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Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444.

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ten. Ueberdieß ist gerade auf Cuba die Hize bis September
und October am bösesten. Diese Zeit bringen wir hier in
der kühlern und gesundern Luft (man darf hier sogar im
Freiem des Nachts schlafen) zu. Wir haben für 20 Pia-
ster monatlich ein ganz neues freundliches Haus gemiethet,
nebst zwei Negerinnen, wovon eine kocht. An Essen fehlt
es hier nicht; leider existirt jezt kein Mehl, Brod, oder
Zwibakähnliches. Die Stadt liegt halb in Schutt; denn
dasselbe Erdbeben in Quito, das berühmte von 1797, hat
auch Cumana umgestürzt. Die Stadt liegt an einem Meerbu-
sen, schön wie der von Toulon, hinter einem Amphitheater
5-8000 Fuß hoher Berge, dik mit Wald bewachsen.
Alle Häuser sind von weissem China-Baum, und Atlasholz
gebauet. Längs dem Flüßchen (Rio di Cumana), wie die
Saale bei Jena, 7 Klöster und Plantagen, die wahren engli-
schen Gärten gleichen; ausser der Stadt sind die Kupfermi-
nen, von denen die Männer alle fast nakt gehen. Die Hüt-
ten sind von Bambusrohr mit Cocusblättern bedekt. Ich
gieng in eine. Die Mutter saß mit den Kindern statt auf
Stühlen, auf Corallenstämmen, die das Meer auswirft. Je-
des hatte Cocusschalen statt der Teller vor sich, aus denen
sie Fische aßen. Die Plantagen sind alle offen; man geht
frei ein und aus. In den meisten Häusern stehen des Nachts
die Thüren offen. So gutmüthig ist das Volk. Auch sind
hier mehr ächte Hindus, wie Neger. Welche Bäume! Co-
cuspalmen, 50-60 Fuß hoh! Toniciana pulcherrima mit
1 Fuß hohem Strauß der prachtvollen hohrothen Blüthen!
Pisang und eine Schaar von Bäumen mit ungeheuren Blät-

tern

ten. Ueberdieß iſt gerade auf Cuba die Hize bis September
und October am böſeſten. Dieſe Zeit bringen wir hier in
der kühlern und geſundern Luft (man darf hier ſogar im
Freiem des Nachts ſchlafen) zu. Wir haben für 20 Pia-
ſter monatlich ein ganz neues freundliches Haus gemiethet,
nebſt zwei Negerinnen, wovon eine kocht. An Eſſen fehlt
es hier nicht; leider exiſtirt jezt kein Mehl, Brod, oder
Zwibakähnliches. Die Stadt liegt halb in Schutt; denn
daſſelbe Erdbeben in Quito, das berühmte von 1797, hat
auch Cumana umgeſtürzt. Die Stadt liegt an einem Meerbu-
ſen, ſchön wie der von Toulon, hinter einem Amphitheater
5–8000 Fuß hoher Berge, dik mit Wald bewachſen.
Alle Häuſer ſind von weiſſem China-Baum, und Atlasholz
gebauet. Längs dem Flüßchen (Rio di Cumana), wie die
Saale bei Jena, 7 Klöſter und Plantagen, die wahren engli-
ſchen Gärten gleichen; auſſer der Stadt ſind die Kupfermi-
nen, von denen die Männer alle faſt nakt gehen. Die Hüt-
ten ſind von Bambusrohr mit Cocusblättern bedekt. Ich
gieng in eine. Die Mutter ſaß mit den Kindern ſtatt auf
Stühlen, auf Corallenſtämmen, die das Meer auswirft. Je-
des hatte Cocusſchalen ſtatt der Teller vor ſich, aus denen
ſie Fiſche aßen. Die Plantagen ſind alle offen; man geht
frei ein und aus. In den meiſten Häuſern ſtehen des Nachts
die Thüren offen. So gutmüthig iſt das Volk. Auch ſind
hier mehr ächte Hindus, wie Neger. Welche Bäume! Co-
cuspalmen, 50–60 Fuß hoh! Toniciana pulcherrima mit
1 Fuß hohem Strauß der prachtvollen hohrothen Blüthen!
Piſang und eine Schaar von Bäumen mit ungeheuren Blät-

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[442/0006] ten. Ueberdieß iſt gerade auf Cuba die Hize bis September und October am böſeſten. Dieſe Zeit bringen wir hier in der kühlern und geſundern Luft (man darf hier ſogar im Freiem des Nachts ſchlafen) zu. Wir haben für 20 Pia- ſter monatlich ein ganz neues freundliches Haus gemiethet, nebſt zwei Negerinnen, wovon eine kocht. An Eſſen fehlt es hier nicht; leider exiſtirt jezt kein Mehl, Brod, oder Zwibakähnliches. Die Stadt liegt halb in Schutt; denn daſſelbe Erdbeben in Quito, das berühmte von 1797, hat auch Cumana umgeſtürzt. Die Stadt liegt an einem Meerbu- ſen, ſchön wie der von Toulon, hinter einem Amphitheater 5–8000 Fuß hoher Berge, dik mit Wald bewachſen. Alle Häuſer ſind von weiſſem China-Baum, und Atlasholz gebauet. Längs dem Flüßchen (Rio di Cumana), wie die Saale bei Jena, 7 Klöſter und Plantagen, die wahren engli- ſchen Gärten gleichen; auſſer der Stadt ſind die Kupfermi- nen, von denen die Männer alle faſt nakt gehen. Die Hüt- ten ſind von Bambusrohr mit Cocusblättern bedekt. Ich gieng in eine. Die Mutter ſaß mit den Kindern ſtatt auf Stühlen, auf Corallenſtämmen, die das Meer auswirft. Je- des hatte Cocusſchalen ſtatt der Teller vor ſich, aus denen ſie Fiſche aßen. Die Plantagen ſind alle offen; man geht frei ein und aus. In den meiſten Häuſern ſtehen des Nachts die Thüren offen. So gutmüthig iſt das Volk. Auch ſind hier mehr ächte Hindus, wie Neger. Welche Bäume! Co- cuspalmen, 50–60 Fuß hoh! Toniciana pulcherrima mit 1 Fuß hohem Strauß der prachtvollen hohrothen Blüthen! Piſang und eine Schaar von Bäumen mit ungeheuren Blät- tern

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444, hier S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_wilhelm_1800/6>, abgerufen am 27.11.2024.