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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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Ueber die Schwankungen

Die Ansichten, welche man seit kaum fünfzehn Jahren über
den noch immer vorhandenen Goldreichthum von Nord-Asien gewonnen
hat, führen fast unwillkürlich zu den Jssedonen, Arimaspen und
goldhütenden Greifen zurück, denen Aristeas von Prokonnesus und,
etwa zweihundert Jahre später, Herodot einen so dauernden Ruf*
verschafft haben. Mir ist die Freude geworden, die Orte im süd-
lichen Ural zu besuchen, wo wenige Zolle unter dem Rasen,
nahe neben einander, glänzende Goldmassen von 13, 16, ja 24 rus-
sischen Pfunden** entdeckt worden sind. Noch viel größere Massen
können einst als rundliche Geschiebe, ganz unverdeckt, auf der Ober-
fläche der Erde gelegen haben. Kein Wunder also, wenn schon in
hohem Alterthume dieses Gold von Jäger- und Hirtenvölkern ge-
sammelt wurde, wenn das Gerücht von solchem Reichthume weit
erscholl, ja bis zu den hellenischen Kolonien am Pontus Euxinus
vordrang, Kolonien, die früh mit dem nordöstlichen Asien jenseits
des caspischen Meeres und Oxussees (Aral) in Verkehr traten.
Die handeltreibenden Griechen und auch die Skythen kamen nicht selbst
bis zu den Jssedonen; sie verkehrten nur mit den Argippäern. Nie-
buhr in seinen Untersuchungen über die Skythen und Geten (Un-
tersuchungen, die keinesweges durch das bestätigt werden, was wir
jetzt über Racenverschiedenheit und Sprachbau nordasiatischer Völker
wissen) setzt die Jssedonen und Arimaspen nördlich von Orenburg,***
also in jene uns jetzt so bekannt gewordene goldreiche Gegend am
östlichen Abfall des südlichen Ural. Diese Meinung wird in dem
eben erschienenen inhaltreichen Werke des Staatsraths Eichwald

* Auch in den Fragmenten von Alcman, die Herr Welcker bearbeitet hat,
wie in denen des Hecatäus und des Damastes geschieht Erwähnung
der Jssedonen. (Hec. Mil. Fragm. ed. Klausen n. 168, p. 92.)
** Das größte Goldgeschiebe, welches bisher am Ural (zu Alexandrowsk
bei Miask) gefunden worden, ist 8 Zoll lang, 5 3/8 Zoll breit und
43/4 Zoll hoch. Es wiegt 24 russische Pfund 69 Solotnik (431/4 Mark),
und wird zu Petersburg in der prachtvollen Mineralien-Sammlung
des Bergcorps aufbewahrt. Unter den Platingeschieben von Nischne
Tagilsk (Besitzung des Herrn v. Demidoff) wurden drei gefunden
von 13, 19 und 20 Pfund Gewicht. (Rose, Reise nach dem Ural.
Thl. I, S. 41.)
*** "Kleine historische und philologische Schriften" S. 361. (S. auch Nie-
buhrs hexodotische Welttafel.)
Ueber die Schwankungen

Die Anſichten, welche man ſeit kaum fünfzehn Jahren über
den noch immer vorhandenen Goldreichthum von Nord-Aſien gewonnen
hat, führen faſt unwillkürlich zu den Jſſedonen, Arimaspen und
goldhütenden Greifen zurück, denen Ariſteas von Prokonneſus und,
etwa zweihundert Jahre ſpäter, Herodot einen ſo dauernden Ruf*
verſchafft haben. Mir iſt die Freude geworden, die Orte im ſüd-
lichen Ural zu beſuchen, wo wenige Zolle unter dem Raſen,
nahe neben einander, glänzende Goldmaſſen von 13, 16, ja 24 ruſ-
ſiſchen Pfunden** entdeckt worden ſind. Noch viel größere Maſſen
können einſt als rundliche Geſchiebe, ganz unverdeckt, auf der Ober-
fläche der Erde gelegen haben. Kein Wunder alſo, wenn ſchon in
hohem Alterthume dieſes Gold von Jäger- und Hirtenvölkern ge-
ſammelt wurde, wenn das Gerücht von ſolchem Reichthume weit
erſcholl, ja bis zu den helleniſchen Kolonien am Pontus Euxinus
vordrang, Kolonien, die früh mit dem nordöſtlichen Aſien jenſeits
des caspiſchen Meeres und Oxusſees (Aral) in Verkehr traten.
Die handeltreibenden Griechen und auch die Skythen kamen nicht ſelbſt
bis zu den Jſſedonen; ſie verkehrten nur mit den Argippäern. Nie-
buhr in ſeinen Unterſuchungen über die Skythen und Geten (Un-
terſuchungen, die keinesweges durch das beſtätigt werden, was wir
jetzt über Racenverſchiedenheit und Sprachbau nordaſiatiſcher Völker
wiſſen) ſetzt die Jſſedonen und Arimaspen nördlich von Orenburg,***
alſo in jene uns jetzt ſo bekannt gewordene goldreiche Gegend am
öſtlichen Abfall des ſüdlichen Ural. Dieſe Meinung wird in dem
eben erſchienenen inhaltreichen Werke des Staatsraths Eichwald

* Auch in den Fragmenten von Alcman, die Herr Welcker bearbeitet hat,
wie in denen des Hecatäus und des Damaſtes geſchieht Erwähnung
der Jſſedonen. (Hec. Mil. Fragm. ed. Klausen n. 168, p. 92.)
** Das größte Goldgeſchiebe, welches bisher am Ural (zu Alexandrowsk
bei Miask) gefunden worden, iſt 8 Zoll lang, 5⅜ Zoll breit und
4¾ Zoll hoch. Es wiegt 24 ruſſiſche Pfund 69 Solotnik (43¼ Mark),
und wird zu Petersburg in der prachtvollen Mineralien-Sammlung
des Bergcorps aufbewahrt. Unter den Platingeſchieben von Niſchne
Tagilsk (Beſitzung des Herrn v. Demidoff) wurden drei gefunden
von 13, 19 und 20 Pfund Gewicht. (Roſe, Reiſe nach dem Ural.
Thl. I, S. 41.)
*** „Kleine hiſtoriſche und philologiſche Schriften“ S. 361. (S. auch Nie-
buhrs hexodotiſche Welttafel.)
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[26/0027] Ueber die Schwankungen Die Anſichten, welche man ſeit kaum fünfzehn Jahren über den noch immer vorhandenen Goldreichthum von Nord-Aſien gewonnen hat, führen faſt unwillkürlich zu den Jſſedonen, Arimaspen und goldhütenden Greifen zurück, denen Ariſteas von Prokonneſus und, etwa zweihundert Jahre ſpäter, Herodot einen ſo dauernden Ruf * verſchafft haben. Mir iſt die Freude geworden, die Orte im ſüd- lichen Ural zu beſuchen, wo wenige Zolle unter dem Raſen, nahe neben einander, glänzende Goldmaſſen von 13, 16, ja 24 ruſ- ſiſchen Pfunden ** entdeckt worden ſind. Noch viel größere Maſſen können einſt als rundliche Geſchiebe, ganz unverdeckt, auf der Ober- fläche der Erde gelegen haben. Kein Wunder alſo, wenn ſchon in hohem Alterthume dieſes Gold von Jäger- und Hirtenvölkern ge- ſammelt wurde, wenn das Gerücht von ſolchem Reichthume weit erſcholl, ja bis zu den helleniſchen Kolonien am Pontus Euxinus vordrang, Kolonien, die früh mit dem nordöſtlichen Aſien jenſeits des caspiſchen Meeres und Oxusſees (Aral) in Verkehr traten. Die handeltreibenden Griechen und auch die Skythen kamen nicht ſelbſt bis zu den Jſſedonen; ſie verkehrten nur mit den Argippäern. Nie- buhr in ſeinen Unterſuchungen über die Skythen und Geten (Un- terſuchungen, die keinesweges durch das beſtätigt werden, was wir jetzt über Racenverſchiedenheit und Sprachbau nordaſiatiſcher Völker wiſſen) ſetzt die Jſſedonen und Arimaspen nördlich von Orenburg, *** alſo in jene uns jetzt ſo bekannt gewordene goldreiche Gegend am öſtlichen Abfall des ſüdlichen Ural. Dieſe Meinung wird in dem eben erſchienenen inhaltreichen Werke des Staatsraths Eichwald * Auch in den Fragmenten von Alcman, die Herr Welcker bearbeitet hat, wie in denen des Hecatäus und des Damaſtes geſchieht Erwähnung der Jſſedonen. (Hec. Mil. Fragm. ed. Klausen n. 168, p. 92.) ** Das größte Goldgeſchiebe, welches bisher am Ural (zu Alexandrowsk bei Miask) gefunden worden, iſt 8 Zoll lang, 5⅜ Zoll breit und 4¾ Zoll hoch. Es wiegt 24 ruſſiſche Pfund 69 Solotnik (43¼ Mark), und wird zu Petersburg in der prachtvollen Mineralien-Sammlung des Bergcorps aufbewahrt. Unter den Platingeſchieben von Niſchne Tagilsk (Beſitzung des Herrn v. Demidoff) wurden drei gefunden von 13, 19 und 20 Pfund Gewicht. (Roſe, Reiſe nach dem Ural. Thl. I, S. 41.) *** „Kleine hiſtoriſche und philologiſche Schriften“ S. 361. (S. auch Nie- buhrs hexodotiſche Welttafel.)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/27>, abgerufen am 24.11.2024.