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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Aeneas soll auch Nävius zeugen im ersten Buche vom punischen Kriege."
62 (S. 304.) Pind. Pyth. I, 31. Vergl. Strabo V p. 245 und 248, XIII p. 627. Wir haben bereits oben (Kosmos Bd. IV. S. 253 Anm. 61) bemerkt, daß Typhon vom Caucasus nach Unter-Italien floh: als deute die Mythe an, daß die vulkanischen Ausbrüche im letzteren Lande minder alt seien wie die auf dem caucasischen Isthmus. Von der Geographie der Vulkane wie von ihrer Geschichte ist die Betrachtung mythischer Ansichten im Volksglauben nicht zu trennen. Beide erläutern sich oft gegenseitig. Was auf der Oberfläche der Erde für die mächtigste der bewegenden Kräfte gehalten wurde (Aristot. Meteorol. II. 8, 3): der Wind, das eingeschlossene Pneuma; wurde als die allgemeine Ursach der Vulcanicität (der feuerspeienden Berge und der Erdbeben) erkannt. Die Naturbetrachtung des Aristoteles war auf die Wechselwirkung der äußeren und der inneren, unterirdischen Luft, auf eine Ausdünstungs-Theorie, auf Unterschiede von warm und kalt, von feucht und trocken, gegründet (Aristot. Meteor. II. 8, 1. 25. 31. und II. 9, 2). Je größer die Masse des "in unterirdischen und unterseeischen Hohlgängen" eingeschlossenen Windes ist, je mehr sie gehindert sind, in ihrer natürlichen, wesentlichen Eigenschaft, sich weithin und schnell zu bewegen; desto heftiger werden die Ausbrüche. "Vis fera ventorum, caecis inclusa cavernis" (Ovid. Metam. XV, 299). Zwischen dem Pneuma und dem Feuer ist ein eigener Verkehr. (to pur otan meta pneumatos e, ginetai phlox kai pheretai takheos; Aristot. Meteor. II. 8, 3. -- kai gar to pur oion pneumatos tis phusis; Theophrast. de igne § 30 p. 715.) Auch aus den Wolken sendet das plötzlich frei gewordene Pneuma den zündenden und weitleuchtenden Wetterstrahl (prester). "In dem Brandlande, der Katakekaumene von Lydien", sagt Strabo (lib. XIII p. 628), "werden noch drei, volle vierzig Stadien von einander entfernte Schlünde gezeigt, welche die Blasebälge heißen; darüber liegen rauhe Hügel, welche wahrscheinlich von den emporgeblasenen Glühmassen aufgeschichtet wurden." Schon früher hatte der Amasier angeführt (lib. I p. 57): "daß zwischen den Cycladen (Thera und Therasia) vier Tage lang Feuerflammen aus dem Meere hervorbrachen, so daß die ganze See siedete und brannte; und es wurde wie durch Hebel allmälig emporgehoben eine aus Glühmassen
Aeneas soll auch Nävius zeugen im ersten Buche vom punischen Kriege."
62 (S. 304.) Pind. Pyth. I, 31. Vergl. Strabo V p. 245 und 248, XIII p. 627. Wir haben bereits oben (Kosmos Bd. IV. S. 253 Anm. 61) bemerkt, daß Typhon vom Caucasus nach Unter-Italien floh: als deute die Mythe an, daß die vulkanischen Ausbrüche im letzteren Lande minder alt seien wie die auf dem caucasischen Isthmus. Von der Geographie der Vulkane wie von ihrer Geschichte ist die Betrachtung mythischer Ansichten im Volksglauben nicht zu trennen. Beide erläutern sich oft gegenseitig. Was auf der Oberfläche der Erde für die mächtigste der bewegenden Kräfte gehalten wurde (Aristot. Meteorol. II. 8, 3): der Wind, das eingeschlossene Pneuma; wurde als die allgemeine Ursach der Vulcanicität (der feuerspeienden Berge und der Erdbeben) erkannt. Die Naturbetrachtung des Aristoteles war auf die Wechselwirkung der äußeren und der inneren, unterirdischen Luft, auf eine Ausdünstungs-Theorie, auf Unterschiede von warm und kalt, von feucht und trocken, gegründet (Aristot. Meteor. II. 8, 1. 25. 31. und II. 9, 2). Je größer die Masse des „in unterirdischen und unterseeischen Hohlgängen" eingeschlossenen Windes ist, je mehr sie gehindert sind, in ihrer natürlichen, wesentlichen Eigenschaft, sich weithin und schnell zu bewegen; desto heftiger werden die Ausbrüche. »Vis fera ventorum, caecis inclusa cavernis« (Ovid. Metam. XV, 299). Zwischen dem Pneuma und dem Feuer ist ein eigener Verkehr. (τὸ πῦρ ὄταν μετὰ πνεύματος ἡ, γίνεται φλὸξ καὶ φέρεται ταχέως; Aristot. Meteor. II. 8, 3. — καὶ γὰρ τὸ πῦρ οἷον πνεύματός τις φύσις; Theophrast. de igne § 30 p. 715.) Auch aus den Wolken sendet das plötzlich frei gewordene Pneuma den zündenden und weitleuchtenden Wetterstrahl (πρηστήρ). „In dem Brandlande, der Katakekaumene von Lydien", sagt Strabo (lib. XIII p. 628), „werden noch drei, volle vierzig Stadien von einander entfernte Schlünde gezeigt, welche die Blasebälge heißen; darüber liegen rauhe Hügel, welche wahrscheinlich von den emporgeblasenen Glühmassen aufgeschichtet wurden." Schon früher hatte der Amasier angeführt (lib. I p. 57): „daß zwischen den Cycladen (Thera und Therasia) vier Tage lang Feuerflammen aus dem Meere hervorbrachen, so daß die ganze See siedete und brannte; und es wurde wie durch Hebel allmälig emporgehoben eine aus Glühmassen
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[536/0541] ⁶¹ Aeneas soll auch Nävius zeugen im ersten Buche vom punischen Kriege." ⁶² (S. 304.) Pind. Pyth. I, 31. Vergl. Strabo V p. 245 und 248, XIII p. 627. Wir haben bereits oben (Kosmos Bd. IV. S. 253 Anm. 61) bemerkt, daß Typhon vom Caucasus nach Unter-Italien floh: als deute die Mythe an, daß die vulkanischen Ausbrüche im letzteren Lande minder alt seien wie die auf dem caucasischen Isthmus. Von der Geographie der Vulkane wie von ihrer Geschichte ist die Betrachtung mythischer Ansichten im Volksglauben nicht zu trennen. Beide erläutern sich oft gegenseitig. Was auf der Oberfläche der Erde für die mächtigste der bewegenden Kräfte gehalten wurde (Aristot. Meteorol. II. 8, 3): der Wind, das eingeschlossene Pneuma; wurde als die allgemeine Ursach der Vulcanicität (der feuerspeienden Berge und der Erdbeben) erkannt. Die Naturbetrachtung des Aristoteles war auf die Wechselwirkung der äußeren und der inneren, unterirdischen Luft, auf eine Ausdünstungs-Theorie, auf Unterschiede von warm und kalt, von feucht und trocken, gegründet (Aristot. Meteor. II. 8, 1. 25. 31. und II. 9, 2). Je größer die Masse des „in unterirdischen und unterseeischen Hohlgängen" eingeschlossenen Windes ist, je mehr sie gehindert sind, in ihrer natürlichen, wesentlichen Eigenschaft, sich weithin und schnell zu bewegen; desto heftiger werden die Ausbrüche. »Vis fera ventorum, caecis inclusa cavernis« (Ovid. Metam. XV, 299). Zwischen dem Pneuma und dem Feuer ist ein eigener Verkehr. (τὸ πῦρ ὄταν μετὰ πνεύματος ἡ, γίνεται φλὸξ καὶ φέρεται ταχέως; Aristot. Meteor. II. 8, 3. — καὶ γὰρ τὸ πῦρ οἷον πνεύματός τις φύσις; Theophrast. de igne § 30 p. 715.) Auch aus den Wolken sendet das plötzlich frei gewordene Pneuma den zündenden und weitleuchtenden Wetterstrahl (πρηστήρ). „In dem Brandlande, der Katakekaumene von Lydien", sagt Strabo (lib. XIII p. 628), „werden noch drei, volle vierzig Stadien von einander entfernte Schlünde gezeigt, welche die Blasebälge heißen; darüber liegen rauhe Hügel, welche wahrscheinlich von den emporgeblasenen Glühmassen aufgeschichtet wurden." Schon früher hatte der Amasier angeführt (lib. I p. 57): „daß zwischen den Cycladen (Thera und Therasia) vier Tage lang Feuerflammen aus dem Meere hervorbrachen, so daß die ganze See siedete und brannte; und es wurde wie durch Hebel allmälig emporgehoben eine aus Glühmassen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/541>, abgerufen am 25.11.2024.