Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.kreisenden Meteor-Asteroiden abgerechnet) für unsere Wahrnehmung nur die Thätigkeit gleichartiger Materien zu schildern ist; so offenbart dagegen der irdische Theil des Kosmos, neben den dynamischen Wirkungen bewegender Kräfte, den mächtigen und wundersam zusammengesetzten Einfluß specifischer Stoff-Verschiedenheit (Kosmos Bd. III. S. 4 und 594). In dem hier berührten Unterschiede von Complication und relativer Fülle des zu behandelnden Materials liegt zum Theil die Ursach (ich wage nicht zu sagen die Rechtfertigung) des so überaus großen Zwischenraums in der Zeit des Erscheinens der einzelnen Bände. Der Hauptgrund wachsender Zögerung liegt aber in der Abnahme der Lebenskräfte eines fast neunzigjährigen Greises, wenn bei gleichbleibender nächtlicher Arbeitsamkeit weniger und mit minder heiterer Zuversicht gefördert werden kann. So sind seit der Zeit, welche ich in der Vorrede zum ersten Bande des Kosmos "den späten Abend eines vielbewegten Lebens" nannte, bereits mehr als zwölf Jahre verflossen. Als Descartes an seinem Kosmos, le Traite du Monde, arbeitete, welcher die "ganze Welt der Erscheinungen (die himmlische Sphäre, wie alles, was er von der belebten und unbelebten Natur wußte)" umfassen sollte, brach er häufig in den Briefen an seinen Freund, den Pater Mersenne, die Baillet 1691 bekannt gemacht hat, in bittere Klagen aus über das langsame Fortschreiten seiner Arbeit und die große Schwierigkeit so viele Gegenstände an einander zu reihen (Oeuvres de Descartes, publiees par Victor Cousin 1824, T. I. p. 101; Kosmos Bd. III. S. 20). Wie viel bitterer würden die Klagen des so vielseitig, selbst anatomisch, unterrichteten Philosophen gewesen sein, wenn er die Mitte des 19ten Jahr- kreisenden Meteor-Asteroiden abgerechnet) für unsere Wahrnehmung nur die Thätigkeit gleichartiger Materien zu schildern ist; so offenbart dagegen der irdische Theil des Kosmos, neben den dynamischen Wirkungen bewegender Kräfte, den mächtigen und wundersam zusammengesetzten Einfluß specifischer Stoff-Verschiedenheit (Kosmos Bd. III. S. 4 und 594). In dem hier berührten Unterschiede von Complication und relativer Fülle des zu behandelnden Materials liegt zum Theil die Ursach (ich wage nicht zu sagen die Rechtfertigung) des so überaus großen Zwischenraums in der Zeit des Erscheinens der einzelnen Bände. Der Hauptgrund wachsender Zögerung liegt aber in der Abnahme der Lebenskräfte eines fast neunzigjährigen Greises, wenn bei gleichbleibender nächtlicher Arbeitsamkeit weniger und mit minder heiterer Zuversicht gefördert werden kann. So sind seit der Zeit, welche ich in der Vorrede zum ersten Bande des Kosmos „den späten Abend eines vielbewegten Lebens“ nannte, bereits mehr als zwölf Jahre verflossen. Als Descartes an seinem Kosmos, le Traité du Monde, arbeitete, welcher die „ganze Welt der Erscheinungen (die himmlische Sphäre, wie alles, was er von der belebten und unbelebten Natur wußte)“ umfassen sollte, brach er häufig in den Briefen an seinen Freund, den Pater Mersenne, die Baillet 1691 bekannt gemacht hat, in bittere Klagen aus über das langsame Fortschreiten seiner Arbeit und die große Schwierigkeit so viele Gegenstände an einander zu reihen (Oeuvres de Descartes, publiées par Victor Cousin 1824, T. I. p. 101; Kosmos Bd. III. S. 20). Wie viel bitterer würden die Klagen des so vielseitig, selbst anatomisch, unterrichteten Philosophen gewesen sein, wenn er die Mitte des 19ten Jahr- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="4"/> kreisenden <hi rendition="#g">Meteor-Asteroiden</hi> abgerechnet) für unsere Wahrnehmung nur die Thätigkeit <hi rendition="#g">gleichartiger</hi> Materien zu schildern ist; so offenbart dagegen der <hi rendition="#g">irdische</hi> Theil des Kosmos, neben den dynamischen Wirkungen bewegender Kräfte, den mächtigen und wundersam zusammengesetzten Einfluß <hi rendition="#g">specifischer Stoff-Verschiedenheit</hi> (Kosmos Bd. III. S. 4 und 594). In dem hier berührten Unterschiede von Complication und relativer Fülle des zu behandelnden Materials liegt zum Theil die Ursach (ich wage nicht zu sagen die Rechtfertigung) des so überaus großen Zwischenraums in der Zeit des Erscheinens der einzelnen Bände. Der Hauptgrund wachsender Zögerung liegt aber in der Abnahme der Lebenskräfte eines fast neunzigjährigen Greises, wenn bei gleichbleibender nächtlicher Arbeitsamkeit weniger und mit minder heiterer Zuversicht gefördert werden kann. So sind seit der Zeit, welche ich in der Vorrede zum ersten Bande des Kosmos „den späten Abend eines vielbewegten Lebens“ nannte, bereits mehr als zwölf Jahre verflossen.</p> <p>Als <hi rendition="#g">Descartes</hi> an seinem Kosmos, le Traité du Monde, arbeitete, welcher die „ganze Welt der Erscheinungen (die himmlische Sphäre, wie alles, was er von der belebten und unbelebten Natur wußte)“ umfassen sollte, brach er häufig in den Briefen an seinen Freund, den Pater Mersenne, die Baillet 1691 bekannt gemacht hat, in bittere Klagen aus über das langsame Fortschreiten seiner Arbeit und die große Schwierigkeit so viele Gegenstände an einander zu reihen (<hi rendition="#g">Oeuvres</hi> de <hi rendition="#g">Descartes,</hi> publiées par Victor <hi rendition="#g">Cousin</hi> 1824, T. I. p. 101; Kosmos Bd. III. S. 20). Wie viel bitterer würden die Klagen des so vielseitig, selbst anatomisch, unterrichteten Philosophen gewesen sein, wenn er die Mitte des 19<hi rendition="#sup">ten</hi> Jahr- </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0011]
kreisenden Meteor-Asteroiden abgerechnet) für unsere Wahrnehmung nur die Thätigkeit gleichartiger Materien zu schildern ist; so offenbart dagegen der irdische Theil des Kosmos, neben den dynamischen Wirkungen bewegender Kräfte, den mächtigen und wundersam zusammengesetzten Einfluß specifischer Stoff-Verschiedenheit (Kosmos Bd. III. S. 4 und 594). In dem hier berührten Unterschiede von Complication und relativer Fülle des zu behandelnden Materials liegt zum Theil die Ursach (ich wage nicht zu sagen die Rechtfertigung) des so überaus großen Zwischenraums in der Zeit des Erscheinens der einzelnen Bände. Der Hauptgrund wachsender Zögerung liegt aber in der Abnahme der Lebenskräfte eines fast neunzigjährigen Greises, wenn bei gleichbleibender nächtlicher Arbeitsamkeit weniger und mit minder heiterer Zuversicht gefördert werden kann. So sind seit der Zeit, welche ich in der Vorrede zum ersten Bande des Kosmos „den späten Abend eines vielbewegten Lebens“ nannte, bereits mehr als zwölf Jahre verflossen.
Als Descartes an seinem Kosmos, le Traité du Monde, arbeitete, welcher die „ganze Welt der Erscheinungen (die himmlische Sphäre, wie alles, was er von der belebten und unbelebten Natur wußte)“ umfassen sollte, brach er häufig in den Briefen an seinen Freund, den Pater Mersenne, die Baillet 1691 bekannt gemacht hat, in bittere Klagen aus über das langsame Fortschreiten seiner Arbeit und die große Schwierigkeit so viele Gegenstände an einander zu reihen (Oeuvres de Descartes, publiées par Victor Cousin 1824, T. I. p. 101; Kosmos Bd. III. S. 20). Wie viel bitterer würden die Klagen des so vielseitig, selbst anatomisch, unterrichteten Philosophen gewesen sein, wenn er die Mitte des 19ten Jahr-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/11 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/11>, abgerufen am 16.07.2024. |