Humboldt, Alexander von: Ueber den Syenit oder Pyrocilus der Alten. In: Neue Entdeckungen und Beobachtungen aus der Physik, Naturgeschichte und Oekonomie. Bd. 1 (1791), S. 134-138.und Plinius zurükführen. Die natürliche wir *) Räthselhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal, durch welche Hypothese läßt sich die Entste- hung von Typolithen weicher Körper, z. B. saamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem Botaniker ist bekannt, daß der leichte Saamen- staub von der leisesten Berührung verwischt wird. Zweitens, sollten alle Conchylien der Vorwelt, die wir jezt nur in ihren Grabstätten finden, gänzlich untergegangen seyn? Entfernte Aehn- lichkeiten zwischen den petrificirten und in unse- ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen sind nicht zu läugnen. Daher Linne eine Ostrea diluviana, eine Anomia pecten, A. angulata, A. plicatella und andere Versteinerungen mit dem Beisaz: habitat ... fossilis in sein Syste- ma naturae eintrug. Daß aber zu den unzähli- gen fossilen Muscheln bisher kaum ein bestimm- tes Original in der jetzigen Thierschöpfung ge- funden worden ist, kann ich mit dem Zeugniß eines Mannes belegen, der die Lehre von den Petrefacten mit dem glücklichsten Scharfsinne in ein neues System umgearbeitet und für geo- genische J 4
und Plinius zurükführen. Die natürliche wir *) Räthſelhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal, durch welche Hypotheſe läßt ſich die Entſte- hung von Typolithen weicher Körper, z. B. ſaamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem Botaniker iſt bekannt, daß der leichte Saamen- ſtaub von der leiſeſten Berührung verwiſcht wird. Zweitens, ſollten alle Conchylien der Vorwelt, die wir jezt nur in ihren Grabſtätten finden, gänzlich untergegangen ſeyn? Entfernte Aehn- lichkeiten zwiſchen den petrificirten und in unſe- ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen ſind nicht zu läugnen. Daher Linne eine Oſtrea diluviana, eine Anomia pecten, A. angulata, A. plicatella und andere Verſteinerungen mit dem Beiſaz: habitat ... foſſilis in ſein Syſte- ma naturae eintrug. Daß aber zu den unzähli- gen foſſilen Muſcheln bisher kaum ein beſtimm- tes Original in der jetzigen Thierſchöpfung ge- funden worden iſt, kann ich mit dem Zeugniß eines Mannes belegen, der die Lehre von den Petrefacten mit dem glücklichſten Scharfſinne in ein neues Syſtem umgearbeitet und für geo- geniſche J 4
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und Plinius zurükführen. Die natürliche
Geſtalt gewiſſer Länder iſt ſeit ein Paar Jahr-
tauſenden mannichfaltig verändert. Meeresflu-
then, Vulcane und Erdbeben haben ihre ver-
heerende Macht ausgeübt. Berge ſind zerſplit-
tert, Thäler ausgefüllt, Jnſeln aus dem Waſ-
ſer emporgetrieben worden. Ariſtides würde
Aegypten, Cäſar das Belgiſche Gallien, Pli-
nius das untere Jtalien kaum wieder erkennen.
Freilich haben dieſe gewaltſamen Revolutionen
nur einzelne Gegenden betroffen. Denn Nach-
richten von allgemeinen Umwandlungen unſers
Planeten, wie die, deren räthſelhafte *) Spuren
wir
*) Räthſelhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal,
durch welche Hypotheſe läßt ſich die Entſte-
hung von Typolithen weicher Körper, z. B.
ſaamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem
Botaniker iſt bekannt, daß der leichte Saamen-
ſtaub von der leiſeſten Berührung verwiſcht wird.
Zweitens, ſollten alle Conchylien der Vorwelt,
die wir jezt nur in ihren Grabſtätten finden,
gänzlich untergegangen ſeyn? Entfernte Aehn-
lichkeiten zwiſchen den petrificirten und in unſe-
ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen ſind
nicht zu läugnen. Daher Linne eine Oſtrea
diluviana, eine Anomia pecten, A. angulata,
A. plicatella und andere Verſteinerungen mit
dem Beiſaz: habitat ... foſſilis in ſein Syſte-
ma naturae eintrug. Daß aber zu den unzähli-
gen foſſilen Muſcheln bisher kaum ein beſtimm-
tes Original in der jetzigen Thierſchöpfung ge-
funden worden iſt, kann ich mit dem Zeugniß
eines Mannes belegen, der die Lehre von den
Petrefacten mit dem glücklichſten Scharfſinne
in ein neues Syſtem umgearbeitet und für geo-
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