Humboldt, Alexander von: Versuche und Beobachtungen über die grüne Farbe unterirrdischer Vegetabilien. In: Journal der Physik, Bd. 5, H. 2, (1792), S. 195-204.sukkulenten, die viel Zellgewebe haben*) (Cactus weit ausgebreiteten Tannen und Fichten-Wälder nicht dazu beitragen, den Abgang an Lebensluft, den die Atmosphäre in kalten Klimaten bey einer sonst so dürftigen Vegetation leidet, zu ersetzen? Sollten sie nicht im Winter besonders wirksam seyn, wo der Schnee alle andere Kräuter erstickt? *) und in denen das (von Botanikern so wenig beobach- tete) innnere Verhältniß zwischen festen und flüssi- gen Theilen so auffallend ist, gleichsam die Würmer unter den Pflanzen. **) Diese für die Atmosphäre so wohlthätigen Geschöpfe sind unter allen Pflanzenfamilien auch wahrscheinlich die zahlreichsten auf dem Erdboden. ***) Der Conferua riuularis wollte ich hier eben so wenig, als der sogenannten grünen Priestleyschen Materie (filmy matter) erwähnen, da beide wohl animalischer Natur seyn möchten. ****) Auffallend ist es immer, dass gerade diese beweg-
liche Pflanze das Hauchen der Stickluft mit den Thieren gemein hat; eine Aehnlichkeit, welche weder die Cerealien mit ihrer Phosphorsäure, ihrem thierischen Leim und ihrer Eiweissmaterie, noch die Tetradynamisten mit ihrem flüchtigen Laugensalze zei- gen. ſukkulenten, die viel Zellgewebe haben*) (Cactus weit ausgebreiteten Tannen und Fichten-Wälder nicht dazu beitragen, den Abgang an Lebensluft, den die Atmoſphäre in kalten Klimaten bey einer ſonſt ſo dürftigen Vegetation leidet, zu erſetzen? Sollten ſie nicht im Winter beſonders wirkſam ſeyn, wo der Schnee alle andere Kräuter erſtickt? *) und in denen das (von Botanikern ſo wenig beobach- tete) innnere Verhältniß zwiſchen feſten und flüſſi- gen Theilen ſo auffallend iſt, gleichſam die Würmer unter den Pflanzen. **) Dieſe für die Atmoſphäre ſo wohlthätigen Geſchöpfe ſind unter allen Pflanzenfamilien auch wahrſcheinlich die zahlreichſten auf dem Erdboden. ***) Der Conferua riuularis wollte ich hier eben ſo wenig, als der ſogenannten grünen Prieſtleyſchen Materie (filmy matter) erwähnen, da beide wohl animaliſcher Natur ſeyn möchten. ****) Auffallend iſt es immer, daſs gerade dieſe beweg-
liche Pflanze das Hauchen der Stickluft mit den Thieren gemein hat; eine Aehnlichkeit, welche weder die Cerealien mit ihrer Phosphorſäure, ihrem thieriſchen Leim und ihrer Eiweiſsmaterie, noch die Tetradynamiſten mit ihrem flüchtigen Laugenſalze zei- gen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0007" n="200"/> ſukkulenten, die viel Zellgewebe haben<note place="foot" n="*)"> und in denen das (von Botanikern ſo wenig beobach-<lb/> tete) innnere Verhältniß zwiſchen feſten und flüſſi-<lb/> gen Theilen ſo auffallend iſt, gleichſam die Würmer<lb/> unter den Pflanzen.<lb/></note> (<hi rendition="#i">Cactus<lb/> opuntia</hi>, <hi rendition="#i">Meſembrianthemum criſtallinum etc.</hi>) und bei<lb/> der weitläufigen Familie der Gräſer<note place="foot" n="**)">Dieſe für die Atmoſphäre ſo wohlthätigen Geſchöpfe<lb/> ſind unter allen Pflanzenfamilien auch wahrſcheinlich<lb/> die zahlreichſten auf dem Erdboden.<lb/></note> iſt dieſe<lb/> Menge am gröſsten. Selbſt unter den Pflanzen,<lb/> die wir mit dem ungerechten Namen der <hi rendition="#i">unvollkom-<lb/> menen</hi> belegen, giebt <hi rendition="#i">Tremella noctoe</hi><note place="foot" n="***)"> Der <hi rendition="#i">Conferua riuularis</hi> wollte ich hier eben ſo wenig,<lb/> als der ſogenannten <hi rendition="#i">grünen Prieſtleyſchen Materie</hi> (<hi rendition="#i">filmy<lb/> matter</hi>) erwähnen, da beide wohl animaliſcher Natur<lb/> ſeyn möchten.<lb/></note> etwas Le-<lb/> bensluft. Nur einige Gewächſe, als <hi rendition="#i">Ilex aquifolium</hi>,<lb/><hi rendition="#i">Hyſſopus officinalis</hi>, <hi rendition="#i">Mimoſa ſenſitiua</hi><note place="foot" n="****)">Auffallend iſt es immer, daſs gerade dieſe beweg-<lb/> liche Pflanze das Hauchen der Stickluft mit den<lb/> Thieren gemein hat; eine Aehnlichkeit, welche<lb/> weder die Cerealien mit ihrer Phosphorſäure, ihrem<lb/> thieriſchen Leim und ihrer Eiweiſsmaterie, noch die<lb/> Tetradynamiſten mit ihrem flüchtigen Laugenſalze zei-<lb/> gen.<lb/></note> <hi rendition="#i">etc.</hi> geben,<lb/> wie die Thiere, <hi rendition="#i">Stickluft</hi> von ſich. <hi rendition="#i">Verbleichende</hi> Ve-<lb/> getabilien, die dem Sonnenlicht entzogen ſind, (und<lb/> das iſt ſehr aufklärend) <hi rendition="#i">hören auf</hi>, <hi rendition="#i">Lebensluft zu<lb/> entwickeln</hi>. Eben dies thun ſolche, die durch ihr<lb/><note xml:id="fn1.1" prev="#fn1" place="foot" n="*)">weit ausgebreiteten Tannen und Fichten-Wälder nicht<lb/> dazu beitragen, den <choice><sic>Abgaug</sic><corr>Abgang</corr></choice> an Lebensluft, den die<lb/> Atmoſphäre in kalten Klimaten bey einer ſonſt ſo<lb/> dürftigen Vegetation leidet, zu erſetzen? Sollten<lb/> ſie nicht im Winter beſonders wirkſam ſeyn, wo der<lb/> Schnee alle andere Kräuter erſtickt?<lb/></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0007]
ſukkulenten, die viel Zellgewebe haben *) (Cactus
opuntia, Meſembrianthemum criſtallinum etc.) und bei
der weitläufigen Familie der Gräſer **) iſt dieſe
Menge am gröſsten. Selbſt unter den Pflanzen,
die wir mit dem ungerechten Namen der unvollkom-
menen belegen, giebt Tremella noctoe ***) etwas Le-
bensluft. Nur einige Gewächſe, als Ilex aquifolium,
Hyſſopus officinalis, Mimoſa ſenſitiua ****) etc. geben,
wie die Thiere, Stickluft von ſich. Verbleichende Ve-
getabilien, die dem Sonnenlicht entzogen ſind, (und
das iſt ſehr aufklärend) hören auf, Lebensluft zu
entwickeln. Eben dies thun ſolche, die durch ihr
*)
*) und in denen das (von Botanikern ſo wenig beobach-
tete) innnere Verhältniß zwiſchen feſten und flüſſi-
gen Theilen ſo auffallend iſt, gleichſam die Würmer
unter den Pflanzen.
**) Dieſe für die Atmoſphäre ſo wohlthätigen Geſchöpfe
ſind unter allen Pflanzenfamilien auch wahrſcheinlich
die zahlreichſten auf dem Erdboden.
***) Der Conferua riuularis wollte ich hier eben ſo wenig,
als der ſogenannten grünen Prieſtleyſchen Materie (filmy
matter) erwähnen, da beide wohl animaliſcher Natur
ſeyn möchten.
****) Auffallend iſt es immer, daſs gerade dieſe beweg-
liche Pflanze das Hauchen der Stickluft mit den
Thieren gemein hat; eine Aehnlichkeit, welche
weder die Cerealien mit ihrer Phosphorſäure, ihrem
thieriſchen Leim und ihrer Eiweiſsmaterie, noch die
Tetradynamiſten mit ihrem flüchtigen Laugenſalze zei-
gen.
*) weit ausgebreiteten Tannen und Fichten-Wälder nicht
dazu beitragen, den Abgang an Lebensluft, den die
Atmoſphäre in kalten Klimaten bey einer ſonſt ſo
dürftigen Vegetation leidet, zu erſetzen? Sollten
ſie nicht im Winter beſonders wirkſam ſeyn, wo der
Schnee alle andere Kräuter erſtickt?
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