Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791.sehr bequem ist. Ein 7 oder 8 Monath ist so ein Leben erträglich, sehr bequem ist. Ein 7 oder 8 Monath ist so ein Leben erträglich, <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="3r"/> sehr bequem ist. Ein 7 <choice><abbr>od</abbr><expan>oder</expan></choice> 8 Monath ist so ein Leben erträglich,<lb/> aber nach diesen sehnt man sich auch nach einem freieren Wirkungs-<lb/> kreise. An Umgang, nemlich Zusammenessen nennt man hier<lb/> Umgang, fehlt es mir bei dem allen nicht. Ich bin in allen<lb/> Cirklen, in den bürgerlichen und adelichen, die sich nach<lb/> der löblichen Indianischen Methode hübsch kastenmäßig von ein-<lb/> ander getrennt haben. Da aber hier alles Karten spielt,<lb/> so besuche ich keine Gesellschaft vor dem Abendessen, wo denn<lb/> der physische Genuß freilich sehr groß ist. So viel man am<lb/><placeName>Rhein</placeName> auch immer über Adelsstolz klagen mag, so möchte<lb/> ich doch behaupten, daß der Uebermuth des hiesigen <persName>Bentincki-<lb/> schen</persName> (nicht <persName><choice><abbr>Schimmelman̅ischen</abbr><expan>Schimmelmannischen</expan></choice></persName>) Cirkels jenen weit übertrift<supplied cert="high">.</supplied><lb/> Die Vernunft unserer westlichen Nachbarn wird dieses Jahrhun-<lb/> dert überleben, aber Deutschland wird noch lange anstaunen, prü<lb/> fen, vorbereiten — und den entscheidenden Augenblik versäumen.<lb/> Ist Ihnen die <choice><abbr>Berlin.</abbr><expan>Berlinische</expan></choice> Monathsschrift und <choice><abbr>H.</abbr><expan>Herrn</expan></choice> von <persName>Rhamdors</persName><lb/> Verteidigung des Adels in die Hände gefallen? Ich kann<lb/> dem nichts als <persName>Plattners</persName> Dedication an den <persName>Kurfürsten</persName><lb/> vor der Neuen Anthropologie <subst><del rendition="#s">entges</del><add place="intralinear">entgegenstellen</add></subst> <subst><del rendition="#ow">?</del><add place="intralinear">!</add></subst> Von<lb/> einem Leipziger Professor ließ sich so etwas erwarten. <persName>Platt-<lb/> ner </persName> kennt nur zwei Wege, entweder in den Stand der<lb/> Natur zurüktreten, à la <persName>Rousseau</persName> auf allen Vieren gehen,<lb/> und wie die Philosophen im <persName>Luzian</persName> Erdschwämme suchen,<lb/> oder unter den Ministern eines <persName><choice><abbr>Kf.</abbr><expan>Kurfürsten</expan></choice> von Sachsen</persName> zu stehen, das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3r/0005]
sehr bequem ist. Ein 7 od 8 Monath ist so ein Leben erträglich,
aber nach diesen sehnt man sich auch nach einem freieren Wirkungs-
kreise. An Umgang, nemlich Zusammenessen nennt man hier
Umgang, fehlt es mir bei dem allen nicht. Ich bin in allen
Cirklen, in den bürgerlichen und adelichen, die sich nach
der löblichen Indianischen Methode hübsch kastenmäßig von ein-
ander getrennt haben. Da aber hier alles Karten spielt,
so besuche ich keine Gesellschaft vor dem Abendessen, wo denn
der physische Genuß freilich sehr groß ist. So viel man am
Rhein auch immer über Adelsstolz klagen mag, so möchte
ich doch behaupten, daß der Uebermuth des hiesigen Bentincki-
schen (nicht Schimmelman̅ischen ) Cirkels jenen weit übertrift.
Die Vernunft unserer westlichen Nachbarn wird dieses Jahrhun-
dert überleben, aber Deutschland wird noch lange anstaunen, prü
fen, vorbereiten — und den entscheidenden Augenblik versäumen.
Ist Ihnen die Berlin. Monathsschrift und H. von Rhamdors
Verteidigung des Adels in die Hände gefallen? Ich kann
dem nichts als Plattners Dedication an den Kurfürsten
vor der Neuen Anthropologie entgegenstellen ! Von
einem Leipziger Professor ließ sich so etwas erwarten. Platt-
ner kennt nur zwei Wege, entweder in den Stand der
Natur zurüktreten, à la Rousseau auf allen Vieren gehen,
und wie die Philosophen im Luzian Erdschwämme suchen,
oder unter den Ministern eines Kf. von Sachsen zu stehen, das
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(2016-09-27T17:00:45Z)
Klaus Gerlach, Ulrich Päßler: TEI-Textannotation.
(2016-09-27T17:00:45Z)
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