Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791.Abendmahl wie ein moralisches Purgirmittel gebrauchen zu müs- Abendmahl wie ein moralisches Purgirmittel gebrauchen zu müs- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0006" n="3v"/> Abendmahl wie ein moralisches Purgirmittel gebrauchen zu müs-<lb/> sen, dabei aber eine Audienz bei einem Fürsten haben<lb/><subst><del rendition="#s">zu können</del><add place="intralinear">, es dem Publikum öffentlich sagen zu<lb/> können....</add></subst> das sind unsere Philosophen und dann<lb/> fürchten die Despoten unser philosophisches Jahrhundert!<lb/> Es ist mir ein sehr niederschlagender Gedanke, wenn Män-<lb/> ner wie <persName>Garve</persName>, <persName>Plattner</persName>, <persName>Zimmermann</persName> p. niederreißen, was<lb/> andere so mühsam aufgeführt haben. Es giebt derer,<lb/> welche mehr auf Glauben wie auf Ueberzeugung, auf<lb/> Autorität mehr, wie auf eigenes Nachdenken bauen<lb/> so viele, und darin liegt der Grund einer Wahrheit,<lb/> deucht mich, die so oft verkannt wird, daß die großen<lb/> Charaktere allgemein <hi rendition="#u">bewunderter</hi> und gefeierter Menschen<lb/> durch ihre Schwachheiten oft mehr böses für die Nachwelt<lb/> stiften, als ihre Tugenden Seegen und Wohlthat ver-<lb/> breiten. – <persName>Campe</persName> hat ein Projekt, nach <placeName>Amerika</placeName> zu<lb/> reisen. Ob er es ausführt ist noch ungewiß. Denken <choice><sic>sie</sic><corr>Sie</corr></choice><lb/> Sich aber, Lieber, <choice><sic>den</sic><corr>die</corr></choice> <subst><del rendition="#s">Grund</del><add place="superlinear">Veranlassung</add></subst> <subst><del rendition="#s">den</del><add place="across">die</add></subst> er angiebt, nicht<lb/> etwa um die <choice><abbr>westind.</abbr><expan>westindische</expan></choice> Jugend mit einem Transport<lb/> seiner Kinderbibliotheken, Robinsonaden p. zu beglükken,<lb/> nicht um den Wilden seinen neuen Beweis für die Un-<lb/> sterblichkeit der Seele zu predigen, nicht um das Tanzen<lb/> in <placeName>Philadelphia</placeName> nach den Regeln der Keuschheit zu reguliren,<lb/> – nein um die Verfassung des <placeName><choice><abbr>Nordamerikan.</abbr><expan>Nordamerikanischen</expan></choice> Freistaats</placeName> in der Nähe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3v/0006]
Abendmahl wie ein moralisches Purgirmittel gebrauchen zu müs-
sen, dabei aber eine Audienz bei einem Fürsten haben
, es dem Publikum öffentlich sagen zu
können.... das sind unsere Philosophen und dann
fürchten die Despoten unser philosophisches Jahrhundert!
Es ist mir ein sehr niederschlagender Gedanke, wenn Män-
ner wie Garve, Plattner, Zimmermann p. niederreißen, was
andere so mühsam aufgeführt haben. Es giebt derer,
welche mehr auf Glauben wie auf Ueberzeugung, auf
Autorität mehr, wie auf eigenes Nachdenken bauen
so viele, und darin liegt der Grund einer Wahrheit,
deucht mich, die so oft verkannt wird, daß die großen
Charaktere allgemein bewunderter und gefeierter Menschen
durch ihre Schwachheiten oft mehr böses für die Nachwelt
stiften, als ihre Tugenden Seegen und Wohlthat ver-
breiten. – Campe hat ein Projekt, nach Amerika zu
reisen. Ob er es ausführt ist noch ungewiß. Denken Sie
Sich aber, Lieber, die Veranlassung die er angiebt, nicht
etwa um die westind. Jugend mit einem Transport
seiner Kinderbibliotheken, Robinsonaden p. zu beglükken,
nicht um den Wilden seinen neuen Beweis für die Un-
sterblichkeit der Seele zu predigen, nicht um das Tanzen
in Philadelphia nach den Regeln der Keuschheit zu reguliren,
– nein um die Verfassung des Nordamerikan. Freistaats in der Nähe
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791, S. 3v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791/6>, abgerufen am 22.07.2024. |