Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145.einförmige Richtung der abgerissenen Massen von Seetang, die in parallelen Streifen1 schwimmen, durch die Seiten-Abweichung, welche das Senkblei2 beim Lothen zeigt; endlich auch durch schmale Bächlein (estrias) fließender Wasser, die man bisweilen bei voller Ruhe der Meeres-Oberfläche wahrnimmt. Höchst wahrscheinlich veranlaßte eine Beobachtung dieser Art den Columbus am 13 September 1492 zu dem Ausruf: "die Strömungen sind uns entgegen!" Er befand sich damals 300 Seemeilen von jedem Lande entfernt, auf einem Meere ohne Algen (Sargasso). In der Südsee habe ich nach langer Windstille einige Male, wenn die tiefblaue Oberfläche des Meeres einem ebenen Spiegel glich, jene schmalen Wasserstreifen, welche unbewegte Wassermassen durchsetzen, nicht allein, durch sichtbare Verschiedenheit der Färbung, erkannt, sondern auch fließen hören. Erfahrenen Seeleuten ist das eigenthümliche plätschernde Geräusch dieser Streifen (filets de courants) sehr bekannt, welche wir auf unseren Landseen wiederfinden, wo sie zu verschiedenen Tagen und Stunden sehr verschiedene Richtung haben, und also gewiß nicht durch Unebenheiten (Furchen) des Seebodens bestimmt werden.3 1 "Se veia la yerva con las listas de el Leste a Ueste"; Vida del Almirante cap. 36 (aus dem Tagebuch der ersten Reise des Columbus vom 13, 17 und 21 September 1492). 2 Der Sohn Hernando hat uns folgende, überaus merkwürdige Stelle aus dem Tagebuche des Vaters aufbewahrt, von welcher in dem Auszuge von Las Casas, den wir allein besitzen, keine Spur zu finden ist: "Am 19 September 1492, als große Hoffnung vorhanden war, daß das Admiralsschiff sich in der Nähe des Landes befinde, wurde bei vollkommener Windstille das Senkblei ausgeworfen. Noch bei 200 Faden war kein Grund zu finden; man erkannte aber, daß die Meereströmung die Richtung nach Südwesten hatte." (Vida del Almirante cap. 18.) 3 Humboldt, Examen critique T. III. p. 103.
einförmige Richtung der abgerissenen Massen von Seetang, die in parallelen Streifen1 schwimmen, durch die Seiten-Abweichung, welche das Senkblei2 beim Lothen zeigt; endlich auch durch schmale Bächlein (estrias) fließender Wasser, die man bisweilen bei voller Ruhe der Meeres-Oberfläche wahrnimmt. Höchst wahrscheinlich veranlaßte eine Beobachtung dieser Art den Columbus am 13 September 1492 zu dem Ausruf: „die Strömungen sind uns entgegen!“ Er befand sich damals 300 Seemeilen von jedem Lande entfernt, auf einem Meere ohne Algen (Sargasso). In der Südsee habe ich nach langer Windstille einige Male, wenn die tiefblaue Oberfläche des Meeres einem ebenen Spiegel glich, jene schmalen Wasserstreifen, welche unbewegte Wassermassen durchsetzen, nicht allein, durch sichtbare Verschiedenheit der Färbung, erkannt, sondern auch fließen hören. Erfahrenen Seeleuten ist das eigenthümliche plätschernde Geräusch dieser Streifen (filets de courants) sehr bekannt, welche wir auf unseren Landseen wiederfinden, wo sie zu verschiedenen Tagen und Stunden sehr verschiedene Richtung haben, und also gewiß nicht durch Unebenheiten (Furchen) des Seebodens bestimmt werden.3 1 »Se veìa la yerva con las listas de el Leste á Ueste«; Vida del Almirante cap. 36 (aus dem Tagebuch der ersten Reise des Columbus vom 13, 17 und 21 September 1492). 2 Der Sohn Hernando hat uns folgende, überaus merkwürdige Stelle aus dem Tagebuche des Vaters aufbewahrt, von welcher in dem Auszuge von Las Casas, den wir allein besitzen, keine Spur zu finden ist: „Am 19 September 1492, als große Hoffnung vorhanden war, daß das Admiralsschiff sich in der Nähe des Landes befinde, wurde bei vollkommener Windstille das Senkblei ausgeworfen. Noch bei 200 Faden war kein Grund zu finden; man erkannte aber, daß die Meereströmung die Richtung nach Südwesten hatte.“ (Vida del Almirante cap. 18.) 3 Humboldt, Examen critique T. III. p. 103.
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einförmige Richtung der abgerissenen Massen von Seetang, die in parallelen Streifen 1 schwimmen, durch die Seiten-Abweichung, welche das Senkblei 2 beim Lothen zeigt; endlich auch durch schmale Bächlein (estrias) fließender Wasser, die man bisweilen bei voller Ruhe der Meeres-Oberfläche wahrnimmt. Höchst wahrscheinlich veranlaßte eine Beobachtung dieser Art den Columbus am 13 September 1492 zu dem Ausruf: „die Strömungen sind uns entgegen!“ Er befand sich damals 300 Seemeilen von jedem Lande entfernt, auf einem Meere ohne Algen (Sargasso). In der Südsee habe ich nach langer Windstille einige Male, wenn die tiefblaue Oberfläche des Meeres einem ebenen Spiegel glich, jene schmalen Wasserstreifen, welche unbewegte Wassermassen durchsetzen, nicht allein, durch sichtbare Verschiedenheit der Färbung, erkannt, sondern auch fließen hören. Erfahrenen Seeleuten ist das eigenthümliche plätschernde Geräusch dieser Streifen (filets de courants) sehr bekannt, welche wir auf unseren Landseen wiederfinden, wo sie zu verschiedenen Tagen und Stunden sehr verschiedene Richtung haben, und also gewiß nicht durch Unebenheiten (Furchen) des Seebodens bestimmt werden. 3
1 »Se veìa la yerva con las listas de el Leste á Ueste«; Vida del Almirante cap. 36 (aus dem Tagebuch der ersten Reise des Columbus vom 13, 17 und 21 Sept. 1492).
2 Der Sohn Hernando hat uns folgende, überaus merkwürdige Stelle aus dem Tagebuche des Vaters aufbewahrt, von welcher in dem Auszuge von Las Casas, den wir allein besitzen, keine Spur zu finden ist: „Am 19 September 1492, als große Hoffnung vorhanden war, daß das Admiralsschiff sich in der Nähe des Landes befinde, wurde bei vollkommener Windstille das Senkblei ausgeworfen. Noch bei 200 Faden war kein Grund zu finden; man erkannte aber, daß die Meereströmung die Richtung nach Südwesten hatte.“ (Vida del Almirante cap. 18.)
3 Humboldt, Examen critique T. III. p. 103.
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