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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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Ueber die Schwankungen
erfüllt sind, gehören jetzt, wie früher, zu den gewöhnlichsten Erschei-
nungen." Aber so anziehend auch diese Erklärung ist, so steht ihr
doch entgegen, daß der wunderbaren Fabelwesen, der Greifen, schon
in den Hesiodischen Gedichten Erwähnung geschieht, daß sie die
Pforten von Persepolis als Löwenadler schmücken, und durch baby-
lonische und persische Tapeten früh über Milet nach Griechenland
kamen.* Ein berühmter russischer Akademiker, Herr v. Gräfe,
ist geneigt, ein großzahniges Unthier, den Odontotyrannus
byzantinischer Schriftsteller, und des von Majo aufgefundenen Ju-
lius Valerius für eine dunkle Erinnerung des sibirischen Mammouth,
für einen späten Nachhall der Urwelt zu halten.** Der Tyrann
und die alte Mythe der Greife scheinen mir nicht unterirdisch aus
dem gefrornen Schuttlande aufgestiegen, sondern Phantasiegebilde
einer sonnigen, südlichen Zone.

Jch habe oben des Umstandes gedacht, daß im Ural ungeheure
Goldmassen wenige Zolle unter dem Rasen gefunden werden. Rie-
selndes Wasser oder andere geringfügige Ursachen können diese Masse
einst so entblößt haben, daß sie auf die Oberfläche der Erde selbst
gelangten. Jst vielleicht die Geschichte des heiligen Goldes
bei den Skythen, deren Herodot (IV, 7) erwähnt, ist das Herab-
fallen goldener Ackerwerkzeuge vom Himmel, welche die beiden
zuerst nach einander hinzutretenden Königssöhne nicht berühren
konnten, ohne sich zu verbrennen, während der dritte, Colaxais, das
erloschene (erkaltete) Gold ohne Gefahr nach Hause trug, bloß mythisch
zu erklären, oder soll man darin vielleicht Anklänge eines heißen***

* Karl Otfr. Müller, Dorier. Thl. II. S. 276. (Ueber den Greif des
Ctesias, als baktrisch-indisches Thier. S. Heeren, Thl. I. Abth. 1.
S. 239, und Böttiger, Griechische Vasengemälde. Thl. I. n. 3. S. 105.)
Auch Herodot (IV, 79 u. 152) nennt zweimal die Greife als Gebilde
und Ornamente.
** Gräfe in Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg. 1830. p. 71 et 74.
Julius Valerius res gestae Alexandri translatae ex Aesopo III
, 33.
S. dazu das Chron. Hamartol. welches Hase in den Manuscripten der
Pariser Bibliothek excerpirt hat.
*** Jch lasse die Stelle des Herodot (IV, 5) hier nach Schweighäusers
Uebersetzung lateinisch folgen: "Targitao filios fuisse tres, Leipoxain
et Arpoxain, minimumque natu Colaxain. His regnantibus de coelo
delapsa aurea instrumenta, aratrum et jugum et bipennem et phia-
lam, decidisse in Scythicam terram. Et illorum natu maximum,

Ueber die Schwankungen
erfüllt ſind, gehören jetzt, wie früher, zu den gewöhnlichſten Erſchei-
nungen.“ Aber ſo anziehend auch dieſe Erklärung iſt, ſo ſteht ihr
doch entgegen, daß der wunderbaren Fabelweſen, der Greifen, ſchon
in den Heſiodiſchen Gedichten Erwähnung geſchieht, daß ſie die
Pforten von Perſepolis als Löwenadler ſchmücken, und durch baby-
loniſche und perſiſche Tapeten früh über Milet nach Griechenland
kamen.* Ein berühmter ruſſiſcher Akademiker, Herr v. Gräfe,
iſt geneigt, ein großzahniges Unthier, den Odontotyrannus
byzantiniſcher Schriftſteller, und des von Majo aufgefundenen Ju-
lius Valerius für eine dunkle Erinnerung des ſibiriſchen Mammouth,
für einen ſpäten Nachhall der Urwelt zu halten.** Der Tyrann
und die alte Mythe der Greife ſcheinen mir nicht unterirdiſch aus
dem gefrornen Schuttlande aufgeſtiegen, ſondern Phantaſiegebilde
einer ſonnigen, ſüdlichen Zone.

Jch habe oben des Umſtandes gedacht, daß im Ural ungeheure
Goldmaſſen wenige Zolle unter dem Raſen gefunden werden. Rie-
ſelndes Waſſer oder andere geringfügige Urſachen können dieſe Maſſe
einſt ſo entblößt haben, daß ſie auf die Oberfläche der Erde ſelbſt
gelangten. Jſt vielleicht die Geſchichte des heiligen Goldes
bei den Skythen, deren Herodot (IV, 7) erwähnt, iſt das Herab-
fallen goldener Ackerwerkzeuge vom Himmel, welche die beiden
zuerſt nach einander hinzutretenden Königsſöhne nicht berühren
konnten, ohne ſich zu verbrennen, während der dritte, Colaxais, das
erloſchene (erkaltete) Gold ohne Gefahr nach Hauſe trug, bloß mythiſch
zu erklären, oder ſoll man darin vielleicht Anklänge eines heißen***

* Karl Otfr. Müller, Dorier. Thl. II. S. 276. (Ueber den Greif des
Cteſias, als baktriſch-indiſches Thier. S. Heeren, Thl. I. Abth. 1.
S. 239, und Böttiger, Griechiſche Vaſengemälde. Thl. I. n. 3. S. 105.)
Auch Herodot (IV, 79 u. 152) nennt zweimal die Greife als Gebilde
und Ornamente.
** Gräfe in Mém. de l'Acad. de St. Petersbourg. 1830. p. 71 et 74.
Julius Valerius res gestae Alexandri translatae ex Aesopo III
, 33.
S. dazu das Chron. Hamartol. welches Haſe in den Manuſcripten der
Pariſer Bibliothek excerpirt hat.
*** Jch laſſe die Stelle des Herodot (IV, 5) hier nach Schweighäuſers
Ueberſetzung lateiniſch folgen: „Targitao filios fuisse tres, Leipoxain
et Arpoxain, minimumque natu Colaxain. His regnantibus de coelo
delapsa aurea instrumenta, aratrum et jugum et bipennem et phia-
lam, decidisse in Scythicam terram. Et illorum natu maximum,
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[28/0029] Ueber die Schwankungen erfüllt ſind, gehören jetzt, wie früher, zu den gewöhnlichſten Erſchei- nungen.“ Aber ſo anziehend auch dieſe Erklärung iſt, ſo ſteht ihr doch entgegen, daß der wunderbaren Fabelweſen, der Greifen, ſchon in den Heſiodiſchen Gedichten Erwähnung geſchieht, daß ſie die Pforten von Perſepolis als Löwenadler ſchmücken, und durch baby- loniſche und perſiſche Tapeten früh über Milet nach Griechenland kamen. * Ein berühmter ruſſiſcher Akademiker, Herr v. Gräfe, iſt geneigt, ein großzahniges Unthier, den Odontotyrannus byzantiniſcher Schriftſteller, und des von Majo aufgefundenen Ju- lius Valerius für eine dunkle Erinnerung des ſibiriſchen Mammouth, für einen ſpäten Nachhall der Urwelt zu halten. ** Der Tyrann und die alte Mythe der Greife ſcheinen mir nicht unterirdiſch aus dem gefrornen Schuttlande aufgeſtiegen, ſondern Phantaſiegebilde einer ſonnigen, ſüdlichen Zone. Jch habe oben des Umſtandes gedacht, daß im Ural ungeheure Goldmaſſen wenige Zolle unter dem Raſen gefunden werden. Rie- ſelndes Waſſer oder andere geringfügige Urſachen können dieſe Maſſe einſt ſo entblößt haben, daß ſie auf die Oberfläche der Erde ſelbſt gelangten. Jſt vielleicht die Geſchichte des heiligen Goldes bei den Skythen, deren Herodot (IV, 7) erwähnt, iſt das Herab- fallen goldener Ackerwerkzeuge vom Himmel, welche die beiden zuerſt nach einander hinzutretenden Königsſöhne nicht berühren konnten, ohne ſich zu verbrennen, während der dritte, Colaxais, das erloſchene (erkaltete) Gold ohne Gefahr nach Hauſe trug, bloß mythiſch zu erklären, oder ſoll man darin vielleicht Anklänge eines heißen *** * Karl Otfr. Müller, Dorier. Thl. II. S. 276. (Ueber den Greif des Cteſias, als baktriſch-indiſches Thier. S. Heeren, Thl. I. Abth. 1. S. 239, und Böttiger, Griechiſche Vaſengemälde. Thl. I. n. 3. S. 105.) Auch Herodot (IV, 79 u. 152) nennt zweimal die Greife als Gebilde und Ornamente. ** Gräfe in Mém. de l'Acad. de St. Petersbourg. 1830. p. 71 et 74. Julius Valerius res gestae Alexandri translatae ex Aesopo III, 33. S. dazu das Chron. Hamartol. welches Haſe in den Manuſcripten der Pariſer Bibliothek excerpirt hat. *** Jch laſſe die Stelle des Herodot (IV, 5) hier nach Schweighäuſers Ueberſetzung lateiniſch folgen: „Targitao filios fuisse tres, Leipoxain et Arpoxain, minimumque natu Colaxain. His regnantibus de coelo delapsa aurea instrumenta, aratrum et jugum et bipennem et phia- lam, decidisse in Scythicam terram. Et illorum natu maximum,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/29>, abgerufen am 21.11.2024.