaben zugleich als Zahlen, und dies gab ihnen Gelegenheit zu manchen Auslegungen der heiligen Schrift, die man in dem eigentlichen Sinn der Worte nicht findet. Weil z. B. 1 B. Moſ. Kap. 1. V. 1 der Buchſtabe Aleph, welcher tauſend bedeu- tet ſechsmal, und im zweiten Buche der Chronica Kap. 36. V. 23 wiederum ſechsmal vorkoͤmmt, ſo ſchließen ſie: die Welt, welche nach der juͤdiſchen Mythologie in ſechs Tagen erſchaffen worden, wer- de ſechstauſend Jahre ſtehen. Ferner ſehen ſie bei dieſer Art der Kabbala auf die Groͤße und Lage der Buͤchſtaben, welche ſie Zuriith nennen; oft iſt naͤmlich im hebraͤiſchen Text ein Buchſtabe groͤßer, als der andere geſchrieben, und daraus wird dann gleichfalls eine geheime Deutung gemacht. So wie man die Buchſtaben, dort wo ſie dem Verſtande nach, blos Buchſtaben vorſtellen ſollen, fuͤr Zahlen nimmt; ſo betrachtet man ſie im umgekehrten Falle dort, wo ſie als Zeichen von Zahlen ſtehen, wie- derum als Buchſtaben, und auf dieſe Weiſe bildet
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0109"n="75"/><p>Alle drei Zweige der buchſtaͤblichen oder ſymbo-<lb/>
liſchen Kabbala haben eine kuͤnſtliche Auslegung der<lb/>
heiligen Schrift durch Spielereien mit Buchſtaben,<lb/>
Woͤrtern und Zahlen zum Gegenſtande. Wir be-<lb/>
trachten zuerſt die <hirendition="#g">geometriſche</hi> Kabbala (Ge-<lb/>
matria).</p><lb/><p>Bekanntlich gebrauchen die Hebraͤer ihre Buch-<lb/>ſtaben zugleich als Zahlen, und dies gab ihnen<lb/>
Gelegenheit zu manchen Auslegungen der heiligen<lb/>
Schrift, die man in dem eigentlichen Sinn der<lb/>
Worte nicht findet. Weil z. B. 1 B. Moſ. Kap. 1.<lb/>
V. 1 der Buchſtabe Aleph, welcher tauſend bedeu-<lb/>
tet ſechsmal, und im zweiten Buche der Chronica<lb/>
Kap. 36. V. 23 wiederum ſechsmal vorkoͤmmt, ſo<lb/>ſchließen ſie: die Welt, welche nach der juͤdiſchen<lb/>
Mythologie in ſechs Tagen erſchaffen worden, wer-<lb/>
de ſechstauſend Jahre ſtehen. Ferner ſehen ſie bei<lb/>
dieſer Art der Kabbala auf die Groͤße und Lage<lb/>
der Buͤchſtaben, welche ſie <hirendition="#g">Zuriith</hi> nennen; oft<lb/>
iſt naͤmlich im hebraͤiſchen Text ein Buchſtabe groͤßer,<lb/>
als der andere geſchrieben, und daraus wird dann<lb/>
gleichfalls eine geheime Deutung gemacht. So wie<lb/>
man die Buchſtaben, dort wo ſie dem Verſtande<lb/>
nach, blos Buchſtaben vorſtellen ſollen, fuͤr Zahlen<lb/>
nimmt; ſo betrachtet man ſie im umgekehrten Falle<lb/>
dort, wo ſie als Zeichen von Zahlen ſtehen, wie-<lb/>
derum als Buchſtaben, und auf dieſe Weiſe bildet<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0109]
Alle drei Zweige der buchſtaͤblichen oder ſymbo-
liſchen Kabbala haben eine kuͤnſtliche Auslegung der
heiligen Schrift durch Spielereien mit Buchſtaben,
Woͤrtern und Zahlen zum Gegenſtande. Wir be-
trachten zuerſt die geometriſche Kabbala (Ge-
matria).
Bekanntlich gebrauchen die Hebraͤer ihre Buch-
ſtaben zugleich als Zahlen, und dies gab ihnen
Gelegenheit zu manchen Auslegungen der heiligen
Schrift, die man in dem eigentlichen Sinn der
Worte nicht findet. Weil z. B. 1 B. Moſ. Kap. 1.
V. 1 der Buchſtabe Aleph, welcher tauſend bedeu-
tet ſechsmal, und im zweiten Buche der Chronica
Kap. 36. V. 23 wiederum ſechsmal vorkoͤmmt, ſo
ſchließen ſie: die Welt, welche nach der juͤdiſchen
Mythologie in ſechs Tagen erſchaffen worden, wer-
de ſechstauſend Jahre ſtehen. Ferner ſehen ſie bei
dieſer Art der Kabbala auf die Groͤße und Lage
der Buͤchſtaben, welche ſie Zuriith nennen; oft
iſt naͤmlich im hebraͤiſchen Text ein Buchſtabe groͤßer,
als der andere geſchrieben, und daraus wird dann
gleichfalls eine geheime Deutung gemacht. So wie
man die Buchſtaben, dort wo ſie dem Verſtande
nach, blos Buchſtaben vorſtellen ſollen, fuͤr Zahlen
nimmt; ſo betrachtet man ſie im umgekehrten Falle
dort, wo ſie als Zeichen von Zahlen ſtehen, wie-
derum als Buchſtaben, und auf dieſe Weiſe bildet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/109>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.