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Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471.

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brauch der frühen Beerdigung, leider! auch bald unter
den Christen einreissen, und, wer sieht dann nicht neuen
Gefahren entgegen?

So wenig ich mich aber auch überzeugen kann, daß
das Galvanische Experiment ein untrügliches Mit-
tel sey, den Scheintod von dem wahren Tode zu unter-
scheiden; so weit bin ich auch entfernt, Hrn. Creve's
Vorschlag (wie Pfaff und Himly thun) ganz zu
verwerfen. Was nicht apodiktische Gewißheit giebt,
kann doch einen hohen Grad beruhigender
Wahrscheinlichkeit
gewähren. Das neue Prü-
fungsmittel scheint mir in allen Fällen, wo man die
eintretende Fäulniß ohnehin nicht abwar-
ten kann
, sehr anwendbar und wohlthätig. Wer die
Behandlung der Leichen im Landkriege, in ambulanten
und stehenden Feld-Lazarethen, auf dem Schlachtfelde,
und in belagerten Festungen oder im Seekriege auf den
Flotten, oder in den englischen Sklavenschiffen kennt;
der wird es Hrn. Creve Dank wissen, ein Mittel ent-
deckt zu haben, welches manchen Unglücklichen aus der
Gefahr der allzufrühen Beerdigung (oder Versenkung)
erretten kann. Wie schnell werden in den großen Hos-
pitälern, wo es an Raum und Betten fehlt, die Ver-
schiedenen in das Leichenzimmer geworfen, wo die Win-
terkälte die übrige Spur von Lebenskraft vernichtet!
Wie kurz ist meist der Aufenthalt, der ihnen auch hier ge-
stattet wird! Wie geht es vollends bey dem Aufräumen

brauch der fruͤhen Beerdigung, leider! auch bald unter
den Chriſten einreiſſen, und, wer ſieht dann nicht neuen
Gefahren entgegen?

So wenig ich mich aber auch uͤberzeugen kann, daß
das Galvaniſche Experiment ein untruͤgliches Mit-
tel ſey, den Scheintod von dem wahren Tode zu unter-
ſcheiden; ſo weit bin ich auch entfernt, Hrn. Creve's
Vorſchlag (wie Pfaff und Himly thun) ganz zu
verwerfen. Was nicht apodiktiſche Gewißheit giebt,
kann doch einen hohen Grad beruhigender
Wahrſcheinlichkeit
gewaͤhren. Das neue Pruͤ-
fungsmittel ſcheint mir in allen Faͤllen, wo man die
eintretende Faͤulniß ohnehin nicht abwar-
ten kann
, ſehr anwendbar und wohlthaͤtig. Wer die
Behandlung der Leichen im Landkriege, in ambulanten
und ſtehenden Feld-Lazarethen, auf dem Schlachtfelde,
und in belagerten Feſtungen oder im Seekriege auf den
Flotten, oder in den engliſchen Sklavenſchiffen kennt;
der wird es Hrn. Creve Dank wiſſen, ein Mittel ent-
deckt zu haben, welches manchen Ungluͤcklichen aus der
Gefahr der allzufruͤhen Beerdigung (oder Verſenkung)
erretten kann. Wie ſchnell werden in den großen Hoſ-
pitaͤlern, wo es an Raum und Betten fehlt, die Ver-
ſchiedenen in das Leichenzimmer geworfen, wo die Win-
terkaͤlte die uͤbrige Spur von Lebenskraft vernichtet!
Wie kurz iſt meiſt der Aufenthalt, der ihnen auch hier ge-
ſtattet wird! Wie geht es vollends bey dem Aufraͤumen

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[459/0014] brauch der fruͤhen Beerdigung, leider! auch bald unter den Chriſten einreiſſen, und, wer ſieht dann nicht neuen Gefahren entgegen? So wenig ich mich aber auch uͤberzeugen kann, daß das Galvaniſche Experiment ein untruͤgliches Mit- tel ſey, den Scheintod von dem wahren Tode zu unter- ſcheiden; ſo weit bin ich auch entfernt, Hrn. Creve's Vorſchlag (wie Pfaff und Himly thun) ganz zu verwerfen. Was nicht apodiktiſche Gewißheit giebt, kann doch einen hohen Grad beruhigender Wahrſcheinlichkeit gewaͤhren. Das neue Pruͤ- fungsmittel ſcheint mir in allen Faͤllen, wo man die eintretende Faͤulniß ohnehin nicht abwar- ten kann, ſehr anwendbar und wohlthaͤtig. Wer die Behandlung der Leichen im Landkriege, in ambulanten und ſtehenden Feld-Lazarethen, auf dem Schlachtfelde, und in belagerten Feſtungen oder im Seekriege auf den Flotten, oder in den engliſchen Sklavenſchiffen kennt; der wird es Hrn. Creve Dank wiſſen, ein Mittel ent- deckt zu haben, welches manchen Ungluͤcklichen aus der Gefahr der allzufruͤhen Beerdigung (oder Verſenkung) erretten kann. Wie ſchnell werden in den großen Hoſ- pitaͤlern, wo es an Raum und Betten fehlt, die Ver- ſchiedenen in das Leichenzimmer geworfen, wo die Win- terkaͤlte die uͤbrige Spur von Lebenskraft vernichtet! Wie kurz iſt meiſt der Aufenthalt, der ihnen auch hier ge- ſtattet wird! Wie geht es vollends bey dem Aufraͤumen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471, hier S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_reizmittel_1797/14>, abgerufen am 24.11.2024.