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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Guadeloupe (Ende Septembers 1796) zugeschrieben wurde, so scheint der Untergang von Caracas eine Wirkung der Reaction eines südlicheren Vulkans der Antillen, des von St. Vincent, gewesen zu sein. Das furchtbare, dem Kanonendonner gleiche, unterirdische Getöse, welches eine heftige Eruption des zuletzt genannten Vulkans am 30 April 1812 erregte, wurde in den weiten Gras-Ebenen (Llanos) von Calabozo und an den Ufern des Rio Apure, 48 geogr. Meilen westlicher als seine Vereinigung mit dem Orinoco, vernommen (Humb. Voy. T. II. p. 14). Der Vulkan von St. Vincent hatte keine Lava gegeben seit 1718; am 30 April entfloß ein Lavastrom dem Gipfel-Krater und gelangte nach 4 Stunden bis an das Meeresufer. Sehr auffallend ist es gewesen und mir von sehr verständigen Küstenfahrern bestätigt worden, daß das Getöse auf offnem Meere fern von der Insel weit stärker war als nahe am Littoral. Der Vulkan der Insel S. Lucia, gewöhnlich nur eine Solfatare genannt, ist kaum zwölf- bis achtzehnhundert Fuß hoch. Im Krater liegen viele kleine, periodisch mit siedendem Wasser gefüllte Becken. Im Jahr 1766 soll ein Auswurf von Schlacken und Asche beobachtet worden sein, was freilich bei einer Solfatare ein ungewöhnliches Phänomen ist; denn wenn auch (nach den gründlichen Untersuchungen von James Forbes und Poulett Scrope) an einer Eruption der Solfatare von Pozzuoli im Jahr 1198 wohl nicht zu zweifeln ist, so könnte man doch geneigt sein dies Ereigniß als eine Seitenwirkung des nahe gelegenen Hauptvulkans, des Vesuvs, zu betrachten. (S. Forbes im Edinb. Journal of Science Vol. I. p. 128 und Poulett Scrope in den Transact. of the Geol. Soc. 2d Ser. Vol. II. p. 346.) Lancerote, Hawaii und die Sunda-Inseln bieten uns analoge Beispiele von Ausbrüchen dar, welche von den Gipfel-Kratern, dem eigentlichen Sitze der Thätigkeit, überaus fern liegen. Freilich hat sich bei großen Vesuv-Eruptionen in den Jahren 1794, 1822, 1850 und 1855 die Solfatara von Pozzuoli nicht geregt (Julius Schmidt über die Eruption des Vesuvs im Mai 1855 S. 156): wenn gleich Strabo (lib. V pag. 245), lange vor dem Ausbruch des Vesuvs, in dem Brandfelde von Dicäarchia bei Kymäa und Phlegra auch von Feuer, freilich unbestimmt, spricht. (Dicäarchia erhielt zu Hannibals Zeit von den Römern, die es da colonisirten, den Namen Puteoli. "Einige meinen", setzt Strabo hinzu, "daß wegen des üblen Geruches des Wassers die
Guadeloupe (Ende Septembers 1796) zugeschrieben wurde, so scheint der Untergang von Caracas eine Wirkung der Reaction eines südlicheren Vulkans der Antillen, des von St. Vincent, gewesen zu sein. Das furchtbare, dem Kanonendonner gleiche, unterirdische Getöse, welches eine heftige Eruption des zuletzt genannten Vulkans am 30 April 1812 erregte, wurde in den weiten Gras-Ebenen (Llanos) von Calabozo und an den Ufern des Rio Apure, 48 geogr. Meilen westlicher als seine Vereinigung mit dem Orinoco, vernommen (Humb. Voy. T. II. p. 14). Der Vulkan von St. Vincent hatte keine Lava gegeben seit 1718; am 30 April entfloß ein Lavastrom dem Gipfel-Krater und gelangte nach 4 Stunden bis an das Meeresufer. Sehr auffallend ist es gewesen und mir von sehr verständigen Küstenfahrern bestätigt worden, daß das Getöse auf offnem Meere fern von der Insel weit stärker war als nahe am Littoral. Der Vulkan der Insel S. Lucia, gewöhnlich nur eine Solfatare genannt, ist kaum zwölf- bis achtzehnhundert Fuß hoch. Im Krater liegen viele kleine, periodisch mit siedendem Wasser gefüllte Becken. Im Jahr 1766 soll ein Auswurf von Schlacken und Asche beobachtet worden sein, was freilich bei einer Solfatare ein ungewöhnliches Phänomen ist; denn wenn auch (nach den gründlichen Untersuchungen von James Forbes und Poulett Scrope) an einer Eruption der Solfatare von Pozzuoli im Jahr 1198 wohl nicht zu zweifeln ist, so könnte man doch geneigt sein dies Ereigniß als eine Seitenwirkung des nahe gelegenen Hauptvulkans, des Vesuvs, zu betrachten. (S. Forbes im Edinb. Journal of Science Vol. I. p. 128 und Poulett Scrope in den Transact. of the Geol. Soc. 2d Ser. Vol. II. p. 346.) Lancerote, Hawaii und die Sunda-Inseln bieten uns analoge Beispiele von Ausbrüchen dar, welche von den Gipfel-Kratern, dem eigentlichen Sitze der Thätigkeit, überaus fern liegen. Freilich hat sich bei großen Vesuv-Eruptionen in den Jahren 1794, 1822, 1850 und 1855 die Solfatara von Pozzuoli nicht geregt (Julius Schmidt über die Eruption des Vesuvs im Mai 1855 S. 156): wenn gleich Strabo (lib. V pag. 245), lange vor dem Ausbruch des Vesuvs, in dem Brandfelde von Dicäarchia bei Kymäa und Phlegra auch von Feuer, freilich unbestimmt, spricht. (Dicäarchia erhielt zu Hannibals Zeit von den Römern, die es da colonisirten, den Namen Puteoli. „Einige meinen", setzt Strabo hinzu, „daß wegen des üblen Geruches des Wassers die
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Guadeloupe (Ende Septembers 1796) zugeschrieben wurde, so scheint der Untergang von Caracas eine Wirkung der Reaction eines südlicheren Vulkans der Antillen, des von St. Vincent, gewesen zu sein. Das furchtbare, dem Kanonendonner gleiche, unterirdische Getöse, welches eine heftige Eruption des zuletzt genannten Vulkans am 30 April 1812 erregte, wurde in den weiten Gras-Ebenen (Llanos) von Calabozo und an den Ufern des Rio Apure, 48 geogr. Meilen westlicher als seine Vereinigung mit dem Orinoco, vernommen <hi rendition="#g">(Humb. Voy.</hi> T. II. p. 14). Der Vulkan von St. Vincent hatte keine Lava gegeben seit 1718; am 30 April entfloß ein Lavastrom dem Gipfel-Krater und gelangte nach 4 Stunden bis an das Meeresufer. Sehr auffallend ist es gewesen und mir von sehr verständigen Küstenfahrern bestätigt worden, daß das Getöse auf offnem Meere fern von der Insel weit stärker war als nahe am Littoral. Der Vulkan der Insel S. <hi rendition="#g">Lucia,</hi> gewöhnlich nur eine <hi rendition="#g">Solfatare</hi> genannt, ist kaum zwölf- bis achtzehnhundert Fuß hoch. Im Krater liegen viele kleine, periodisch mit siedendem Wasser gefüllte Becken. Im Jahr 1766 soll ein Auswurf von Schlacken und Asche beobachtet worden sein, was freilich bei einer Solfatare ein ungewöhnliches Phänomen ist; denn wenn auch (nach den gründlichen Untersuchungen von James Forbes und Poulett Scrope) an einer Eruption der Solfatare von Pozzuoli im Jahr 1198 wohl nicht zu zweifeln ist, so könnte man doch geneigt sein dies Ereigniß als eine Seitenwirkung des nahe gelegenen Hauptvulkans, des Vesuvs, zu betrachten. (S. <hi rendition="#g">Forbes</hi> im <hi rendition="#g">Edinb. Journal of Science</hi> Vol. I. p. 128 und Poulett <hi rendition="#g">Scrope</hi> in den <hi rendition="#g">Transact. of the Geol. Soc.</hi> 2<hi rendition="#sup">d</hi> Ser. Vol. II. p. 346.) Lancerote, Hawaii und die Sunda-Inseln bieten uns analoge Beispiele von Ausbrüchen dar, welche von den Gipfel-Kratern, dem eigentlichen Sitze der Thätigkeit, überaus fern liegen. Freilich hat sich bei großen Vesuv-Eruptionen in den Jahren 1794, 1822, 1850 und 1855 die Solfatara von Pozzuoli nicht geregt (Julius <hi rendition="#g">Schmidt über die Eruption des Vesuvs im Mai 1855</hi> S. 156): wenn gleich Strabo (lib. V pag. 245), lange vor dem Ausbruch des Vesuvs, in dem Brandfelde von Dicäarchia bei Kymäa und Phlegra auch von <hi rendition="#g">Feuer,</hi> freilich unbestimmt, spricht. (Dicäarchia erhielt zu Hannibals Zeit von den Römern, die es da colonisirten, den Namen <hi rendition="#g">Puteoli.</hi> &#x201E;Einige meinen", setzt Strabo hinzu, &#x201E;daß wegen des üblen Geruches des Wassers die
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[600/0605] ³¹ Guadeloupe (Ende Septembers 1796) zugeschrieben wurde, so scheint der Untergang von Caracas eine Wirkung der Reaction eines südlicheren Vulkans der Antillen, des von St. Vincent, gewesen zu sein. Das furchtbare, dem Kanonendonner gleiche, unterirdische Getöse, welches eine heftige Eruption des zuletzt genannten Vulkans am 30 April 1812 erregte, wurde in den weiten Gras-Ebenen (Llanos) von Calabozo und an den Ufern des Rio Apure, 48 geogr. Meilen westlicher als seine Vereinigung mit dem Orinoco, vernommen (Humb. Voy. T. II. p. 14). Der Vulkan von St. Vincent hatte keine Lava gegeben seit 1718; am 30 April entfloß ein Lavastrom dem Gipfel-Krater und gelangte nach 4 Stunden bis an das Meeresufer. Sehr auffallend ist es gewesen und mir von sehr verständigen Küstenfahrern bestätigt worden, daß das Getöse auf offnem Meere fern von der Insel weit stärker war als nahe am Littoral. Der Vulkan der Insel S. Lucia, gewöhnlich nur eine Solfatare genannt, ist kaum zwölf- bis achtzehnhundert Fuß hoch. Im Krater liegen viele kleine, periodisch mit siedendem Wasser gefüllte Becken. Im Jahr 1766 soll ein Auswurf von Schlacken und Asche beobachtet worden sein, was freilich bei einer Solfatare ein ungewöhnliches Phänomen ist; denn wenn auch (nach den gründlichen Untersuchungen von James Forbes und Poulett Scrope) an einer Eruption der Solfatare von Pozzuoli im Jahr 1198 wohl nicht zu zweifeln ist, so könnte man doch geneigt sein dies Ereigniß als eine Seitenwirkung des nahe gelegenen Hauptvulkans, des Vesuvs, zu betrachten. (S. Forbes im Edinb. Journal of Science Vol. I. p. 128 und Poulett Scrope in den Transact. of the Geol. Soc. 2d Ser. Vol. II. p. 346.) Lancerote, Hawaii und die Sunda-Inseln bieten uns analoge Beispiele von Ausbrüchen dar, welche von den Gipfel-Kratern, dem eigentlichen Sitze der Thätigkeit, überaus fern liegen. Freilich hat sich bei großen Vesuv-Eruptionen in den Jahren 1794, 1822, 1850 und 1855 die Solfatara von Pozzuoli nicht geregt (Julius Schmidt über die Eruption des Vesuvs im Mai 1855 S. 156): wenn gleich Strabo (lib. V pag. 245), lange vor dem Ausbruch des Vesuvs, in dem Brandfelde von Dicäarchia bei Kymäa und Phlegra auch von Feuer, freilich unbestimmt, spricht. (Dicäarchia erhielt zu Hannibals Zeit von den Römern, die es da colonisirten, den Namen Puteoli. „Einige meinen", setzt Strabo hinzu, „daß wegen des üblen Geruches des Wassers die

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/605>, abgerufen am 22.11.2024.