Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791.

Bild:
erste Seite

Fünf volle Monathe sind nun schon verflossen, seitdem ich
die Rheinufer verließ. Wenn Sie aus der Art, wie ich mich
damals an Sie drängte, aus der frohen Stimmung, in die
mich jede Aeußerung Ihres Vertrauens und Ihrer liebevollen
Zuneigung versezte, auf Wärme und Herzlichkeit des Charakters
in mir schlossen, so muß es Ihnen jezt um so
räthselhafter sein, daß Sie seit fünf Monathen keine
Zeile von mir sahen, daß ich eine Erlaubniß nicht
benuzte, die Sie mir selbst freiwillig ertheilten. Nicht
jugendliche Eitelkeit allein (von der ich mich übrigens nur zu
wenig frei fühle!) sondern die Empfindung, durch die Ach-
tung guter und edler Menschen geehrt zu sein, läßt
mich wünschen, daß Ihnen mein Stillschweigen nicht gleich-
gültig und unbemerkt gewesen ist. Ich möchte die Schuld
gern vermehren, weil ich es doch nicht unternehme,
mich zu rechtfertigen. In der That, mein Bester, die Ursa-
chen meiner Nachlässigkeit sind so einfach, daß sie gewiß

Fünf volle Monathe sind nun schon verflossen, seitdem ich
die Rheinufer verließ. Wenn Sie aus der Art, wie ich mich
damals an Sie drängte, aus der frohen Stimmung, in die
mich jede Aeußerung Ihres Vertrauens und Ihrer liebevollen
Zuneigung versezte, auf Wärme und Herzlichkeit des Charakters
in mir schlossen, so muß es Ihnen jezt um so
räthselhafter sein, daß Sie seit fünf Monathen keine
Zeile von mir sahen, daß ich eine Erlaubniß nicht
benuzte, die Sie mir selbst freiwillig ertheilten. Nicht
jugendliche Eitelkeit allein (von der ich mich übrigens nur zu
wenig frei fühle!) sondern die Empfindung, durch die Ach-
tung guter und edler Menschen geehrt zu sein, läßt
mich wünschen, daß Ihnen mein Stillschweigen nicht gleich-
gültig und unbemerkt gewesen ist. Ich möchte die Schuld
gern vermehren, weil ich es doch nicht unternehme,
mich zu rechtfertigen. In der That, mein Bester, die Ursa-
chen meiner Nachlässigkeit sind so einfach, daß sie gewiß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0001" n="1r"/>
      <div type="letter" n="1">
        <opener>
          <dateline rendition="#right">Hamburg, den 28.ten <choice><abbr>Jan.</abbr><expan>Januar</expan></choice> 1791.</dateline>
        </opener>
        <p>                     Fünf volle Monathe sind nun schon verflossen, seitdem ich<lb/>
die                         <placeName>Rheinufer</placeName> verließ. Wenn Sie aus                     der Art, wie ich mich<lb/>
damals an Sie drängte, aus der frohen Stimmung, in                     die<lb/>
mich jede Aeußerung Ihres Vertrauens und Ihrer liebevollen<lb/>
Zuneigung versezte, auf Wärme und Herzlichkeit des Charakters<lb/>
in mir                     schlossen, so muß es Ihnen jezt um so<lb/>
räthselhafter sein, daß Sie seit fünf                     Monathen keine<lb/>
Zeile von mir sahen, daß ich eine Erlaubniß nicht<lb/>
benuzte, die Sie mir selbst freiwillig ertheilten. Nicht<lb/>
jugendliche                     Eitelkeit allein (von der ich mich übrigens nur zu<lb/>
wenig frei fühle!)                     sondern die Empfindung, durch die Ach-<lb/>
tung guter und edler Menschen geehrt zu sein, läßt<lb/>
mich                     wünschen, daß Ihnen mein Stillschweigen nicht gleich-<lb/>
gültig und unbemerkt gewesen ist. Ich möchte die Schuld<lb/>
gern vermehren, weil ich es doch nicht unternehme,<lb/>
mich zu                     rechtfertigen. In der That, mein Bester, die Ursa-<lb/>
chen meiner Nachlässigkeit sind so einfach, daß sie gewiß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1r/0001] Hamburg, den 28.ten Jan. 1791. Fünf volle Monathe sind nun schon verflossen, seitdem ich die Rheinufer verließ. Wenn Sie aus der Art, wie ich mich damals an Sie drängte, aus der frohen Stimmung, in die mich jede Aeußerung Ihres Vertrauens und Ihrer liebevollen Zuneigung versezte, auf Wärme und Herzlichkeit des Charakters in mir schlossen, so muß es Ihnen jezt um so räthselhafter sein, daß Sie seit fünf Monathen keine Zeile von mir sahen, daß ich eine Erlaubniß nicht benuzte, die Sie mir selbst freiwillig ertheilten. Nicht jugendliche Eitelkeit allein (von der ich mich übrigens nur zu wenig frei fühle!) sondern die Empfindung, durch die Ach- tung guter und edler Menschen geehrt zu sein, läßt mich wünschen, daß Ihnen mein Stillschweigen nicht gleich- gültig und unbemerkt gewesen ist. Ich möchte die Schuld gern vermehren, weil ich es doch nicht unternehme, mich zu rechtfertigen. In der That, mein Bester, die Ursa- chen meiner Nachlässigkeit sind so einfach, daß sie gewiß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Alexander von Humboldt auf Reisen - Wissenschaft aus der Bewegung (2016): Bereitstellung der Texttranskription. (2016-09-27T17:00:45Z)
Klaus Gerlach, Ulrich Päßler: TEI-Textannotation. (2016-09-27T17:00:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791/1
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Brief an Samuel Thomas Soemmerring. Hamburg, 28.01.-20.02.1791, S. 1r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_soemmering01_1791/1>, abgerufen am 23.11.2024.