Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806.Wir beginnen mit den Palmen, der höchsten Wir beginnen mit den Palmen, der höchsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0018" n="18"/> <p>Wir beginnen mit den <hi rendition="#g">Palmen</hi>, der höchsten<lb/> und edelsten aller Pflanzengestalten. Denn ihr haben<lb/> stets die Völker (und die früheste Menschenbildung<lb/> war in der asiatischen Palmenwelt, oder in dem Erdstriche,<lb/> der zunächst an die Palmenwelt gränzt) den<lb/> Preis der Schönheit zuerkannt. Hohe, schlanke, geringelte,<lb/> bisweilen stachliche Schäfte mit anstrebendem,<lb/> glänzendem, bald gefächertem, bald gefiedertem<lb/> Laube. Die Blätter sind oft grasartig gekräuselt.<lb/> Der glatte Stamm erreicht bis 180 Fuſs Höhe. Die<lb/> Palmenform nimmt an Pracht und Gröſse ab, vom<lb/> Aequator gegen die gemäſsigte Zone hin. <placeName>Europa</placeName> hat<lb/> unter seinen einheimischen Gewächsen nur einen Repräsentanten<lb/> dieser Form, die zwergartige Küstenpalme,<lb/> den Chamaerops, der in <placeName>Spanien</placeName> und <placeName>Italien</placeName><lb/> sich nördlich bis zum 44sten Breitengrade erstreckt.<lb/> Das eigentliche Palmenklima der Erde hat 21°<choice><orig>.</orig><reg/></choice> mittlerer<lb/> Wärme. Aber die aus <placeName>Afrika</placeName> zu uns gebrachte<lb/> Dattelpalme, welche minder schön als andere Arten<lb/> dieser Gruppen ist, vegetirt noch im südlichen <placeName>Europa</placeName><lb/> in Gegenden, deren mittlere Temperatur 14°<choice><orig>.</orig><reg/></choice><lb/> also mehr als doppelt gröſser, als die von <placeName>Berlin</placeName>, ist.<lb/> Palmenstämme und Elephantengerippe liegen im nördlichen<lb/><placeName>Deutschlande</placeName> im Inneren der Erde vergraben,<lb/> und ihre Lage macht es wahrscheinlich, daſs sie nicht<lb/> von den Tropen her gegen Norden geschwemmt wurden;<lb/> sondern, daſs in den groſsen Revoluzionen unseres<lb/> Planeten die Klimate, wie die durch sie bestimmte<lb/> Physiognomie der Natur, vielfach verändert<lb/> worden sind.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
Wir beginnen mit den Palmen, der höchsten
und edelsten aller Pflanzengestalten. Denn ihr haben
stets die Völker (und die früheste Menschenbildung
war in der asiatischen Palmenwelt, oder in dem Erdstriche,
der zunächst an die Palmenwelt gränzt) den
Preis der Schönheit zuerkannt. Hohe, schlanke, geringelte,
bisweilen stachliche Schäfte mit anstrebendem,
glänzendem, bald gefächertem, bald gefiedertem
Laube. Die Blätter sind oft grasartig gekräuselt.
Der glatte Stamm erreicht bis 180 Fuſs Höhe. Die
Palmenform nimmt an Pracht und Gröſse ab, vom
Aequator gegen die gemäſsigte Zone hin. Europa hat
unter seinen einheimischen Gewächsen nur einen Repräsentanten
dieser Form, die zwergartige Küstenpalme,
den Chamaerops, der in Spanien und Italien
sich nördlich bis zum 44sten Breitengrade erstreckt.
Das eigentliche Palmenklima der Erde hat 21°. mittlerer
Wärme. Aber die aus Afrika zu uns gebrachte
Dattelpalme, welche minder schön als andere Arten
dieser Gruppen ist, vegetirt noch im südlichen Europa
in Gegenden, deren mittlere Temperatur 14°.
also mehr als doppelt gröſser, als die von Berlin, ist.
Palmenstämme und Elephantengerippe liegen im nördlichen
Deutschlande im Inneren der Erde vergraben,
und ihre Lage macht es wahrscheinlich, daſs sie nicht
von den Tropen her gegen Norden geschwemmt wurden;
sondern, daſs in den groſsen Revoluzionen unseres
Planeten die Klimate, wie die durch sie bestimmte
Physiognomie der Natur, vielfach verändert
worden sind.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen, 1806, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_physiognomik_1806/18>, abgerufen am 16.02.2025. |