Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42.

Bild:
<< vorherige Seite

Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung,
welche in der Fortpflanzung des Schalls vor sich geht,
und dergl. mehr. Als man in der Physik noch nicht
die strenge Methode befolgte, der wir die grossen Ent-
deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieb
alles, was sich nicht genau und unmittelbar messen
liess, ein Spiel gewagter und unbestimmter Hypothe-
sen. Man bedachte damals nicht, dass sich durch ein
genaues Erwägen jeder der störenden Ursachen, und
durch Absondern dessen, was bei anscheinend verwik-
kelten Phänomenen durch fremde Umstände bewirkt
wird, auf dem Wege des Ausschliessens von dem Be-
kannten zu dem Unbekannten gelangen lasse, und dass
Naturgesetze nicht blos durch Betrachtungen, welche
auf mathematischer Analyse beruhen, sondern auch
nach der Analogie von Erfahrungen und direkten Mes-
sungen können aufgefunden werden.

Die Zunahme der Stärke des Schalls während der
Nacht, der Gegenstand dieser Abhandlung, ist eine
der Fragen, auf die man in unsern physikalischen Wer-
ken keine Antwort findet. Ich will versuchen, eine
Erklärung dafür aus den neuesten Untersuchungen
über die Theorie der Schallwellen abzuleiten; doch
bevor ich von den Ursachen der Erscheinung rede,
muss ich die Bedingungen, unter denen ich diese Er-
scheinung selbst betrachte, angeben.

Schon im Alterthume wusste man, dass der Schall
während der Nacht an Stärke zunimmt. Es sprechen
davon Aristoteles in seinen Problemen (sect. 11,
quaest. 5 §. 33) und Plutarch in seinen Dialogen
(Symposiac. 1. 8 c. 3). Es versteht sich, dass hier blos
von der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht,

Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung,
welche in der Fortpflanzung des Schalls vor ſich geht,
und dergl. mehr. Als man in der Phyſik noch nicht
die ſtrenge Methode befolgte, der wir die groſsen Ent-
deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieb
alles, was ſich nicht genau und unmittelbar meſſen
lieſs, ein Spiel gewagter und unbeſtimmter Hypothe-
ſen. Man bedachte damals nicht, daſs ſich durch ein
genaues Erwägen jeder der ſtörenden Urſachen, und
durch Abſondern deſſen, was bei anſcheinend verwik-
kelten Phänomenen durch fremde Umſtände bewirkt
wird, auf dem Wege des Ausſchlieſsens von dem Be-
kannten zu dem Unbekannten gelangen laſſe, und daſs
Naturgeſetze nicht blos durch Betrachtungen, welche
auf mathematiſcher Analyſe beruhen, ſondern auch
nach der Analogie von Erfahrungen und direkten Meſ-
ſungen können aufgefunden werden.

Die Zunahme der Stärke des Schalls während der
Nacht, der Gegenſtand dieſer Abhandlung, iſt eine
der Fragen, auf die man in unſern phyſikaliſchen Wer-
ken keine Antwort findet. Ich will verſuchen, eine
Erklärung dafür aus den neueſten Unterſuchungen
über die Theorie der Schallwellen abzuleiten; doch
bevor ich von den Urſachen der Erſcheinung rede,
muſs ich die Bedingungen, unter denen ich dieſe Er-
ſcheinung ſelbſt betrachte, angeben.

Schon im Alterthume wuſste man, daſs der Schall
während der Nacht an Stärke zunimmt. Es ſprechen
davon Ariſtoteles in ſeinen Problemen (ſect. 11,
quaeſt. 5 §. 33) und Plutarch in ſeinen Dialogen
(Sympoſiac. 1. 8 c. 3). Es verſteht ſich, daſs hier blos
von der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0004" n="32"/>
Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung,<lb/>
welche in der Fortpflanzung des Schalls vor &#x017F;ich geht,<lb/>
und dergl. mehr. Als man in der Phy&#x017F;ik noch nicht<lb/>
die &#x017F;trenge Methode befolgte, der wir die gro&#x017F;sen Ent-<lb/>
deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieb<lb/>
alles, was &#x017F;ich nicht genau und unmittelbar me&#x017F;&#x017F;en<lb/>
lie&#x017F;s, ein Spiel gewagter und unbe&#x017F;timmter Hypothe-<lb/>
&#x017F;en. Man bedachte damals nicht, da&#x017F;s &#x017F;ich durch ein<lb/>
genaues Erwägen jeder der &#x017F;törenden Ur&#x017F;achen, und<lb/>
durch Ab&#x017F;ondern de&#x017F;&#x017F;en, was bei an&#x017F;cheinend verwik-<lb/>
kelten Phänomenen durch fremde Um&#x017F;tände bewirkt<lb/>
wird, auf dem Wege des Aus&#x017F;chlie&#x017F;sens von dem Be-<lb/>
kannten zu dem Unbekannten gelangen la&#x017F;&#x017F;e, und da&#x017F;s<lb/>
Naturge&#x017F;etze nicht blos durch Betrachtungen, welche<lb/>
auf mathemati&#x017F;cher Analy&#x017F;e beruhen, &#x017F;ondern auch<lb/>
nach der Analogie von Erfahrungen und direkten Me&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen können aufgefunden werden.</p><lb/>
        <p>Die Zunahme der Stärke des Schalls während der<lb/>
Nacht, der Gegen&#x017F;tand die&#x017F;er Abhandlung, i&#x017F;t eine<lb/>
der Fragen, auf die man in un&#x017F;ern phy&#x017F;ikali&#x017F;chen Wer-<lb/>
ken keine Antwort findet. Ich will ver&#x017F;uchen, eine<lb/>
Erklärung dafür aus den neue&#x017F;ten Unter&#x017F;uchungen<lb/>
über die Theorie der <hi rendition="#i">Schallwellen</hi> abzuleiten; doch<lb/>
bevor ich von den Ur&#x017F;achen der Er&#x017F;cheinung rede,<lb/>
mu&#x017F;s ich die Bedingungen, unter denen ich die&#x017F;e Er-<lb/>
&#x017F;cheinung &#x017F;elb&#x017F;t betrachte, angeben.</p><lb/>
        <p>Schon im Alterthume wu&#x017F;ste man, da&#x017F;s der Schall<lb/>
während der Nacht an Stärke zunimmt. Es &#x017F;prechen<lb/>
davon <hi rendition="#g">Ari&#x017F;toteles</hi> in &#x017F;einen Problemen (<hi rendition="#i">&#x017F;ect.</hi> 11,<lb/><hi rendition="#i">quae&#x017F;t.</hi> 5 §. 33) und <hi rendition="#g">Plutarch</hi> in &#x017F;einen Dialogen<lb/>
(<hi rendition="#i">Sympo&#x017F;iac.</hi> 1. 8 c. 3). Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, da&#x017F;s hier blos<lb/>
von der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0004] Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung, welche in der Fortpflanzung des Schalls vor ſich geht, und dergl. mehr. Als man in der Phyſik noch nicht die ſtrenge Methode befolgte, der wir die groſsen Ent- deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieb alles, was ſich nicht genau und unmittelbar meſſen lieſs, ein Spiel gewagter und unbeſtimmter Hypothe- ſen. Man bedachte damals nicht, daſs ſich durch ein genaues Erwägen jeder der ſtörenden Urſachen, und durch Abſondern deſſen, was bei anſcheinend verwik- kelten Phänomenen durch fremde Umſtände bewirkt wird, auf dem Wege des Ausſchlieſsens von dem Be- kannten zu dem Unbekannten gelangen laſſe, und daſs Naturgeſetze nicht blos durch Betrachtungen, welche auf mathematiſcher Analyſe beruhen, ſondern auch nach der Analogie von Erfahrungen und direkten Meſ- ſungen können aufgefunden werden. Die Zunahme der Stärke des Schalls während der Nacht, der Gegenſtand dieſer Abhandlung, iſt eine der Fragen, auf die man in unſern phyſikaliſchen Wer- ken keine Antwort findet. Ich will verſuchen, eine Erklärung dafür aus den neueſten Unterſuchungen über die Theorie der Schallwellen abzuleiten; doch bevor ich von den Urſachen der Erſcheinung rede, muſs ich die Bedingungen, unter denen ich dieſe Er- ſcheinung ſelbſt betrachte, angeben. Schon im Alterthume wuſste man, daſs der Schall während der Nacht an Stärke zunimmt. Es ſprechen davon Ariſtoteles in ſeinen Problemen (ſect. 11, quaeſt. 5 §. 33) und Plutarch in ſeinen Dialogen (Sympoſiac. 1. 8 c. 3). Es verſteht ſich, daſs hier blos von der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/4
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42, hier S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/4>, abgerufen am 21.11.2024.