Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184.

Bild:
<< vorherige Seite

Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven
auf den Zink, die sich, so wenig als ihre Schenkel, nir-
gends berührten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß
mittelst zwey trockner Glastafeln in die Luft empor ge-
hoben, und die Contraction war dennoch in beiden
Schenkeln da, so oft eine dritte Person die Nervenar-
matur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen)
mittelst Zink, Silber oder Eisen erschütterte. Jch ge-
stehe, daß mir diese Erscheinung von allem, was ich bis-
her noch beym Galvanisiren gesehen oder darüber gele-
sen, dergestalt abzuweichen schien, daß sie mich und die
Umstehenden, wie ein Zauber, in Erstaunen setzte.

b) Mit Kette, und zwar in zwey Unterabthei-
lungen:

a) bey homogenen Metallen. So wenig ich im
Zustande der gewöhnlichen, mindern Reitzempfänglich-
keit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenom-
men, so gleichgültig scheint mir nach zweyjährigen Ver-
suchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle
im Zustande der erhöhten Reitzempfindlichkeit. Homoge-
neität beruht nicht auf Gleichartigkeit chemischer Bestand-
theile, sondern darauf, ob ein Metall mehr erwärmt,
polirt, gehärtet, anders geformt sey, als das andere.
Niemand hat diese Art von Versuchen zu einer größeren
Feinheit gebracht, als der große Physiker Volta, [...]
dessen Namen gewiß jeder Naturforscher mit Verehrung
nennt. Aber durch eben diese Feinheit ist es in dem
Streite über Homogeneität endlich so weit gekommen,
daß a priori einzusehen ist, der Skeptiker, welcher He-
terogeneität behauptet, sey unüberwindlich. Jch erzähle
daher die einfachen Versuche, welche ich in dieser Hinsicht
angestellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der Wahr-
scheinlichkeit
zu urtheilen, welche sonst unsere Schlüsse
in Gegenständen der Physik leitet. Jch reinigte Quecksil-

ber

Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven
auf den Zink, die ſich, ſo wenig als ihre Schenkel, nir-
gends beruͤhrten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß
mittelſt zwey trockner Glastafeln in die Luft empor ge-
hoben, und die Contraction war dennoch in beiden
Schenkeln da, ſo oft eine dritte Perſon die Nervenar-
matur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen)
mittelſt Zink, Silber oder Eiſen erſchuͤtterte. Jch ge-
ſtehe, daß mir dieſe Erſcheinung von allem, was ich bis-
her noch beym Galvaniſiren geſehen oder daruͤber gele-
ſen, dergeſtalt abzuweichen ſchien, daß ſie mich und die
Umſtehenden, wie ein Zauber, in Erſtaunen ſetzte.

b) Mit Kette, und zwar in zwey Unterabthei-
lungen:

α) bey homogenen Metallen. So wenig ich im
Zuſtande der gewoͤhnlichen, mindern Reitzempfaͤnglich-
keit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenom-
men, ſo gleichguͤltig ſcheint mir nach zweyjaͤhrigen Ver-
ſuchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle
im Zuſtande der erhoͤhten Reitzempfindlichkeit. Homoge-
neitaͤt beruht nicht auf Gleichartigkeit chemiſcher Beſtand-
theile, ſondern darauf, ob ein Metall mehr erwaͤrmt,
polirt, gehaͤrtet, anders geformt ſey, als das andere.
Niemand hat dieſe Art von Verſuchen zu einer groͤßeren
Feinheit gebracht, als der große Phyſiker Volta, […]
deſſen Namen gewiß jeder Naturforſcher mit Verehrung
nennt. Aber durch eben dieſe Feinheit iſt es in dem
Streite uͤber Homogeneitaͤt endlich ſo weit gekommen,
daß a priori einzuſehen iſt, der Skeptiker, welcher He-
terogeneitaͤt behauptet, ſey unuͤberwindlich. Jch erzaͤhle
daher die einfachen Verſuche, welche ich in dieſer Hinſicht
angeſtellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der Wahr-
ſcheinlichkeit
zu urtheilen, welche ſonſt unſere Schluͤſſe
in Gegenſtaͤnden der Phyſik leitet. Jch reinigte Queckſil-

ber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="178"/>
Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven<lb/>
auf den Zink, die &#x017F;ich, &#x017F;o wenig als ihre Schenkel, nir-<lb/>
gends beru&#x0364;hrten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß<lb/>
mittel&#x017F;t zwey trockner Glastafeln in die Luft empor ge-<lb/>
hoben, und die Contraction war dennoch in beiden<lb/>
Schenkeln da, &#x017F;o oft eine dritte Per&#x017F;on die Nervenar-<lb/>
matur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen)<lb/>
mittel&#x017F;t Zink, Silber oder Ei&#x017F;en er&#x017F;chu&#x0364;tterte. Jch ge-<lb/>
&#x017F;tehe, daß mir die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung von allem, was ich bis-<lb/>
her noch beym Galvani&#x017F;iren ge&#x017F;ehen oder daru&#x0364;ber gele-<lb/>
&#x017F;en, derge&#x017F;talt abzuweichen &#x017F;chien, daß &#x017F;ie mich und die<lb/>
Um&#x017F;tehenden, wie ein Zauber, in Er&#x017F;taunen &#x017F;etzte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">b)</hi> Mit Kette, und zwar in zwey Unterabthei-<lb/>
lungen:</p><lb/>
        <p>&#x03B1;) bey homogenen Metallen. So wenig ich im<lb/>
Zu&#x017F;tande der gewo&#x0364;hnlichen, mindern Reitzempfa&#x0364;nglich-<lb/>
keit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenom-<lb/>
men, &#x017F;o gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;cheint mir nach zweyja&#x0364;hrigen Ver-<lb/>
&#x017F;uchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle<lb/>
im Zu&#x017F;tande der erho&#x0364;hten Reitzempfindlichkeit. Homoge-<lb/>
neita&#x0364;t beruht nicht auf Gleichartigkeit chemi&#x017F;cher Be&#x017F;tand-<lb/>
theile, &#x017F;ondern darauf, ob ein Metall mehr erwa&#x0364;rmt,<lb/>
polirt, geha&#x0364;rtet, anders geformt &#x017F;ey, als das andere.<lb/>
Niemand hat die&#x017F;e Art von Ver&#x017F;uchen zu einer gro&#x0364;ßeren<lb/>
Feinheit gebracht, als der große Phy&#x017F;iker <hi rendition="#g">Volta</hi>, <choice><sic>de&#x017F;-</sic><corr/></choice><lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Namen gewiß jeder Naturfor&#x017F;cher mit Verehrung<lb/>
nennt. Aber durch eben die&#x017F;e Feinheit i&#x017F;t es in dem<lb/>
Streite u&#x0364;ber Homogeneita&#x0364;t endlich &#x017F;o weit gekommen,<lb/>
daß <hi rendition="#aq">a priori</hi> einzu&#x017F;ehen i&#x017F;t, der Skeptiker, welcher He-<lb/>
terogeneita&#x0364;t behauptet, &#x017F;ey unu&#x0364;berwindlich. Jch erza&#x0364;hle<lb/>
daher die einfachen Ver&#x017F;uche, welche ich in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht<lb/>
ange&#x017F;tellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der <hi rendition="#g">Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichkeit</hi> zu urtheilen, welche &#x017F;on&#x017F;t un&#x017F;ere Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
in Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der Phy&#x017F;ik leitet. Jch reinigte Queck&#x017F;il-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0015] Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven auf den Zink, die ſich, ſo wenig als ihre Schenkel, nir- gends beruͤhrten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß mittelſt zwey trockner Glastafeln in die Luft empor ge- hoben, und die Contraction war dennoch in beiden Schenkeln da, ſo oft eine dritte Perſon die Nervenar- matur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen) mittelſt Zink, Silber oder Eiſen erſchuͤtterte. Jch ge- ſtehe, daß mir dieſe Erſcheinung von allem, was ich bis- her noch beym Galvaniſiren geſehen oder daruͤber gele- ſen, dergeſtalt abzuweichen ſchien, daß ſie mich und die Umſtehenden, wie ein Zauber, in Erſtaunen ſetzte. b) Mit Kette, und zwar in zwey Unterabthei- lungen: α) bey homogenen Metallen. So wenig ich im Zuſtande der gewoͤhnlichen, mindern Reitzempfaͤnglich- keit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenom- men, ſo gleichguͤltig ſcheint mir nach zweyjaͤhrigen Ver- ſuchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle im Zuſtande der erhoͤhten Reitzempfindlichkeit. Homoge- neitaͤt beruht nicht auf Gleichartigkeit chemiſcher Beſtand- theile, ſondern darauf, ob ein Metall mehr erwaͤrmt, polirt, gehaͤrtet, anders geformt ſey, als das andere. Niemand hat dieſe Art von Verſuchen zu einer groͤßeren Feinheit gebracht, als der große Phyſiker Volta, deſſen Namen gewiß jeder Naturforſcher mit Verehrung nennt. Aber durch eben dieſe Feinheit iſt es in dem Streite uͤber Homogeneitaͤt endlich ſo weit gekommen, daß a priori einzuſehen iſt, der Skeptiker, welcher He- terogeneitaͤt behauptet, ſey unuͤberwindlich. Jch erzaͤhle daher die einfachen Verſuche, welche ich in dieſer Hinſicht angeſtellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der Wahr- ſcheinlichkeit zu urtheilen, welche ſonſt unſere Schluͤſſe in Gegenſtaͤnden der Phyſik leitet. Jch reinigte Queckſil- ber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/15
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184, hier S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/15>, abgerufen am 27.11.2024.